"Focus", "Bunte", "SpOn": Qualitätsmedien droht Imagekrise

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Machtkampf in der "Focus"-Redaktion, merkwürdige Informanten bei „Bunte", angeblicher Copy-and-Paste-Journalismus bei „Spiegel Online" - gleich drei publizistischen Flaggschiffen droht die Imagekrise: Internet, Nachrichtenkonkurrenz und der Kampf um Online- wie Offline-Reichweite strapazieren offensichtlich zunehmend das journalistische Selbstverständnis auch der Qualitätsmedien.

Die drei Fälle könnten unterschiedlicher nicht sein. Einen gemeinsamen Nenner gibt es dennoch. Überall geht es um den Kampf um publizistische Macht und anzeigenrelevante Reichweite und publizistische Macht. Und es zeigt sich, wie schnell drei zentrale Eckpfeiler journalistischer Angebote - Positionierung, Informationsbeschaffung, journalistische Eigenleistung -  ins Wanken geraten. Die  Qualitätsmedien müssen ihre Qualitätskontrolle ausbauen.

1. „Focus" - der Kampf um die Positionierung. Im Januar 1993 war das Münchener Magazin der gut durchdachte Gegenentwurf zum Hamburger „Spiegel". „News to use", „Fakten, Fakten, Fakten" lauteten die passenden Werbeslogans für ein Medium, das drei Jahre vor dem beginnenden Siegeszug des World Wide Web das (Welt-)Geschehen in leicht verdaulichen Info-Texten und -Grafiken präsentierte. Im digitalen Zeitalter kann solch eine Positionierung nicht mehr (gut) funktionieren - die Bestellung des konservativen Meinungsjournalisten Wolfram Weimer war der - gescheiterte - Versuch, „Focus" neu zu erfinden. Doch wie könnte eine Positionierung des „Focus" im Internet-Zeitalter aussehen? Chefredakteur Uli Baur muss den verunsicherten Mitarbeitern, Lesern und Anzeigenkunden möglichst schnell eine plausible Antwort auf die Frage geben, wie und wohin es mit "Focus" weitergeht.

2. „Bunte" - Informationsbeschaffung als Balanceakt. Nicht zum ersten Mal kommt die „Bunte" wegen vermeintlich grenzwertiger und/oder unsauberer Recherche-Methoden in die Schlagzeilen.Diese Woche kommt's aber knüppeldick. Dass Boulevard-, Publikums- und Nachrichtentitel bei ihren Recherchen auf die Mithilfe teilweise extrem gut bezahlter Informanten angewiesen sind, ist nichts Neues. Doch die Meldungen über grenzwertige Recherchemethoden haben sich in der Vergangenheit gehäuft, allzu sehr gehäuft. Der unglaubliche Skandal beim Murdoch-Blatt „News of the world" hat die Öffentlichkeit noch stärker sensibilisiert. In Richtung „Bunte" fragt sich Meedia besorgt: „Ist es ein Relikt früherer Zeiten, das nie korrigiert wurde?" Mit einem Relikt früherer Zeiten hat das Ganze vermutlich nichts zu tun, schon eher mit dem Konkurrenzdruck heutiger Zeiten. Der Kampf um Scoops, Exklusiv-Geschichten und damit auch Aufmerksamkeit bei potenziellen Lesern - die berühmte „Ökonomie der Aufmerksamkeit", von der Hubert Burda immer so gern spricht - ist viel härter, weil auch die Konkurrenz härter geworden ist. Ein People-Magazin wie „Bunte" konkurriert nicht mehr nur mit „Gala", sondern auch mit den Leute-Nachrichten auf Bild.de und zahlreichen kleineren und größeren Portalen. Das Internet potenziert den Konkurrenzdruck bei der Jagd auf Nachrichten, Leute und Storys. Und manchmal versagt die Qualitätskontrolle auch bei den Medien, die sich als Qualitätsmedien verstehen. Chefredakteurin Patricia Riekel, der auch Meedia „unendliche Verdienste" bescheinigt, tut gut daran, das Thema Qualitätskontrolle noch stärker intern auf die Agenda zu setzen.

3. „Spiegel Online" - wie viel journalistische Eigenleistung ein Online-Medium braucht. Dem Thema Qualitätskontrolle sollte auch „SpOn"-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron mehr Gewicht beimessen. Unter der Headline „Der Copy-and-Paste-Journalismus bei Spiegel Online" ist im „Handelslblatt"-Blog eine ungewöhnliche Suada gegen die Speerspitze des deutschen Online-Qualitätsjournalismus zu lesen. Ungewöhnlich nicht nur wegen des Tonfalls. Ungewöhnlich auch deshalb, weil der Vorgang in dieser Form publik gemacht wurde. Der Vorwurf Richtung "Spiegel Online": SpOn habe einen „Handelsblatt"-Text nahezu eins zu eins übernommen. Wir gehen davon aus, dass es sich im konkreten Fall um ein Einzelbeispiel handelt, auch das Handelsblatt gibt zu, dass von einem "Plagiat im juristischen Sinne"  nicht die Rede sein könne, wohl aber von einem Verstoß gegen die guten Sitten des Journalismus. Doch das Bild vom Online-Qualitätsjournalismus bekommt feine Risse. Online-Redaktionen zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass sie chronisch unterbesetzt und unter extrem hohem Aktualitätsdruck produzieren müssen. Bei SpOn ist das etwas anders. Die Mannschaft ist groß genug, damit Leser (und Kollegen) verlangen können, dass sorgfältig gearbeitet wird. Das ist hier nicht geschehen. Auch für große Online-Redaktionen gilt:  Nicht jede Kleinst-Meldung, die über den Agentur-Ticker geht, kann und muss en detail nachrecherchiert werden. Nicht jede News hat das Zeug für die Homepage. Ein Gutteil der Nachrichten, die mit dem Label des jeweiligen Angebots versehen sind, sind in Wirklichkeit Agenturmeldungen. Dies sollte man auch kennzeichnen. Und die Leistungen anderer Kollegen auch respektieren, indem man eine fremde Leistung nicht als selbst recherchierte Nachricht ausgibt. vs
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