"Nordisch herb": Frank Vockroth als Jon Petersen und Loretta Stern als Nora Neubauer
Mit humorvollen regionalen Krimis will die ARD ihren seit Jahren kränkelnden Vorabend endlich wieder aufpäppeln. "Nordisch herb" eröffnete gestern als erster von fünf neuen Krimis die große Vorabendoffensive des Ersten. An den rustikalen Charme des Vorbilds "Mord mit Aussicht" kam der im friesischen Husum angesiedelte Krimi zwar nicht heran, aber die Serie hat durchaus Entwicklungspotenzial. Allerdings wird das Erste wohl einen langen Atem beweisen müssen: Die Einschaltquoten blieben bei der ersten Folge deutlich im einstelligen Bereich.
Bereits die Ausgangssituation von "Nordisch herb" erinnerte ein wenig an den Eifelkrimi "Mord mit Aussicht": Kommissarin Nora Neubauer (Loretta Stern) zieht von Berlin in die friesische Provinz, wo sie dem wortkargen Nordfriesen Jon Peterson (Frank Vockroth) als neue Partnerin zur Seite gestellt ist. Der ist zwar nicht begeistert, fühlt sich aber bald zu seiner attraktiven Kollegin hingezogen. Vor allem Frank Vockroth als brummiger Friese bietet Sympathiepotenzial, während Loretta Stern, deren Figur als emanzipierte, alleinerziehende Mutter angelegt ist, zuweilen noch eher zickig als frech rüberkommt. Die Nebenrollen wirkten zu Anfang zwar teilweise noch etwas holzschnittartig, sind aber durchweg glaubhaft besetzt und ergänzen sich zu einem stimmigen Ensemble.
Besonderen Wert hat man bei der Entwicklung der Serie offenbar auf Lokalkolorit gelegt. Das fängt bei ausgiebigen Landschaftsaufnahmen an, setzt sich fort beim ersten Toten im Hafenbecken und reicht bis zum Stoff der ersten Folge, in der „Der Schimmelreiter" von Theodor Storm eine zentrale Rolle spielt. Leider ist die ARD allerdings einmal mehr davor zurückgeschreckt, hier auch sprachlich konsequent zu sein. Viel mehr Platt als ein typisch norddeutsches "Moin" wollte man dem Publikum offenbar nicht zumuten - schade.
Inhaltlich darf man angesichts von 45 Minuten pro Folge natürlich keine allzu aufwändigen Plots und verschachtelte Handlungen erwarten - Krimigourmets kommen also nicht unbedingt auf ihre Kosten, doch am Vorabend ist ohnehin eher solide Hausmannskost gefragt. Ob das Publikum die regionalen Spezialitäten goutiert, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Nächste Woche startet am Mittwoch der in Bayern angesiedelte Krimi
"Hubert und Staller", eine Woche darauf die im Münsterland spielende Serie
"Henker & Richter". Im Frühjahr 2012 folgen unter der Dachmarke "Heiter bis tödlich" zwei weitere Serien. Man kann für das Erste nur hoffen, dass hier kein Übersättigungseffekt eintritt.
Zumindest quotentechnisch war zum Auftakt noch eher Schonkost angesagt: Lediglich 1,94 Millionen Zuschauer verfolgten gestern die erste Folge von "Nordisch herb", der Marktanteil kam damit nicht über müde 7,8 Prozent hinaus. Richtig schlecht lief es bei den Zuschauern von 14 bis 49 Jahren: Hier schalteten nur 400.000 Zuschauer ein, der Marktanteil stagnierte bei schwachen 4,5 Prozent. Es wird wohl auch noch eine Weile dauern, bis das Publikum die neuen Vorabend-Krimis im Ersten für sich entdeckt. Das Erste wird einige Geduld brauchen, um sein Sorgenkind wieder aufzupäppeln.
dh