Die Einschläge kommen näher: Mit Gruner + Jahr-Vorstandschef Bernd Kundrun spricht zum ersten Mal ein amtierender Verlagschef deutlich und quasi öffentlich von einer anstehenden Marktbereinigung im Printsektor - in einem Brief an leitende Mitarbeiter.
Kundrun kündigt darin an, offenbar noch in diesem Jahr („in den nächsten Wochen") das internationale G+J-Portfolio „um jene Titel zu bereinigen, die keine Aussicht haben, die Krise zu überstehen". Zugleich erwartet der G+J-Chef, dass auch andere Verlage um ähnliche Maßnahmen nicht herumkommen.
Kundrun begründet seine Einschätzung mit der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise und der daraus resultierenden Zurückhaltung der Anzeigenkunden. Seit Wochen stimmen er und seine Vorstandskollegen in Pressegesprächen und Mitarbeiterpublikationen mit diesen Argumenten auf schwere Zeiten ein - der Begriff „Marktbereinigung" wurde dabei jedoch bisher vermieden. Allein ehemalige Verlagsgrößen, etwa der frühere G+J-Zeitschriftenvorstand Rolf Wickmann, nahmen das „M-Wort" in den Mund.
Nun beginnt G+J-intern das
angstvolle Rätseln, welche Titel vor dem Aus stehen könnten. Eine in mehrfacher Hinsicht schwere Entscheidung - denn die absolut gesehen wohl größten wirtschaftlichen Sorgenkinder, etwa die „FTD" oder „Park Avenue", gelten als journalistische Renommierobjekte mit entsprechender Image- und Portfoliobedeutung für G+J. Dies trifft nur eingeschränkt auf andere Titel zu, die entweder ihre Flughöhe noch nicht erreicht („Emotion") oder in den vergangenen Quartalen starke Auflageneinbrüche verbüßt haben („Essen & Trinken für jeden Tag", „Flora Garten") - eine Einstellung dieser kleineren Titel mit wenig Wachstumsphantasie würde allerdings die Kostenseite weniger entlasten. In den vergangenen zwei Jahren hat G+J hierzulande bereits „Bym" (2006), „Woman" (2007), „Decoration" (2007) und „Viva" (2008) vom Markt genommen sowie „Frau im Spiegel" an die WAZ-Gruppe verkauft.
Dem Vernehmen nach erwartet G+J Deutschland für 2008 einen
Umsatzrückgang von rund 30 Millionen Euro, das sind 2,3 Prozent vom Deutschland- und 1,1 Prozent vom weltweiten G+J-Umsatz, bezogen auf 2007. Allein der „Stern" verbucht in diesem Jahr wohl ein Umsatzminus in hoch einstelliger Millionhöhe. Wegen der unsicheren Aussichten hatte G+J jüngst einen Einstellungsstopp verhängt. Mitarbeiter, die sich bereits jetzt eine Marktprognose für 2009 zutrauen, befürchten, dass dann bis zu 300 der rund 4000 Kollegen in Deutschland gehen müssten. Unabhängig davon plant G+J bereits seit Sommer, sich via Abfindung von knapp 60 Mitarbeitern zu trennen.
Weltweit beschäftigt G+J über 14.000 Mitarbeiter. Vor allem Spanien macht Auslandsvorstand Torsten-Jörn Klein derzeit wenig Freude, da dort die Immobilienblase ähnlich stark platzte wie in den USA - mit gravierenden konjunkturellen Folgen. Auch dort könnte es also zu Titeleinstellungen kommen.
rp