In ist, wer drin ist! Die Werbekunden investieren mit wachsender Begeisterung in Social Media Marketing. Dabei kann kaum jemand beziffern, was Fans und Follower, Likes und Links am Ende für den Abverkauf bedeuten. In einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Millward Brown unter den Mitgliedern der World Advertising Association geben rund die Hälfte der Befragten an, dass sie nicht wissen, ob sich ihre Investitionen in Social Media überhaupt auszahlen. HORIZONT.NET hat mit den Mediamanagern Christof Baron (Mindshare), Uwe Storch (Ferrero) und Frank-Peter Lortz (Zenith Optimedia) über die Relevanz von Social Media im Kommunikationsmix gesprochen.
Wenn die bekannten Wirkungsmaße nicht ausreichen, um Social Media zu erfassen, welche sind es dann? Das ist meines Erachtens das Grundproblem: Während man sich bei klassischen Medien damit zufrieden gibt, Wirkung in Form von Awareness oder Sales abzubilden und bei Online in Form von Traffic, Clicks, Posts oder Bewertungen, gelingt es derzeit noch nicht die Qualität und den ökonomischen Wert von „Beziehungen" greifbar zu machen. Es ist eine Herausforderung, hier entsprechende Wirkungsnachweise zu erarbeiten. Ich glaube, dass man zu kurz springt, wenn man sich nur auf ökonomische Aspekte konzentriert. Wer gleich einem Echolot ins Netz eintaucht, erhält ausgesprochen wertvolle Informationen über Verhaltensweisen, Gefühle und Meinungen von Konsumenten.
Lohnt sich ein so komplexes Thema wie Social Media für Mediaagenturen überhaupt? Schließlich sind Arbitrage-Geschäfte im Internet lukrativer und passen eher zum neuen Selbstverständnis der Agenturen als eigene Wirtschaftsstufe? Hier einen Zusammenhang herstellen zu wollen, halte ich für ein wenig weit hergeholt. Das Thema Social ist hoch spannend und ein Wachstumsbereich. Es geht ja nicht nur um die Bereitstellung von Wirkungsnachweisen, sondern um das gesamte Social Marketing - angefangen beim Monitoring, der Analyse, der Entwicklung von Strategien und der Platzierung von Kampagnen. Interessant wird es doch erst, wenn man dieses Thema als einen integralen Bestandteil der gesamten Markenkommunikation begreift, bestehend aus vielen kleinen Zahnrädern, die alle ineinander greifen. Hier liegt auch die Chance für die Mediaagenturen: Sie können den gesamten Kontext vernetzt abbilden. Selbstkritisch ist allerdings zu ergänzen, dass die Mediaagenturen dieses Feld sehr spät für sich entdeckt haben. Ein typisches Phänomen, da kaum jemand in einen Bereich investieren möchte, der sich erst einmal nicht durch eine Volumendenke auszeichnet. Nun wird das Thema „groß", Facebook wird auch unter Volumengesichtspunkten relevant, und schon stürzt sich darauf.
Die Mediaagenturen haben das Feld sehr spät für sich entdeckt
Im Social Web müssen die Kunden zwangsläufig vieles dem Zufall überlassen. Wie viel Disziplin braucht Markenführung eigentlich? In einer Welt der Kakophonie sind die Markenverantwortlichen mehr denn je gefordert, Marken zu führen und mit eiserner Disziplin darüber zu wachen, dass die Marke nicht zum Spielball einer Community wird. Gleichwohl muss es aber ihre Aufgabe sein, den Marken in den Communities ein Gesicht, Respekt und Wertschätzung zu verschaffen. Das geschieht über Information und Dialog - und last but not least über Kontrolle und aktive Steuerung. Ich glaube nicht, dass eine Marke daran zugrunde gehen wird, wenn sie nicht im Social Web vertreten ist. Die User nutzen die Plattformen ja auch nicht primär, weil sie sich davon Markenerlebnisse versprechen. Allerdings muss man berücksichtigen, dass „Social-Zeit" aktive Mediennutzungszeit ist, die zum Teil von anderen Kanälen abgeht. Hier nicht mit dabei zu sein, reduziert die Chancen wahrgenommen zu werden.
Sind die Marketing-Zielgruppen überhaupt so spitz wie die Social-Media-Anbieter behaupten? Die Hersteller von Massenprodukten - und die Mediaagenturen - profitieren ja letztlich auch von Streuverlusten? Nein, in der Regel haben wir es mit Massenprodukten zu tun, die auch von einem entsprechend hohen Umsatzvolumen leben. Der Begriff „spitz" ist in diesem Kontext nicht ganz richtig, da er gleichzeitig mit einem geringen Volumen verbunden wird. „Spitz" kann aber auch bedeuten, dass ich eben nur Meinungsbildner oder Early-Adaptor erreichen möchte, da sie innerhalb einer spezifischen Produktkategorie einen sehr hohen Wert haben. Man macht den Nutzer zum Fan, der in seiner privaten Community positiv über ein Produkt spricht oder schreibt. Nur darauf zu bauen, halte ich für risikoreich, insbesondere, wenn es sich um Massenprodukte handelt, die auf Awareness in breiten Zielgruppen angewiesen sind.
Bedroht der Trend zum Marketing in immer kleineren Nischen das Geschäftsmodell der Massenmedien und der klassischen Medien? Schließlich leben beide davon, möglichst viele Menschen in möglichst hoher Frequenz mit Markenbotschaften zu bombardieren. Social Media bedeutet nicht gleich Nischenmarketing. Wir werden eine andere Qualität in der Ansprache der Zielgruppen erleben, und es wird vermutlich weniger „Waste" produziert, also weniger Kontakte, die letztlich keine zusätzliche Wirkung mehr erzielen. Für die Mediaagenturen könnten goldene Zeiten anbrechen, wenn es ihnen gelingt, ihr Leistungsportfolio entsprechend zu erweitern und die richtigen Skills bei den Mitarbeitern zu entwickeln. Allerdings steigt auch die Konkurrenz aufgrund einer höheren Spezialisierung. Auch kleinere Dienstleister haben die Möglichkeit, in den neuen Feldern mitzumischen.
Was bedeutet das für die klassischen Medien? Für die Medien wird es schwieriger, ihre Kontakte optimal profitabel zu verkaufen. Das erleben wir fast ausnahmslos in allen Medien. Mit Ausnahme von Google und Facebook, deren Preisbildung nachfragegesteuert funktioniert, gelingt es auch den Online-Anbietern nicht, die Profitabilität des Inventars zu maximieren. Sie nehmen mehr ein, aber ihre Leistung wird - bezogen auf Performance und Nachfragesituation - nicht teurer. Die Herausforderung für die Medien besteht darin, qualitativ hochwertige Kontakte anzubieten, die nachweisbar Leistung liefern. Gleichzeitig sind, gerade in einer digitalen Welt, Kontakte - und damit Medien - austauschbarer. Ob das Bewegtbild per Fernseher, Online oder Smart-Phone geliefert wird, spielt in der Welt von morgen kaum noch eine Rolle.
Was bedeutet der Hype um Social Media für das Rollenverständnis der Mediaagentur? Werden die Mediaexperten nun alle zu Daten-Sammlern und -Managern? Dass wir Daten-lastiger werden, ist nicht zwangsläufig das Ergebnis von Social-Media, sondern grundsätzlich eine Folge der Digitalisierung. Die Online-Medien sind ein gewaltiger Treiber dieser Entwicklung. Der Trend zu mehr Daten ist nicht umkehrbar. Datawarehouse, Livemessung und voll automatisierter Einkauf von Zielgruppenkontakten - so wird die Mediaagentur der Zukunft vermutlich aussehen. Wenn ich mir die Realität ansehe, denke ich, wir werden schneller an diesen Punkt kommen als manche glauben. Targeting und Realtime-Bidding sind die Schlagworte, welche diese Entwicklung befeuern.
Vieles basiert im Netz auf dem Tracking von Meinungen - sagt das überhaupt etwas über die Werbewirkung aus? Vielleicht doch viel mehr als man erst einmal glauben mag. Meinungen bilden sich durch reale Erfahrung, Empfehlungen und Meinungen anderer, und durch Informationen, die aktiv oder zufällig aufgenommen werden. Werbliche Kommunikation ist ein Element der Meinungsbildung. Man könnte also unterstellen, dass - wenn ein Unternehmen werblich aktiv ist - hierdurch Meinungen und Vorstellungen zu einer Marke beeinflusst werden. Somit ist das Tracking durchaus ein Instrument der Wirkungsforschung. Zu verstehen, wie sich Kommunikation auf die Meinungsbildung auswirkt, kann helfen, diese Säule des Marketings zu optimieren.
Im Mediageschäft fragt kaum jemand, ob etwas überhaupt messbar ist, sondern nur: Wie viel ist es wert? Wie sinnvoll ist diese Zahlengläubigkeit? Der Imperativ des Messens, das wiederum die Basis für den Wert eines Kontakts ist, gilt noch stärker als in der Vergangenheit. Wir ertrinken in Daten, die auf Terrabyte-große Festplatten abgespeichert werden - und dort ein ruhiges Leben fristen. Persönlich sehe ich ein anderes Problem: Es wird alles gemessen, aber es gelingt noch nicht, alle Daten in einen Kontext zu bringen. Darüber hinaus bleibt man oft auf der obersten Ebene des Messens hängen, also auf einer rein quantitativen Dimension. Zu verstehen, was den Menschen bewegt, was sein Handeln bestimmt und warum er wie reagiert, ist die Herkulesaufgabe, die vor uns steht. Da können uns quantitative Daten helfen. Viel wichtiger ist es jedoch aus den Quantitäten qualitative Schlüsse zu ziehen.
umblättern Uwe Storch, Head of Media bei Ferrero, über die Erwartungen der Unternehmen an Social Media Marketing
Obwohl die Ausgaben für Social Media Marketing weltweit steigen, wissen viele Werbungtreibende nicht, ob sich ihr Engagement wirklich auszahlt. Wird es nicht langsam Zeit für messbare Erfolgskriterien? Aus unserer Sicht sind heute bereits eine Vielzahl an messbaren Key Performance Indikatoren zu Social Media verfügbar, entscheidend sind jedoch die jeweiligen Zielsetzungen, die ein Unternehmen an sein Engagement knüpft. Es wird kein eindeutiges Kriterium für alle geben, das jedes Unternehmen von der Pflicht befreit, selbst klare Ziele zu formulieren und dann zu validieren. Die häufig genannte, rein quantitative Fananzahl erscheint uns nicht aussagekräftig genug, eher sind es zeitraumbezogenen Daten wie die Entwicklung der Fans, deren Engagement, das positive wie negative Feedback oder die Entwicklung der Views in Relation zu den Postings.
Wollen Sie nicht auch mehr über den Wirkungsbeitrag im Mediamix erfahren? Social Media ist mehr als nur ein weiterer Kommunikationskanal, aber keine Revolution. Wie jedes andere Medium muss sich Social Media im Mediamix qualifizieren. Dabei sollte das Engagement der Unternehmen keine Taschenlampenfunktion haben: Einschalten - Ausschalten, das wäre wenig effizient und glaubwürdig. Werbewirkungsforschung ist bei Social Media, aber auch bei anderen Medien wichtiger denn je, denn die Fragmentierung kostet aktuell zu viel Geld.
Ist es nicht Sache der Mediaagenturen, die Effizienz der einzelnen Bausteine im Mediamix nachzuweisen? Aufgabe der Mediaagenturen ist es, die oft zitierten crossmedialen Kampagnen zu entwickeln, die Stringenz in den Motiven, der Kampagne, den Botschaften zu sichern sowie die richtigen Touchpoints auszuwählen. Wenn die Mediaagentur dann auch noch einen Leistungsnachweis über alle Kanäle liefern könnte, wäre das wunderbar. Doch die heutige Medien-Realität zeigt, wie schwer dies oft auch ohne Social Media abzubilden ist. Daher wird eher Social Media selbst den Wirkungsnachweis erbringen und kundenindividuelle Messkriterien entwickeln müssen, wenn es eine größere Relevanz erreichen möchte.
Das Businessmodell der ganzen Branche beruht darauf, möglichst viele Menschen in hoher Frequenz zu beschallen. Bedroht der Trend zum Marketing in immer kleineren Nischen die klassischen Medien und die Mediaagenturen? Die Aufgaben haben sich nicht verändert: Menschen sollen und müssen medial erreicht werden, durch die Fragmentierung und die technischen Möglichkeiten entstehen eher neue Chancen, wesentlich effektiver, weil zielgerichteter die Menschen in wirklich relevanten Situationen anzusprechen. Natürlich - und hier wird die Diskussion spannend - muss Media weiterhin effizient sein. Die Kosten der Planung sowie der Transport der Botschaft müssen finanzierbar bleiben, für alle Beteiligten. Gerade professionelle Mediaagenturen haben hier ein echtes, erhebliches Beratungspotential, das diese auch monetär nutzen sollten.
Für viele Unternehmen ist Social Media noch eine Spielwiese. Es werden Fans und Follower gesammelt, ohne konkreten Plan, wie man das Feedback ins Marketing umsetzt. Es ist sicherlich hilfreich, eine längerfristige Social-Media-Strategie zu verfolgen, klare Ziele auch in zeitlicher Hinsicht zu definieren. Aber es ist auch keine Katastrophe, wenn Unternehmen beginnen, skaliert, Erfahrungen zu sammeln, zu lernen und aktiv, transparent und glaubwürdig mit diesem innovativen Kanal umgehen. Die tagtäglichen Veränderungen sind schneller als das Ablaufdatum kluger Ratschläge anderer, selbst ernannter Experten.
Die Fragmentierung kostet aktuell zu viel Geld
Kann Social Media überhaupt verkaufen oder wird der Dialog mit den Verbrauchern weiter im Vordergrund stehen? Wir sollten ehrlich sein: Natürlich wollen, müssen Unternehmen verkaufen, und alle kommunikativen Aktivitäten zahlen letztendlich auf dieses Konto ein. Doch es wäre zu kurz gesprungen, Social Media nur als Instrument zur Absatzstimulation zu betrachten. Das kann bei bestimmten Kampagnen und Zielsetzungen funktionieren, abhängig vom Produkt, Preis und weiteren Faktoren. Dies wird künftig sicherlich an Bedeutung gewinnen. Doch für andere Produkte oder Marken erfüllt Social Media eher langfristige Ziele. Dabei geht es in der Tat um Dialog und Glaubwürdigkeit, denn Konsumenten setzen sich heute viel intensiver und oft sehr emotional mit ihren „Love Brands" auseinander.
Soziologen sprechen von einer globalen Vertrauenskrise im Hinblick auf Politik und Industrie. Wird das Empfehlungsmarketing auch deshalb immer wichtiger? Die persönliche Empfehlung war und bleibt immer die beste Werbung, doch sie muss glaubwürdig und glaubhaft sein. Und Soziale Medien bieten uns neue Optionen. Sie geben uns neben dem persönlichen Gespräch vielfältige Möglichkeiten der Vernetzung und des Austausches, die man deshalb gerne als zusätzlich Erfahrungs- und Ratgeberkanäle nutzt. Krisen kommen und gehen, an eine globale Vertrauenskrise in einem Zeitalter eines erstmalig vollkommen demokratischen, kollektiven und frei zugänglichem Wissen zu glauben, fällt mir persönlich eher schwer.
umblättern Frank-Peter Lortz, Chairman Zenith Optimedia, über Chancen und Grenzen beim Einsatz von Social Media im Kommunikationsmix
Die Kunden wollen wissen, was ihr Investment in Social Media wert ist? Wäre es nicht Aufgabe der Mediaagenturen die geforderten Wirkungsnachweise zu erbringen? Ja, und das tun sie auch. Es gibt bereits zahlreiche Key Performance Indikatoren, mit denen die Wirkung individuell und kundenspezifisch beziffert werden kann. Die Schwierigkeit liegt eher darin, dass es keinen einheitlichen Standard gibt, nach dem alle messen und der Vergleichbarkeit ermöglicht. Schon bevor Facebook im Kommunikationsmix auftauchte, haben Unternehmen in Responsekanäle investiert. Und zwar mit höchst unterschiedlichen Anforderungen. Für den einen sind 100 Euro für eine Response angemessen, für den anderen vollkommen überteuert. Es ist die Aufgabe der Mediaagenturen, die Kunden hier qualitativ zu beraten. Sie müssen sich im Klaren darüber sein, was sie erwarten: Fans, Kommentare, das Teilen von Inhalten oder Bestellen von Waren? Davon hängt ab, welche Maßnahmen ergriffen werden und wie hoch die Kosten dafür sind.
Lohnt sich ein so komplexes Thema wie Social Media für Mediaagenturen überhaupt? Schließlich sind Arbitrage-Geschäfte im Internet lukrativer und passen eher zum neuen Selbstverständnis der Agenturen als eigene Wirtschaftsstufe? Mediaagenturen sind Kommunikationsberater. Als solche müssen sie das gesamte Feld abdecken. Dazu gehört selbstverständlich auch Social Media. Dass neue Kommunikationskanäle entstehen, und diese - insbesondere im digitalen Bereich - deutlich anders funktionieren als die klassischen Massenmedien, haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder erlebt, zunächst bei Online-Display, später bei Search. Immer sind am Anfang die Investitionen hoch, weil Expertise und Tools erst aufgebaut werden müssen. Aber wir sind überzeugt, dass es mit den richtigen Mitarbeitern, Tools, Know-how und dem richtigen Geschäftsmodell dahinter möglich ist, auch in diesem Bereich zu profitieren. Hier sind natürlich auch die Kunden gefordert, einzusehen, dass Social Media Kommunikation nicht mit Media-Buchungsleistungen zu vergleichen ist und folglich auch anders vergütet werden muss.
Brauchen starke Marken überhaupt Social Media, oder können es sich nur starke Marken leisten, dass ihre Werte zum Spielball von Fan-Communities werden? Die Entscheidung liegt nicht bei den Marken oder jenen Managern, die sich mit Markenführung befassen. Der Austausch über Marken im Social Web findet statt - ob Unternehmen dies unterstützen, verhindern oder nicht wahrhaben wollen. Die Furcht der Markenführer vor Kontrollverlust ist berechtigt. Er tritt aber auch ein, wenn Unternehmen auf eigene Social Media Aktivitäten verzichten. Womöglich sogar stärker. Auch hier gilt: Nur wer eine Strategie hat, kann führen. Wer keine hat, wird geführt oder wird zum Spielball. Aus dieser Sicht sollte klar werden, dass eine Social Media Strategie mehr ist, als einen eigenen Twitter-Kanal und eine Facebook-Seite mit Inhalten zu befüllen. Die Reduktion auf die größten und bekanntesten Networks ist ein Fehler. Der Glaube, nur wer selbst in Facebook ist, hat Social Media verstanden, ist irre.
Facebook ist ein Massenphänomen - sind die Zielgruppen überhaupt noch so spitz wie die Social-Media-Befürworter behaupten? Im Social Media Marketing sind spitze Zielgruppen sicherlich ein besonderer Vorteil. Werbungtreibende können über Social Bannern zum Beispiel speziell Frauen zwischen 18 und 35 Jahre ansprechen, die sich für Volleyball interessieren. Wer breitenwirksam ein Produkt bekannt machen will, wählt andere Kanäle als jemand, der bestehende Kunden enger binden will. Das gab es auch schon in der Pre-Facebook-Ära. Neu ist, dass die Zielpersonen nicht über Umwege ermittelt werden, sondern aufgrund ihrer Selbstauskünfte.
Die Nische ersetzt nicht die Masse
Bedroht der Trend zum Marketing in immer kleineren Nischen das Geschäftsmodell der Massenmedien und der klassischen Mediaagenturen? Schließlich leben beide davon, möglichst viele Menschen, in möglichst hoher Frequenz mit Markenbotschaften zu bombardieren. Es gibt keinen Trend zum Marketing in immer kleineren Nischen. Massenkommunikation bleibt relevant, und damit selbstverständlich auch Massenmedien wie TV. Fernsehen wird auch in den kommenden Jahren weiter wachsen, sowohl in Deutschland, als auch weltweit. Die Möglichkeit, sehr selektive, spitze Zielgruppen zu adressieren, kommt neu hinzu und ist höchst interessant. Die Nische ersetzt jedoch nicht die Masse. Und Social Media ist keine Nische, denn auch dort können Kampagnen auf hohe Reichweite ausgesteuert werden.
Was bedeutet der Hype um Social Media für das Rollenverständnis der Mediaagentur? Werden die Mediaexperten nun alle zu Daten-Sammlern und -Managern? Waren wir nicht schon immer die Number Cruncher der Kommunikationsbranche? Aber ernsthaft: Die Mediaagenturen sammeln seit Jahr und Tag Erkenntnisse über die unterschiedlichsten Zielgruppen, deren Konsum- und Mediennutzungsverhalten. Über neue Tracking-Tools für Social Media kommen nun weitere Consumer Insights dazu. Wer sollte besser als wir in der Lage sein, diese zu verstehen und einzuordnen?
Vieles basiert im Netz auf dem Tracking von Meinungen - sagt das überhaupt etwas über die Werbewirkung aus? Ein Meinungstracking im Social Web sagt noch nichts über Werbewirkung aus. Dazu müsste man tiefer zu den Entstehungsgründen dieser Meinungen forschen und untersuchen, ob und wann zum Beispiel eine Meinungsänderung stattgefunden hat. Im Einzelfall muss das Tracking so aufgesetzt werden, dass Kampagnenerfolge damit nachvollziehbar werden. War das Ziel einer Kampagne, die Sympathiewerte einer Marke zu steigern, so kann ein Meinungstracking sehr gut Auskunft geben, ob dies gelungen ist.
Im Mediageschäft fragt kaum jemand, ob etwas überhaupt messbar ist, sondern nur: Wie viel ist es wert? Wie sinnvoll ist diese Zahlengläubigkeit? Solange Werbungtreibende in Kommunikation investieren, werden sie sich auch für den Return on Investment dieser Maßnahmen interessieren. So gesehen wird also auch künftig in unserem Geschäft gemessen werden. Neu stellt sich die Frage nach einheitlichen Messstandards und Währungen. Kann es so etwas wie eine von der Arbeitsgemeinschaft für Onlineforschung erhobene, allgemein gültige Social-Media-Reichweite geben? Und wäre sie geeignet, kundenspezifische KPI wenn schon nicht zu ersetzen, so doch sinnvoll zu ergänzen? Darüber lohnt es sich durchaus, eine Weile nachzudenken.
Interviews: Cathrin Hegner