Heilig aktuell ist sie, die
Titelgeschichte: die Modernisierung der katholischen Zölibats-Kirche, passend zur Papstwahl. Modifiziert kommt das
Logo daher, kräftiger, aufrechter, weniger technoid. Das rote Rechteck mit dem weißen Stern-Zickzack wurde etwas ins Heftformat hineingerückt. Die Markenpartie sieht so auf dem Cover ein wenig weicher aus und eleganter.
Innen folgt nach den vier doppelseitigen „Bildern der Woche" ein recht kleinteiliger Hefteinstieg (
„Diese Woche") mit aktuellen und allgemeinen Meldungen, Info-Häppchen, Grafiken, Bildern und der Jörges-Kolumne. Diese Seiten sollen den wissbegierigen Kopf der Leser ansprechen.
"Stern"-Chefredakteur Dominik Wichmann (Foto: G+J)
Es folgt der umfangreiche
Hauptteil, der als Herz des „Stern" an ebenjenes der Leser appellieren soll: Hier, auch eben mit der Titelgeschichte, zeigt der „Stern", was er kann: Opulenz und Relevanz. Das gilt in anderer Weise auch für die Weltreisenreportage („Reise ins Ich") der Journalistin Meike Winnemuth, die bei Günther Jauch eine halbe Million Euro gewonnen hatte. Das sehr persönliche große Interview mit Michail Gorbatschow. Die Hintergrund-Geschichte über die Steuerberater von Google und Co („Legale Staatsfeinde"), mit denen die Web-Riesen den Fiskus austricksen. Die
Fotostrecke über die „Spuren der Schöpfung". Und zwischendurch auch mal nette Kurzformate.
Das alles ist „Stern" at its Best. Vielleicht sogar ein teils länger konzipiertes „Best of" von Geschichten, die der neue Chefredakteur
Dominik Wichmann mit Bedacht für diese viel beachtete und
massiv beworbene (Bruttomediavolumen 25 Millionen Euro) und mit einem Aktionspreis von 1 Euro (statt 3,50 Euro) vertriebene Relaunch-Premiere vorgesehen hat. Wichmann muss Flughöhe und Heftmischung beibehalten, das weiß er. Er legt Wert auf „viele
wiedererkennbare Rubriken und Formate statt auf die vage Hoffnung auf Scoops als vermeintliche Kaufgründe", sagte er am Dienstagabend bei einem Pressegespräch.
Wichtig ist ihm auch der neue
Heftrhythmus aus neuen, festen Kurzformaten und längeren Stücken. Bei alledem soll gelten: Mehr Leidenschaft, Haltung, starke Thesen. Keine „mittellange Mittelmäßigkeit". Mehr Reportagen/Portraits als Essays/Analysen. Weniger Pessimismus ob der Schlechtigkeit der Welt. Eben alles gemäß der drei Adjektive, die Wichmann, die Redaktion und die
Marktforschung als die tragenden „Stern"-Werte identifiziert haben: zuversichtlich, kritisch, empathisch. Und gemäß der Zielgruppe „engagierter Bürger, gefühlt um die 40 Jahre alt", mit modernen Zielen (etwa Nachhaltigkeit), aber konservativen Werten (etwa Verlässlichkeit). Vielleicht könnte man auch sagen: der arrivierte, neugierige, politisch korrekte Mainstream.
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Ein Interview mit „Stern"-Art-Director Johannes Erler lesen Abonnenten in der HORIZONT-Ausgabe 11/2013, die am Donnerstag, 14. März erscheint. Außerdem: Warum von der Neuerfindung des Magazins in gewisser Weise die Zukunft von Gruner + Jahr abhängt, und warum der Fall auch Prüfstein ist für die Zukunft der Branche.
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„Ein Medium differenziert sich nicht durch die Themenwahl, sondern durch die Art und Weise, wie es sich einem Thema nähert", sagt Wichmann: „Emotionale
Identifikation ist für Print wichtiger als eine Grundversorgung - diese findet längst im Internet statt." Print sei das Besondere, die Veredelung. Mit dieser Mischung will er sowohl junge Leser ansprechen, die sich durch mobile Medien an schnelle Informationsaufnahme gewöhnt haben, als auch klassische Printleser, die Zeitschriften wegen ihrer Informationstiefe schätzen.
Noch mal kurz zurück ins Heft: Nach dem Hauptteil folgt in ungefähr jeder zweiten Ausgabe der monothematische Verbraucherteil
„Extra" (früher: „Journal"), diesmal zum Thema Genuss/Essen, sonst auch zu anderen Servicesujets wie Auto, Finanzen und Mode. Den Abschluss eines jeden „Stern" bildet der Heftteil
„Journal", der entspannt ins Wochenende hinführt und das „Bauch"-Gefühl der Leser kitzeln soll: Unterhaltung, Kultur, Lebensart, Food, Reise.
Das
Layout: Es gibt vier neue Schriften, die formatabhängig eingesetzt werden und besser lesbar sein sollen, und ein flexibles siebenspaltiges Grundlayout mit einer variablen Spalte für Weißraum oder Zusatzinfos.
Fazit: Der neue „Stern" ist (gemessen jedenfalls an dieser ersten Ausgabe) ein starkes Stück Print - unterscheidet sich allerdings bis auf Teile des Layouts wenig von gelungenen „Stern"-Ausgaben bisher. Aber vielleicht gab es davon zuletzt ja einfach zu wenig. Gänzlich neue Leser wird Wichmann zwar weniger gewinnen können. Aber
Gelegenheitskäufer stärker zu binden und ihre Kauffrequenz zu erhöhen, das kann gelingen – und damit wäre schon viel erreicht.
Das wichtigste Objekt der
Neuerfindung ist daher neben der flexibleren Redaktionsstruktur wohl das detailliert durchdachte Konzept, das nun dahinter steht. Man nimmt Wichmann ab, dass er sich wirklich viele Gedanken gemacht hat zur Zielgruppe, zur Rolle von Print in digitalen Zeiten, zur Komposition des Heftes. „Der ,Stern‘ bleibt die
Wundertüte", resümiert Wichmann denn auch in Anspielung auf das viel zitierte Bonmot des Magazingründers Henri Nannen.
rp