Das erste Cover von "Myway"
Mutig ist das, was der Heinrich Bauer Verlag heute an den Kiosken vorlegt. „Myway" dürfte das erste Hochglanz-Frauenmagazin sein, das konsequent Frauen um die 60 abbildet, die nicht nur ihre Kleidung, sondern auch ihre weißen Haare und Falten stolz zur Schau tragen. Im Zeitschriftencircus ist das jedoch mehr als ungewöhnlich - gilt doch gemeinhin die Regel: die abgebildeten Frauen müssen mindestens zehn Jahre jünger sein, als die Zielgruppe, weil diese sich wiederum auch meist zehn Jahre jünger fühlt.
Demzufolge müsste Bauer mit dem Neuling die über 70-Jährigen ansprechen, denn der Großteil der gezeigten Frauen in den Mode-, Beauty- und Leben-Strecken ist um die 60. Laut Pressemitteilung will Bauer mit dem Heft, das vorerst einmalig in einer Auflage von 200.000 Stück erscheint, jedoch die 40- bis 60-Jährigen erreichen. „Forever 40" nennt Chefredakteurin
Angela Oelckers diese Zielgruppe.
Inhalt
Viele der abgebildeten Frauen sind um die 60 Jahre alt
Insgesamt in neun Rubriken teilt sich das Heft auf, darunter „Look & Stil", „Gut aussehen" und „Genießen". Die Rubrizierung findet sich jedoch nur im Inhaltsverzeichnis, das die bunt im Heft verteilten Geschichten thematisch bündelt. Auf den Heftseiten selbst bekommt dann jede der Geschichten ein eigenes Schlagwort. Auf 164 Seiten trägt dieses Verfahren allerdings nicht gerade zur Übersichtlichkeit und Auffindbarkeit bei.
Thematisch beinhaltet „Myway" den für Frauenzeitschriften üblichen Mix aus Mode, Beauty, Kochen, Reise und Wohnen, legt jedoch einen Schwerpunkt auf „Leben & Lieben" - dem Einstiegsressort, dem gleich drei der auf dem Cover angeteasten Geschichten angehören. Die Artikel drehen sich deutlich um die Befindlichkeiten einer Leserschaft, deren Kinder aus dem Haus sind. Drei Paare sprechen darüber, wie sie nach einem Seitensprung wieder zueinander gefunden haben, eine Mutter schreibt an ihren Sohn, der auszieht und Schauspielerin
Susan Sarandon, die auch das Cover ziert, spricht über ihre Angst vor Botox - sieht dafür auf den Fotos allerdings ziemlich weichgezeichnet aus.
Das Thema "Gut aussehen" spielt eine große Rolle
Die Mode- und Beautystrecken sind ebenfalls für ältere Frauen konzipiert. Flache Schuhe statt High Heels, Badeanzüge statt Bikinis und Schminktipps, wie frau „in 10 Minuten 5 Jahre jünger" aussehen kann.
Insgesamt hat die Redaktion, die stolz von sich sagt, nur Mitarbeiter über 40 zu haben, die Inhalte konsequent auf die anvisierte ältere Zielgruppe zugeschnitten.
Rezepte und Gesundheitsthemen dürfen nicht fehlen
Layout
Art Directorin
Sabine Mamat hat nicht allzu wild herumexperimentiert. Farblich dominieren fröhliche Töne wie Orange, Gelb und Rot. Störend wirken die mitunter großflächig farblich unterlegten Texte, bei denen nicht klar ist, wieso sie auf diese Weise herausgehoben wurden.
Problematisch sind die großen Bildstrecken, die teilweise in sehr unterschiedlicher Qualität produziert wurden. Die wichtigste Modestrecke, die eine weißhaarige circa 60-Jährige vor Meereskulisse zeigt, kommt sehr hochwertig daher. Andere Teile sehen dagegen aus, wie mit Archivmaterial und Bilddatenbanken bestückt.
Anzeigenmarkt
Rund 20 Anzeigen zählt das Magazin. Shiseido, Mercedes-Benz, Aigner und Mey sind mit von der Partie - tendenziell Kunden, für die Bauer in der Vergangenheit ein eher schlechteres Händchen hatte und das nun durch den
Zukauf der MVG-Titel „Cosmopolitan", „Joy" und „Shape" besser erschlossen werden soll. „Myway" passt gut zu dem Trio. In dem Verbund müsste auch für „Myway" noch mehr herauszuholen sein, als in der Nullnummer.
Wettbewerb
Bauer hat viel Erfahrung mit der reiferen Zielgruppe, produziert sonst aber eher billig anmutende Hefte wie
„Alles für die Frau" und
„Tina". Mit „Myway" geht der Verlag in ein Umfeld, das in den vergangenen Jahren erfolgreich von
Gruner + Jahr (
„Brigitte Woman") und
Burda (
„Freundin Donna") besetzt worden ist. „Brigitte Woman" kam im 1. Quartal 2012 auf eine Auflage von rund 250.000 Stück, „Freundin Donna" auf rund 130.000 Exemplare. Der Name "Myway" erinnert zudem an
Condé Nasts „Myself".
Doch alle drei Zeitschriften sprechen die ältere Zielgruppe weit weniger offensiv an und nutzen doch eher 40-Jährige Models für die Ansprache.
Fazit
Bauer legt ein solide gemachtes Magazin vor, dass sich konsequent an eine ältere Leserschaft richtet. Bislang hat sich hierzulande aber keines der Best-Ager-Magazine durchgesetzt, die sich vor allem dadurch auszeichneten, dass sie die Zielgruppe auch abbildete. Im Wettbewerb um die Leser mit „Freundin Donna" und „Brigitte Woman" dürfte sich „Myway" daher schwer tun.
pap