Frank Nolte, Vorsitzender des Grosso-Verbandes
Kein Frieden, nirgends: Der Bundesverband Presse-Grosso wehrt sich gegen die anwaltliche Abmahnung durch die Bauer Media Group wegen eines angeblichen „Konditionenkartells". Für eine Abmahnung bestehe kein Anlass, teilt der Grosso-Verband mit; Bauers Schritt sei „nicht nachvollziehbar".
Unter anderem bezog sich Bauers Abmahnung darauf, dass Grossisten nicht aufgefordert werden dürften, firmenindividuelle Verhandlungen mit Bauer über Konditionen zu verweigern. Derartige Aufforderungen waren bisher nicht erforderlich, weil alle Verlage ausschließlich mit dem Grosso-Verband die Konditionen verhandelt haben - mit (freiwilliger) Geltung für alle. Nun allerdings will Bauer
die Konditionen des so genannten „Pilotabschlusses" zwischen Grosso-Verband und
Axel Springer nicht übernehmen, weil man glaubt, diese seien zumindest für das eigene Haus langfristig existenzgefährdend.
Doch der Grosso-Verband und sein Vorsitzender Frank Nolte bleiben hart: Man lasse sich „durch eine Veränderung der Strategie der Bauer Media Group nicht davon abhalten, den eigenen Standpunkt, der
Common Sense in der Branche ist, zu verteidigen". Bauers Abmahnung und die in Aussicht gestellte Klage müssten deswegen als "Versuch gewertet werden, zur Erlangung einseitiger Vorteile das neutrale
Presse-Vertriebssystem ernsthaft zu gefährden". Und im Übrigen sehe sich der Verband nicht in der Lage, einen „konstruktiven Dialog über Vertriebspolitik und Konditionen" zu führen, solange der Verlag auf seinen Haltungen beharrt.
Pressevielfalt und
Überallerhältlichkeit der Titel setzten voraus, dass alle Verlage und Titel den Marktzutritt „zu einheitlichen Leistungen und Konditionen erhalten", so der Verband: „Verlage als
Preisbinder und teils als
Marktbeherrscher dürfen von den Vertriebspartnern keine Besserstellung verlangen." Und umgekehrt seien die Grossisten als Gebietsmonopolisten zur Gleichbehandlung verpflichtet. „Diese korrespondierenden Gleichbehandlungspflichten können nur durch eine einheitliche Konditionen-Systematik sowie einen einheitlichen Leistungsrahmen gewährleistet werden", meint der Verband.
Wie geht es jetzt weiter? Da es nun ganz so aussieht, dass der Grosso-Verband nicht nachgibt und Bauers
Unterlassungserklärung nicht unterzeichnet, könnte Bauer bald seine Drohung wahr machen und vor einem Landgericht gegen das angebliche Konditionenkartell klagen – Ausgang ungewiss. Auch die
Politik könnte sich einschalten – was die Sache kaum berechenbarer macht.
Allerdings gibt es noch weitere Variablen: Auch Schwergewichte wie
Burda und die
WAZ-Gruppe (über ihre gemeinsame Vertriebstochter
MZV) unterschreiben den Vertrag mit den vorliegenden Springer-Konditionen nicht,
wie MZV-Chef Michael Imhoff gegenüber HORIZONT ankündigt, und
Gruner + Jahr wohl auch nicht. Deshalb gibt es bereits
Nachverhandlungen. Und mögliche bessere Konditionen, die G+J, Burda und Co erzielen könnten, müssten dann – Stichwort Gleichbehandlung – auch Springer zugute kommen. Dies könnte für alle gesichtswahrend etwa über Sonderkonditionen für
Publikumstitel (in Abgrenzung zu
"Bild" und anderen Zeitungen) geschehen. Und wenn damit schließlich auch Bauer zufrieden wäre, hätte die Branche ihren jahrzehntelang gewohnten Vertriebsfrieden wieder. Richtig schwierig wird es allerdings dann, falls der Grosso-Verband versuchen sollte, die Springer-Konditionen bis 2017 allen anderen Verlagen ohne Modifikationen aufzuzwingen.
rp