HORIZONT-Check: Gottschalk im Ersten - der unterbrochene Unterhalter

Thomas Gottschalk in seinem neuen Studio
Thomas Gottschalk in seinem neuen Studio
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Eigentlich war es gar nicht so schlecht. Thomas Gottschalk im Ersten - das hat im Vorfeld für ebensoviel Vorschußlorbereen wie Häme gesorgt und zudem für viele Spekulationen darüber, wie das Format wohl funktionieren kann: eine (fast) wochentägliche Talkshow ohne Publikum, dafür mit Social-Media-Live-Verdrahtung und jeweils einem Studiogast. Redaktion, Sender und Produktionsfirma Grundy LE haben diesen Spagat gut gelöst. Doch in Sachen Werbeunterbrechungen hat die ARD ihrem Entertainer und seinen Zuschauern zuviel zugemutet. 


"Gottschalk Live" ist etwas für Late-Night-Show-Fans, für die "Die Harald Schmidt Show" auf Sat 1 zu spät läuft oder zu zynisch ist. Gottschalk kommt großväterlich-freundlich daher, auch wenn es um weniger spaßige Themen geht. Das wird nicht jeder mögen, aber es wirkt durchaus entspannend und auch das kann um 19.20 Uhr ein Einschaltmotiv sein. Zudem ist "Gottschalk Live" ein echter Kontrapunkt zur Konkurrenzprogrammierung, die aus Kochshow (Vox), Daily Soap (RTL) und Wissenssendung (Pro Sieben) besteht.

Das fehlende Saalpublikum ersetzt der Entertainer durch engen Kontakt zur Redaktion, die in einem Teil des Studios am Berliner Gendarmenmark sitzt. An potenziellen Sidekicks mangelt es damit nicht. Ein Favorit für diese Rolle ist auch schon gefunden: ein Mitarbeiter, der aussieht wie Karl-Theodor zu Guttenberg. Karo, eine Blonde Mittzwanzigerin, ist dagegen das Gesicht der groß angekündigten Social-Media-Strategie. Auch das ist ein guter Zug, hätte man Gottschalk selbst seine plötzliche Affinität zu Facebook, Twitter und Co doch nur begrenzt abgenommen.

Im Finetuning gibt es sicher noch Verbesserungsbedarf, denn das Gottschalk die ersten zehn Minuten genutzt hat, um klarzustellen, dass ein Bericht der "Freizeit Revue" über seinen vermeintlichen Vetter eine Ente war, oder dass er vor 20 Jahren die gerade frisch von Seal getrennte Heidi Klum entdeckt hat, war doch ein wenig viel der Selbstdarstellung. Aber man versteht, wohin es gehen soll mit dieser Sendung, die nicht weniger schaffen muss, als den ARD-Vorabend zu retten.

Insofern ist tragisch, dass ausgerechnet die öffentlich-rechtliche Anstalt den zweiten, keine 15 Minuten dauernden Teil der Sendung, in dem Gottschalk seinen Gast des Tages empfängt, mit insgesamt drei Werbeunterbrechungen und auch noch dem "Wetter im Ersten" zerhackt. Für Gottschalk bedeutet dies, dass er kein Gespräch führen kann. Der Fluss bleibt aus. Während jeder Antwort seines Gastes, in diesem Fall Michael "Bully" Herbig, kündigt bereits plump eingespielte Musik schon die nächste Werbepause an. Ein solches Zerstückeln ist man nicht mal aus dem Privatfernsehen gewöhnt. Weder Herbig noch Gottschalk selbst, konnten ihr Befremden darüber sonderlich gut verbergen.

Dass das auch beim Zuschauer nicht gut ankommt - das seinem Unmut über die ständige Werbung auch gleich direkt eifrig via Facebook und Twitter Luft machte, schien auch Gottschalk zu ahnen, denn er flehte sein Publikum an, auch noch am Dienstag einzuschalten, wenn er Schauspieler Armin Rohde und sogar ein Eisbärenbaby zu Gast hat.

Rund 4,34 Millionen Zuschauer schalteten insgesamt ein, das reichte für 14,6 Prozent im Gesamtpublikum und lag damit deutlich über den einstelligen Quoten, die sonst in dieser Zeitschiene im Ersten zusammenkommen. Bei den für die Werbewirtschaft wichtigen 14- bis 49-Jährigen waren es jedoch nur 690.000, gerade mal 6,7 Prozent.

Für eine Verjüngungskur taugt der 61-jährige Moderator eben nur begrenzt. Aber es wäre ja auch schon viel geschafft, wenn sich wenigstens seine Generation auf das Format einließe. Die Chance dafür ist da - zumindest wenn die ARD ihrem vielgepriesenen Unterhaltungsgott die Ehre erweist, das Werbeblockshema nochmals zu modifizieren und die Spots zu bündeln. Das bedeutet zwar weniger Einnahmen aus Single-Spots und Splitscreens, dürfte aber verhindern, dass die irritiert bis genervten Zuschauer vorzeitig von der Fahne gehen. Und verhindert zudem eine hitzige Diskussion darüber, warum ausgerechnet das Erste das Programm der Werbung aggressiver unterordnet, als jeder private Sender. pap
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