Hamburger Erklärung, die Zweite: Verlags- und Werbebranche kämpft gegen Überregulierung von Online-Werbung

VPRT-Chef Claus Grewenig: "Strenge Regulierung schadet dem Nutzer"
VPRT-Chef Claus Grewenig: "Strenge Regulierung schadet dem Nutzer"
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Vor knapp zwei Jahren versuchten 166 Verlage mit der "Hamburger Erklärung" ihr geistiges Eigentum im Internet zu schützen. Seit heute gibt es eine weitere "Hamburger Erklärung". Hinter dem aktuellen Vorstoß stehen diesmal aber nicht nur Verlage, sondern die gesamte Medien- und Werbewirtschaft Deutschlands. Unterzeichner sind die Verbände BVDW, VPRT, GWA und ZAW. Der VDZ, der Mitglied im ZAW ist, unterstützt die "Hamburger Erklärung" ebenfalls. Ziel der Verbände ist es, effektive Maßnahmen der Selbstkontrolle zu etablieren und damit eine weitere Reglementierung von Online-Werbung zu verhindern.

"Hohes Schutzniveau": ZAW-Chef Bernd Nauen
"Hohes Schutzniveau": ZAW-Chef Bernd Nauen
Die "Hamburger Erklärung", die heute anlässlich des Mediendialogs Hamburg 2011 vorgestellt wurde, baut auf einer Initiative des Interactive Advertising Bureau Europe (IAB) auf. Die Dachorganisation der europäischen Internetwerbebranche hatte bereits Anfang April 2011 ein Rahmenwerk zur Selbstregulierung von nutzungsbasierter Onlinewerbung vorgestellt. Dieses sah unter anderem vor, dass Surfer künftig selbst entscheiden können, ob sie individuell abgestimmte Werbung zugestellt bekommen möchten - und wenn ja, zu welchen Themen. Mit dem Rahmenwerk will das IAB verhindern, dass die europäischen Regierungen bei der Umsetzung der von der EU beschlossenen Cookie-Richtlinie (siehe Kasten) allzu strenge Maßstäbe anlegen und es zu einer Überregulierung im Wachstumsmarkt für Onlinewerbung kommt.

Die Hamburger Erklärung im Wortlaut: 110524_Hamburger_Erklaerung.pdf

"Die Hamburger Erklärung gibt der Initiative des IAB nun in Deutschland zusätzlichen Schwung", erklärt Thomas Schauf, der als Senior Fachgruppenmanager und Projektleiter Selbstkontrolle Online-Datenschutz beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) das Projekt verantwortet. Ziel sei es, die vom IAB ausgearbeiteten Selbstregulierungsmaßnahmen für Deutschland vorzubereiten und in die Tat umzusetzen.

Die Cookie-Richtlinie

Ein Cookie ist ein kurzer Eintrag auf einem Computer, der wichtige Informationen unter anderem zum Surfverhalten des Nutzers liefert. Die Werbeindustrie nutzt Cookies, um Verbraucher mit individuell abgestimmten Angeboten - also nutzungsbasierter Onlinewerbung - anzusprechen. Die  "Cookie-Richtlinie" änderte 2009 auf EU-Ebene die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation und besagt, dass der Nutzer der Platzierung von solchen Cookies zustimmen muss. Eigentlich hätte diese Änderung bis zum 25. Mai 2011 von den EU-Mitgliedsstaaten in nationales Gesetz umgewandelt werden müssen, doch getan hat sich bislang wenig. In Deutschland wäre eine entsprechende Regelung im Telemediengesetz festzuhalten. Die Novelle ist dem Vernehmen nach erst 2012 geplant.

In ihrem Appell an die Politik bringen die Verbände die Dringlichkeit ihres Anliegens deutlich zum Ausdruck. Konkret fordern die Unterzeichner von der Bundesregierung, bei den gesetzlichen Regelungen für den Datenschutz im Internet "ausgewogene und zeitgemäße Rahmenbedingungen zu finden". Claus Grewenig, Geschäftsführer des VPRT, sieht im Zusammenhang mit der Cookie-Richtlinie die Gefahr, "dass eine zu strenge Regulierung im Bereich von Datenschutz und Onlinewerbung dem Nutzer schadet, da sie innovative TV-, Radio-, Online- und Mobile-Angebote - unabhängig vom jeweiligen Geschäftsmodell - bedrohen" könne. "Mit dem Aufbau einer Selbstregierung unter dem Dach des ZAW sehen wir uns auf einem sehr guten Weg, die Interessen von Anbietern und Nutzern zum Ausgleich zu bringen", so Grewenig.

Im Gegenzug verpflichten sich die Verbände, ihre Verantwortung gegenüber den Surfern ernst zu nehmen und die Nutzungsdaten entsprechend zu schützen. "In der Hamburger Erklärung machen die beteiligten Verbände deutlich, dass ihnen der verantwortungsvolle Umgang mit Kundendaten ein zentrales Anliegen ist. Dies gilt nicht nur für Onlinewerbung, sondern für alle Formen des digitalen Marketing", erklärt GWA-Geschäftsführer Ralf Nöcker. Und ZAW-Chef Bernd Nauen betont, dass die selbst auferlegten Regeln sowie das Beschwerdemanagement für die nutzungsorientierte Onlinewerbung dem Verbraucher ein "hohes Schutzniveau" bieten. "Unter dem Dach des ZAW arbeiten alle Marktbeteiligten intensiv daran, den europäischen Selbstverpflichtungs- und -kontrollrahmen in eine nationale Selbstregulierungsinstitution zu überführen, bei der auch den nationalen Gegebenheiten Rechnung getragen werden kann", so Nauen. 

Beim BVDW sieht man gute Chancen, dass die Politik auf die Forderungen eingeht. Grund: Die Novellierung des Telemediengesetzes, in das die Regelungen für nutzungsbasierte Onlinewerbung einfließen würden, soll dem Vernehmen nach erst 2012 über die Bühne gehen. BVDW-Experte Schauf hofft, dass die Werbe- und Medienindustrie bis dahin beweisen darf, dass die Selbstregulierungsmaßnahmen greifen. mas



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