Kritische Grenze erreicht? Die Mediengruppe RTL Deutschland
Eine schnelle Reform des Medienkonzentrationsrechts wird es offenbar nicht geben: Die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Sachsen haben eine geplante Gesetzesreform in der vergangenen Woche ausgehebelt, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Beteiligte sprechen von einer "Vollbremsung". Möglicher Hintergrund: Die Sender der Mediengruppe RTL Deutschland liegen inzwischen über der kritischen Grenze von 25 Prozent Marktanteil.
Die Grenze, ab der von einer "vorherrschenden Meinungsmacht" gesprochen wird, liegt laut Gesetz derzeit bei 30 Prozent Marktanteil im TV-Zuschauermarkt. Ist ein Medienkonzern zusätzlich in verwandten Medienmärkten wie zum Beispiel im Verlagsgeschäft aktiv, sinkt der Grenzwert auf 25 Prozent. Nach Berechnungen der
Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) kommen die Sender der RTL-Gruppe (RTL, Vox, n-TV und Beteiligungen an RTL 2 und Super RTL) derzeit auf einen Marktanteil von 26,3 Prozent. Da die RTL-Mutter Bertelsmann in zahlreichen anderen Medienmärkten aktiv ist, hat die Meinungsmacht der Mediengruppe RTL inzwischen einen kritischen Wert erreicht.
Nach der geplanten Reform könnten die großen TV-Gruppen bei einer Annäherung an die kritischen Grenzwerte künftig Maßnahmen zur Binnenpluralität ergreifen, und damit den drohenden Verkauf von Unternehmensteilen verhindern. Bonuspunkte soll es zum Beispiel für die Ausweitung von Regionalfenstern oder Drittsendezeiten für unabhängige Programmanbieter oder die Einrichtung eines Programmbeirates geben. Sachsen bangt dadurch jedoch um die Existenz seiner Lokalsender, berichtet die "SZ". Nordrhein-Westfalen, wo unter anderem die RTL Mediengruppe Deutschland ihren Sitz hat, sorgt sich wiederum offenbar um seine Medienstandorte Köln und Düsseldorf. Nun sollen erst einmal neue Gutachten erstellt werden. Vor der Bundestagswahl 2013 ist aber offenbar nicht mehr mit einem Durchbruch zu rechnen.
Klar ist: Das Medienkonzentrationsrecht muss dringend umfassend reformiert werden. Nach den derzeit geltenden Gesetzen haben inzwischen viele Medienkonzerne in Deutschland eine Größe erreicht, ab der größere Übernahmen nahezu unmöglich sind. Die Definition und Berechnung der Meinungsmacht eines Medienkonzerns ist indes kompliziert und hochumstritten. Erst kürzlich hat der
Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine Entscheidung der KEK aus dem Jahr 2006
für unrechtsmäßig erklärt. Damals hatten die Konzentrationswächter
Axel Springer die Übernahme von
Pro Sieben Sat 1 untersagt, da der Konzern aus ihrer Sicht zu viel Meinungsmacht angehäuft hätte.
Die KEK hatte mit einem umstrittenen Modell Marktanteile im Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt zu den TV-Marktanteilen von Pro Sieben Sat 1 hinzuaddiert, Anteile für Drittsendezeiten und Regionalfenster wieder abgezogen und waren am Ende auf ein Äquivalent von 42 Prozent Marktanteil im TV-Markt gekommen. Zu viel, befand die KEK und untersagte die Übernahme.
dh