Wäre ein Leistungsschutzrecht tatsächlich ein Sargnagel für ein „freies Internet", der Abgesang auf innovative Wirtschaftszweige und ein Ende des Digital-Booms? Google suggeriert: Ja! Doch die Kampagne gegen das Leistungschutzrecht bringt keine neuen Argumente und offenbart vor allen Dingen die ideologische Scheinheiligkeit des Internetkonzerns.
Google macht Stimmung - und was für eine. Am Donnerstag diskutiert der Bundestag über das geplante Gesetz, das Verlagen ermöglichen soll, Geld von Suchmaschinenbetreibern zu verlangen, sofern Inhalte kommerziell genutzt werden. Nun
mobilisiert der Konzern die Google-Fans.
Regelmäßige HORIZONT.NET-Leser werden festgestellt haben: Dass Google das Leben der Menschen im digitalen Zeitalter erleichtert hat, haben wir nie in Abrede gestellt. Und in Sachen Leistungsschutzrecht hat HORIZONT.NET die Leistungsschutzrecht-Lobbyarbeit des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) immer wieder
als Milchmädchenrechnung kritisiert, die nicht aufgeht. Ausgesprochene Google-Freunde sind wir deshalb noch lange nicht:
Monopolistische Strukuren schaden mittel- und langfristig der Demokratie, Informationsfreiheit und wirtschaftlichen Prosperität, auch wenn die Big Four des Internets (Apple, Amazon, Facebook, Google) immer wieder die Förderung von Demokratie und Freiheit als eigentlichen Daseinszweck ausgeben.
Das einzige Positive, was über die Google-Initiative gesagt werden kann: Sie ist um einiges durchsichtiger als die häufig wechselnden
Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Internet-Giganten. Damit hat es sich aber auch schon.
Während die Lobbyarbeit des VDZ zunächst als Verzweiflungstat eines Internet-David gegen einen Digital-Goliaths startete (und dann von der Politik honoriert wurde), ist die von der hochgeschätzten Agentur Kolle Rebbe entwickelte Kampagne vor allen Dingen ein aufschlussreiches Zeugnis der Ideologie eines übermächtigen Internet-Konzerns.
„Verteidige Dein Netz" lautet der Slogan, der den
Besucher der Kampagnenwebsite empfängt. Die durchsichtige Botschaft: Verleger und Politiker wollen Google an die Kandare nehmen, und deshalb sind das Netz und die Informationsfreiheit in Gefahr. Der
Subtext der Google-Message fällt drastischer aus. Er besagt schlichtweg: Google ist das Netz. Und wer gegen Google vorgeht, geht gegen „Dein Netz" vor. Ein milliardenschwerer Konzern tut so, als würde er gemeinsame Sache mit Otto Normalsurfer machen. Klar, dass bei soviel Fraternisierung die Leser mit dem vertraulichen Du angesprochen werden: Wir sind eine große Familie, sitzen in einem Boot und wir brauchen Deine Hilfe. Goliath Google tut so, als sei er der David in der Auseinanderseztung mit Politik und Verlagen.
Kein Mensch bezweifelt: Millionen Menschen nutzen aus guten Gründen die Services von Google. Aber sind deshalb die Interessen deckungsgleich? Die Google-Kampagen sagt: Ja. Und in diesem Tenor geht es weier: „Misch Dich ein" heißt eine Rubrik - ganz so, als würden zehn einsame Occupy-Aktivisten, die sich auf den Weg ins Frankfurter Bankenviertel machen, verzweifelt Mitstreiter suchen. Hier kommt er wieder zum Vorschein, der freundliche Schein des Konzernmottos
„Don't be evil", der glauben machen soll, Google gehe in erster Linie um den Fortschritt der Menschheit - und nicht um ein milliardenschweres Business.
PS: Ich bin auch weiterhin gegen das Leistungsschutzrecht, aber nicht wegen, sondern trotz der Google-Initiative.