Fast alle Publikumszeitschriften haben den Fall zur Aufmacherstory gemacht, die "Bild-Zeitung" verpflichtete sogar Feministin Alice Schwarzer, um über den Fall zu berichten. Ehemalige Geliebte des Moderators ließen sich Exklusiv-Interviews teuer bezahlen, während sie vor Gericht auf den Auschluss der Öffentlichtlichkeit bestanden, aber auch Staatsanwaltschaft und Verteidigung haben mehrfach versucht, die Medien für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Insgesamt haben die Medien im Fall Kachelmann keine besonders gute Figur gemacht, lautet das einhellige Urteil der meisten Kommentatoren. HORIZONT.NET dokumentiert im Folgenden ausgewählte Kommentare zum Fall Kachelmann in den Medien.
Stuttgarter Zeitung
Der Fall Kachelmann hat sich auch zu einem Medienspektakel allererster Güte entwickelt, mit zahlreichen Zeitgenossen, die außerhalb des Gerichtssaales weit gesprächiger waren als dort, wo ihre Worte tatsächlich etwas zählen. Und mit Medien, die diese Gesprächsbereitschaft durch üppige finanziellen Zuwendungen befördert haben. Diesen Unsinn gilt es ebenso abzustellen. Es besteht nicht viel Hoffnung, das dies gelingt.
Der Westen
Aber selbst Kachelmann verlässt den Prozess nicht als Gewinner. Er ist öffentlich erledigt. Journalisten, die es von vornherein besser zu wissen glaubten, als das Gericht, haben sich in diesem Fall nicht mit Ruhm bekleckert, was sie über das Privatleben Kachelmanns in die Öffentlichkeit gezerrt haben, hatte dort nichts zu suchen.
Neue Osnabrücker Zeitung
Wer hätte das gedacht? Ein Großteil des Prozesses gegen Jörg Kachelmann wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Wer das Verfahren in manchen Medien verfolgt hat, könnte auch zu der Ansicht gelangt sein, die Reporter seien zu jeder Minute dabei gewesen. Nicht wenige in diesem "Publikum" dürften sich ihr Urteil gebildet haben, noch bevor die Richter heute ein Urteil sprechen.
Sex & Crime und ein Fernsehprominenter auf der Anklagebank - das war ein gefundenes Fressen für all diejenigen Medien, die mit dieser Mischung ihre Auflagen und Quoten zu steigern wiss en. Längst nicht nur die üblichen Verdächtigen des Boulevards, auch etliche der sogenannten seriösen Medien konnten dieser Versuchung nicht widerstehen.
Alice Schwarzer berichtete für die "Bild" über den Prozess
Alice Schwarzer auf Bild.de
Was in diesem Kachelmann-Jahr mal wieder schmerzhaft klar geworden ist: Ein männlicher Angeklagter ist gesellschaft lich, medial, ja sogar juristisch viel stärker als so eine weibliche Nebenklägerin. Wer in diesem Fall auch nur erwog, die Ex Freundin könnte vielleicht die Wahrheit sagen, der wurde plattgemacht.
Von einer echten Entscheidungsfreiheit der Richter kann unter solchen Umständen eigentlich nicht mehr die Rede sein. Egal, wie das Urteil ausfällt alle haben Schaden genommen. Allen voran der Rechtsstaat.
Welt Online
Am Ende eines neun Monate währenden Prozesses, dem vier ausgesprochen umstrittene Monate Untersuchungshaft von Kachelmann vorausgingen, stehen die Mannheimer Richter und die Staatsanwaltschaft nun vor den Scherben ihres Ehrgeizes.
Die Wirkung ihres Tuns war so ganz anders, als sie sich das erhofft hatten: mal übereifrig bis töricht, mal rein rechthaberisch oder von karrieristischem Jagdeifer getrieben. Der Öffentlichkeit wurde zwar über 14 Monate eine Show geliefert, die ohne weiteres als Seifenoper verfilmt werden könnte. Doch dem Vertrauen in Justiz und Gerechtigkeit hat das schwer geschadet. Dabei war genau das Gegenteil beabsichtigt.
Mannheimer Morgen
Wenn am Dienstag das Urteil gegen Jörg Kachelmann fällt, geht auch ein Kapitel deutscher Pressegeschichte zu Ende. Niemals zuvor nahmen Medien derart Einfluss auf ein Gerichtsverfahren.
Der Olsberger Medienrechtler Kurt Braun sieht in einer derartigen Einmischung der Presse eine Gefahr für die Unabhängigkeit der Rechtsfindung. "Diese Medien wollen Druck aufbauen, um ihre eigenen Positionen in Stellung zu bringen", sagte Braun unserer Zeitung. Ziel sei es zudem, über Emotionen und "bewegende Schilderungen" eine höhere Auflage zu erreichen. Das hatte sicherlich auch die "Bild"-Zeitung im Blick, die die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer nach Mannheim schickte. Anfangs noch mit dem Ziel, für die Rechte eines am Pranger stehenden mutmaßlichen Opfers einzutreten, entwickelten sich die sporadischen Auftritte zu einer Farce, die an manchen Tagen in Artikeln mündete, obwohl Schwarzer gar nicht im Gerichtssaal war.
Vor dem Urteil sieht Medienrechtler Braun eine schwere Last auf dem Gericht liegen: "Von dem massiven medialen Druck kann sich das Gericht in der Entscheidungsfindung sicherlich nicht ganz frei machen."