Marketing-Professor Anton Meyer hatte unbequeme Thesen im Gepäck
Eines jedenfalls kann man Anton Meyer, dem umtriebigen Marketing-Professor der Uni München, nun gar nicht vorwerfen: Dass er die Einladung des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) damit gedankt hätte, dem Gastgeber frohe Botschaften zu überbringen und ihn schmeichelhaft in Sicherheit zu wiegen. Nein, im Gegenteil. Meyer war gekommen, um auf den VDZ-Zeitschriftentagen in die Zukunft des Vertriebsgeschäfts zu blicken, aus Sicht der Betriebswirtschaft. Und die klingt für Verlage zumindest unbequem.
Das knappste und damit wertvollste Gut eines Unternehmens seien seine Kundenbeziehungen, sagt
Meyer wenig spektakulär - um dann die Frage anzuschließen: „Was ist für Verlage das Epizentrum einer
Kundenbeziehung? Print?" Er muss hier sein „Nein" nicht aussprechen, man ahnt es schon. Doch was denn sonst? Hier plädiert Meyer für eine neue Marketingsicht auf Unternehmen und damit auch auf Verlage: Nicht mehr Produkte sollten als „materielle Wertträger" im Mittelpunkt der Wertschöpfung stehen - sondern eben Kundenbeziehungen.
Das bedeutete, dass Produkte erst dann einen Wert erhielten, wenn (und in dem Maße wie) sie genutzt werden. Bisher denken Unternehmen oft anders: Dem gerade hergestellten Auto wird der höchste Wert beigemessen - und sobald der Käufer damit losfährt, sinkt der Wert. Meyer wirbt für die umgekehrte Sicht: Kein Unternehmen könne Werte schaffen ohne
Interaktion mit den Kunden („Co-Creation"), und dabei gehe es nicht um Produkte, sondern um Lösungen. Auf Verlage übertragen hieße das: Wissen sei die Quelle der Wertschöpfung, Wissen um die Bedürfnisse der Kunden - und eben nicht die Auflagen gedruckter Hefte.
Meyer definiert die Heftnutzung als eine von vielen Gelegenheiten, Erkenntnisse über die Leser als Kunden zu gewinnen - wenn der Verlag sich als „Wertschöpfungsnetzwerk" begreife und
Dialogmarketing beherrsche. Sicher, durch die Einbindung der lesenden Kunden in alle Prozesse müssten die Medienhäuser ein Stück Kontrolle aufgeben. Außerdem werde „unternehmerisch denkender Journalismus" wichtiger, entgegen der reinen Lehre einer von Verlagsbelangen völlig unabhängigen Redaktion. „Die Alternative zum Verlust von Kontrolle ist der Verlust von Marktanteilen", sagt Meyer. Denn er sieht Verlage längst im Wettbewerb um
Kundenbeziehungen mit Medien-, Wissens-, Service- und Technik-Providern wie Apple.
rp