1. Wie für ganz normale Unternehmen gibt es auch für Werbeagenturen Konjunkturen. Und die deutsche Agenturszene hat derzeit zwei Unternehmen, die einen
richtig guten Kreativ-Lauf haben: Jung von Matt und KemperTrautmann. JvM holte in Cannes 16 Löwen, KT gewann immerhin 13. Beim GWA Effie war JvM die erfolgreichste Agentur, wie auf der JvM-Homepage stolz vermeldet wird. Beim DMMA Onlinestar setzte KT Maßstäbe, wie Internet World Business staunend feststellt. Es war ein kluger Schachzug von KT, ein Jahr lang bei den Kreativwettbewerben auszusetzen, die Agentur neu zu strukturieren und insbesondere im Digitalbereich fit zu machen. In diesem Jahr ernten
André Kemper und
Michael Trautmann bereits die Früchte dieser Strategie. Und der Wechsel von Karen Heumann und Armin Jochum zum Ortskonkurrenten wird KT weiteren Schub geben: Armin Jochum ist unbestritten einer der Top-Kreativen im Lande. Und Karen Heumann - HORIZONT-Agenturfrau des Jahres 2004 - wird mit neuem Ehrgeiz in neuer Agentur ihr großes Potenzial im Bereich Strategie und Planning abrufen.
2. Es war auch klug von André Kemper und Michael Trautmann, die beiden JvM-Vorstände als Unternehmer - die beiden werden Mitinhaber, ihre Nachnamen werden Teil des Agenturnamens - in die Agentur einzubinden. Selbst der düpierte JvM-Chef
Peter Figge - angeblich hat er am Montagnachmittag gerade mal eine halbe Stunde vor der Veröffentlichung
unter anderem an dieser Stelle vom Wechsel erfahren - kommt nicht umhin, in der „FTD" festzustellen: „Für Karen und Armin ist es der nächste logische Schritt, in eine unternehmerische Position zu wechseln." Für Figge ist die ganze Angelegenheit ein herber Schlag. Man sei sich im JvM-Vorstand immer einig gewesen, sagt der ehemalige DDB-Mann auf dem JvM-Chefposten. Doch in der Hamburger Agenturszene erzählt man sich, dass sowohl Heumann als auch Jochum mit dem Kurs ihres CEOs nicht einverstanden waren. Und manche JvMlern, so heißt es, vermissen bei ihrem Chef den JvM-Stallgeruch. Was dabei gerne unterschlagen wird: Die JvM-Gründer Holger Jung und Jean-Remy von Matt hatten Figge 2010 in die Agentur geholt, gerade weil er kein typischer Kreativmanager ist, sondern jemand ist, der sich mit Werbung
genauso gut auskennt wie mit Internet und weiß, dass Agenturen neben Kreativen und Beratern auch Programmierer, Community-Manager und Woodwing-Spezialisten brauchen. Nun muss Vordenker Figge verhindern, dass Mittel- und Unterbau der Agentur unruhig werden. Dazu ist, trotz des personellen „Paukenschlags" („FAZ"), kein Grund. Jung von Matt ist und bleibt eine der Top-Adressen in diesem Lande, wenn es um Kommunikation geht.
3. Und KemperTrautmann? Vorstand André Kemper wird in den Aufsichtsrat wechseln. Doch wer den quirligen Top-Kreativen kennt, weiß: Er wird diese Funktion im Sinne eines operativ tätigen Aufsichtsrates interpretieren. Noch im September hatte Kemper im
HORIZONT-Interview zugeben: „Ich fühle mich nie gut genug.". Er hatte freilich auch im September schon zu Protokoll gegeben: „Ich mache immer noch zu viel. Das soll sich ändern - wir arbeiten an einer Konstellation, die es mir erlaubt, mich noch stärker auf wichtige kreative Projekte zu konzentrieren." Diese Konstellation hat die
„KemperTraumannschaft" nun offensichtlich gefunden. Sofern die beiden Alpha-Kreativen Kemper und Jochum gut zusammenarbeiten und die Aufgaben- und Arbeitsverteilung stimmt, hat die Agentur das Zeug, Jung von Matt den Kreativthron streitig zu machen.
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