HORIZONT-Check: Welches Philosophie-Magazin hat die besseren Chancen?

Beide Magazine liegen in diesen Tagen erstmals am Kiosk
Beide Magazine liegen in diesen Tagen erstmals am Kiosk
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Zufall oder Absprache? In dieser Woche sind zwei neue Magazine erschienen, die sich mit dem Thema Philosophie beschäftigen. "Hohe Luft" stammt aus dem kleinen Hamburger Verlag Inspiring Network, der auch die Frauenzeitschrift "Emotion" herausbringt. Hinter dem "Philosophie Magazin" steht der französische Verleger Fabrice Gerschel, dessen 2006 in Frankreich gegründetes "Philosophie Magazine" dort 2010 zum Magazin des Jahres gekürt wurde. Es sind zwei unabhängige Projekte, die doch eins gemeinsam haben: Sie setzen auf eine Leserschaft, die sich wieder mehr mit der Frage beschäftigt, wie man sein Leben lebt.


Wenn zwei Zeitschriften im selben Segment starten, so kann das Chance und Risiko sein. Chance, weil die öffentliche Wahrnehmung und damit die potenzielle Leserschaft steigt, Risiko, weil vorab keiner weiß, für wie viele wirtschaftlich erfolgreiche Titel Leser- und Anzeigenmarkt Platz bieten. Die Frage, ob die Neulinge einen ähnlichen Boom auslösen, wie vor sechs Jahren der Start von „Landlust" bei den Landmagazin, ist damit die spannendste, die mit den Projekten verbunden ist. Mit ihren ersten Ausgaben schlagen die Macher ihre Pflöcke ein. Wer hat das größere Potenzial für die Masse?

Cover

"Hohe Luft" sieht aus,wie die kleine Schwester des Wirtschaftsmagazins „Brand Eins". Das Cover ist komplett Gelb mit der plakativen Überschrift der Titelgeschichte „Du sollt nicht lügen" versehen, arbeitet nur mit Schrift und verzichtet auf jedes Bild.

Das „Philosophie Magazin" wirkt dagegen wie die kostenlose Dreingabe in der Apotheke. Das Cover ist unruhig, reist die Geschichten mal mit mal, ohne Bilder an und erhebt die Optik vom Dossier „Warum haben wir Kinder?" zum Titelbild. Das Foto von den Kinderfüßen, die in  viel zu großen Schnürschuhen stecken, wirkt in der Mitte des Heftes toll - auf dem Cover dagegen einfach nur abgeschnitten und deplatziert.

Layout

Beide Magazine kommen in einem modernen und hochwertigen Layout daher. Das Papier ist dick, die Farben zurückgenommen, mal mehr, mal weniger Weißraum bringt Ruhe ins Layout, die Typografien sind sorgfältig gewählt. Doch „Hohe Luft" wirkt radikaler. Der Text ist das dominierende Gestaltungselement. Lediglich wenige einseitige Illustrationen, die die großen Stücke einleiten, unterbrechen den Lauf. Philosophie, das ist (Schwerst-)Arbeit für den Kopf - und das spiegelt sich im Layout wieder.

Ganz anders im „Philosophie Magazin": In klassischer Form werden die Artikel mit Fotos, Kästen und Charts unterbrochen. Es passt damit besser zu den Lesegewohnheiten und vermittelt angesichts der gut gewählten Fotografien auch eine moderne Bildsprache, die sich so mit den Illustrationen in „Hohe Luft" nicht erzeugen lässt.

Rein optisch kommt „Hohe Luft" damit eher wie das Heft für die Intellektuellen her, das „Philosophie Magazin" wirkt leichter konsumierbar.


Aufbau

Den Einstieg ins Heft macht das „Philosophie Magazin" dafür einfach, in dem es dem klassischen Zeitschriftenaufbau, in sich kurze und lange Strecken immer wieder abwechseln. Das Startressort nennt sich „Zeitgeist" und bringt unter anderem eine „Presseschau" mit Zitaten zu philosophischen Fragestellungen, die Rubrik „Pro & Contra", in der zwei Kontrahenten diesmal die Frage beantworten, ob die Natur immer recht hat, eine Gerichtskolumne von Romanautorin und Juristin Julie Zeh - und ein langes Streitgespräch zwischen dem umstrittenen Wikileaks-Gründer Julien Assange und dem nicht weniger strittigen Moralphilosophen Peter Singer.

Es folgt das „Dossier", das fester Bestandteil jeden Heftes sein soll. Auf 24 Seiten dreht sich in der ersten Ausgabe alles um die Frage, warum wir Kinder haben. Anschließend kommt die Rubrik „Die Philosophen". Auch hier bieten Häppchen einen Einstieg, bevor die Redaktion das Wirken und Denken von Aristoteles unter die Lupe nimmt. Den Ausstieg aus dem Heft bilden die Rubriken „Bücher" und „Ereignis", die ebenfalls in kürzeren Strecken eine Vielzahl von Themen aufbereiten. Der Ausstieg ist die Rubirk "Sokrates fragt" - diesmal Christoph Maria Herbst, der Ekelchef "Stromberg".

Anders bei „Hohe Luft". „Miniaturen" nennt sich die Rubrik zum Einstieg. Auf sieben Seiten sind Schnipsel zu aktuellen Themen wie der Euro-Krise und Burn-out zusammengetragen. Diese sind bebildert mit Illustrationen, die ein wenig wie vom Leser gekritzelt wirken, und sind bereits recht umfangreich. Anschließend folgen die großen Stücke wie die Titelgeschichte „Du sollst nicht lügen!", ein Essay über Nietzsche und ein Interview über Machiavelli. Unterbrochen wird der Artikel-Fluß nur durch eine lange Fotostrecke mit Porträts - ohne weitere Kommentierung. Dieser Purismus wirkt  in dem sonst leseintensiven Heft dafür umso beeindruckender.

Erst zum Ende hin wird es wieder kleinteiliger. Ebenfalls mit einer Rubrik „Bücher" und dem Ausstieg „Denkstücke". Auf der letzten Seite kommt auch in „Hohe Luft" eine Prominente zu Wort: Abgesprochen oder unabgesprochen - Schauspielerin Christiane Paul beantwortet auch hier die „Frage des Sokrates", diesmal „Was ist Tugend?". Während Herbst in "philosophie Magazin" einfach nur persönliche Fragen beantwortet wie "Was inspiriert Sie" ,setzt sich Paul ernsthaft in einem ganzseitigen Text mit der Tugend auseinander.

Insgesamt wirkt das „Philosophie Magazin" mit seinen wechselhafteren Ablauf magaziniger, während „Hohe Luft" stärker auf das gezielte Lesen, als das flüchtige Durchblättern setzt.

Journalistischer Ansatz

Noch ist die unterschiedliche Handschrift nicht eindeutig. Manche der Texte wie zum Beispiel das „Hohe Luft"-Essay über Nietzsche oder der Aristoteles-Artikel aus „Philosophie Magazin" könnte in beiden Titeln stehen.

Deutlicher wird es bei der Wahl der Gesprächspartner. Mit Assange und Singer, Regissuer Florian Henckel von Donnersmarck und  Romanautor Daniel Kehlmann zeigt Chefredakteur Wolfram Eilenberger , worauf „Philosophie Magazin" setzt: Zugkräftige Namen, die auch außerhalb der Szene bekannt sind. „Hohe Luft"-Chef Thomas Vašek dagegen kommt mit dem Anspruch, denn Alltag greifbar zu machen, - bis die „Frage des Sokartes"  auch ohne solche Namen aus.

Auch der Duktus, in dem die Artikel verfasst sind, ist ein anderer. „Hohe Luft" bemüht sich in vielen Texten um eine Sprache aus der Mitte. Statt einer neutralen Erzählperspektive wählen die Autoren häufig das „Wir". Was Nähe erzeugen soll, wirkt stellenweise aber auch bevormundend, denn nicht jeder will sich im Kollektiv wiederfinden.

Fazit

In ihren Ansätzen adressieren beide Titel deutlich eine Leserschaft jenseits der Philiosophiestudenten. Die unterschiedlichen Ausrichtungen zwischen sehr gewohnt magazinig und radikal textorientiert sprechen jedoch deutlich andere Gruppen an. Das höhere Auflagenpotenzial dürfte wegen seiner lockereren Aufmachung das „Philosophie Magazin" - zumindest, wenn das Cover künftig ebenso daher kommt wie sein Inhalt: als „Neon" und nicht als „Apotheken Umschau". pap
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