HORIZONT-Check: Günther Jauch bleibt farblos

Jauch holt zum Auftakt im Ersten über 5 Millionen Zuschauer (Bild: ARD/Marco Grob)
Jauch holt zum Auftakt im Ersten über 5 Millionen Zuschauer (Bild: ARD/Marco Grob)
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Selten dürfte die Latte höher gehangen haben, als für Günther Jauchs Einstand im Ersten. Immerhin haben die ARD-Gremien ein ganzes Programmschema umgeschrieben und altgediente ARD-Talker von B wie Beckmann bis W wie Will auf neue Sendeplätze umgezogen, um Jauch am Sonntagabend nach dem „Tatort" Platz zu machen. Das Ergebnis? Mehr als passabel: Insgesamt 5,1 Millionen Zuschauer schalteten ein, das reichte für einen Marktanteil von 18,6 Prozent und für Platz 5 im Zuschauerranking. Bei den 14- bis 49-Jährigen holte Jauch 1,19 Millionen Zuschauer und 9,7 Prozent Marktanteil. Die ARD dürfte zufrieden sein.

Doch ist der erste Erfolg Jauchs Moderatorenfähigkeiten zuzuschreiben oder nicht eher einem halbwegs berechenbaren Setting? Der profilierte RTL-Talker ist in seiner ersten Sendung auf Nummer Sicher gegangen. Wer am 11. September 2011 startet, dem zwingt sich das Thema regelrecht auf: „Zehn Jahre 11. September - War es richtig in den Krieg zu ziehen?" fragte er in die Gäste-Runde, die eher an "Stern TV" als an den harten Polittalk erinnert, den Jauch angetreten ist, im Ersten zu machen. Mit Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner und Ex-Burda-Vorstand Jürgen Todenhöfer saßen gleich zwei renommierte Medienmänner auf dem Podium, die zwar wenig Promifaktor mitbrachten, dafür sprachgewandt um die Meinungshoheit rangelten.

Buchkritikerin Elke Heidenreich stand wie Todenhöfer deutlich auf die Seite der Afghanistan-Kriegsgegner, während Döpfner den Bundeswehr-Einsatz Seite an Seite mit Ex-Verteidigungsminister Peter Struck rechtfertigte. Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann war die Rolle des Amerika-Sprechers zugedacht. Dafür qualifizierten ihn die Heirat mit einer Amerikanerin und sein aktuelles Amt als Trainer der US-Nationalmannschaft.

Das Gute, an der ebenso gebildeten wie diskussionserfahrenen Runde: Jauch hatte wenig zu tun. Durchweg höfliche Diskutanten, die sich gegenseitig ausreden lassen, und engagiert und scharfzüngig, aber nicht verletzend oder abwertend Meinungen und Argumente austauschen, können ein Traum für jeden Moderator sein, weil er das Gespräch einfach laufen lassen kann. Aber wer solchen Stil pflegt, bleibt leider auch völlig farblos. Der große Auftritt, auf den so viele gewartet hatten, blieb aus, der Moderator Jauch unscharf.

Nur einmal schafft Jauch es, eigene Akzente zu setzen und wird dabei sogleich vom Publikum mit großem Applaus belohnt. Als Heidenreich und Struck sich darüber kabbeln, ob Struck oder Frank-Walter Steinmeier seinerzeit die Sicherheit - oder doch die Freiheit - Deutschlands auch am Hindukusch verteidigen wollten, schreitet Jauch ein. Es sei doch schon bemerkenswert, wenn sich zwei SPD-Männer überhaupt einmal einig seien. Solche Zwischentöne hätten sich die Zuschauer sicher mehr gewünscht.

Auch bei seinen beiden besonderen Gästen fehlt es ihm an seiner aus „Stern TV" bekannten eigenen Note. Im Gespräch mit der als „Staubfrau" berühmt gewordenen Marcy Borders hetzt Jauch durch die Fragen. Miss Borders erweist sich zudem mit ihren vielen Ein-Satz-Antworten als eher schwieriger Gast. Sie dankt Gott, dass er ihr geholfen hat, mit allem was geschehen ist, ihren Frieden zu machen, lässt aber nicht allzu tief blicken in das Trauma, das der 11. September hinterlassen hat.

Ähnlich ergeht es Jauch mit Tanja Menz, die Mutter des Soldaten Fabian Menz, der am 18. Februar 2011 in Afghanistan gefallen ist. Erstaunlich gefasst sitzt sie im Studio, eine Person, die sich nicht hat unterkriegen lassen und die es schafft, auch dem Mörder ihres Sohnes zu vergeben. Dass er sie gegen Ende in die Mitte der Diskussionsrunde holt, bringt das Gespräch jedoch fast zum Erliegen.

Nach 55 Minuten ist das Thema sichtlich auserzählt. „Ich finde, Sie haben das gut gemacht", lobt Struck Jauch. Struck spricht aus, was andere nur denken. Sein Lob klingt wie eine 3 in der Schule. Ob Jauch seine bei RTL erworbene 1 halten kann, ist noch völlig unklar. Das muss er in den nächsten Sendungen zeigen. Dafür, dass die ARD jahrelang um Jauch gebuhlt hat und ihre gesamte übrige Moderatorenriege vergrätzt, war es ein mauer Start. pap



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