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Als "größte redaktionelle Revolution ihrer Geschichte" hatte G+Js Frauenzeitschrift „Brigitte" die Aktion angekündigt, die größte PR-Offensive ihrer Geschichte wäre treffender gewesen. Ab dem ersten Januarheft, das seit dem 2. Januar im Handel ist, arbeitet der Titel nur noch mit Laien-Models, alle professionellen Models wurden aus den redaktionellen Seiten des Hefts verbannt. HORIZONT.NET hat sich die neue Ausgabe angeschaut und bewertet. Ergebnis: Ein halbherziger Versuch, eine neue Philosophie zu etablieren. Denn die Laienmodels könnten ebenso gut professionelle Models sein.
Große Unterschiede wird der Leser beim schnellen Durchblättern und mit einem Blick auf die Titelseite nicht erkennen: Das 21-jährige Laienmodel wirkt natürlich - wie es schon immer Markenzeichen der Brigitte-Models war - und sehr souverän. Nur kleingedruckt steht am Ende der Titelseite der Name der Unbekannten, die jetzt vermutlich gute Chancen auf eine professionelle Karriere hat. Selbst wenn das Shooting mehr Arbeit für alle Beteiligten bedeutete - das Ergebnis ist mit den früheren Titelcovern der "Brigitte" vergleichbar.
Dass ausgerechnet das unvermeidliche Nach-Weihnachtsthema "Diät" das Cover dominiert, konterkariert die neue Heft-Leitlinie: Kein Magerwahn. Angepriesen wird das große "Brigitte"-Diät-Extra mit Kalorien-, Fett, und Energiedichte-Tabelle und das 14-Tage-Abnehm-Programm mit Rezepten. Ein Zeichen gegen den Diätwahn sieht anders aus. Warum wird dagegen das eigentliche Thema des Hefts, "Ohne Models", dem die Redaktion ein zwölfseitiges Dossier widmet, auf dem Titel hinter den nichtssagenden Worten "Dossier: Die Frauen und die Mode" versteckt? Immerhin: Auf der Banderole und im Editorial erfährt der Leser von der No-Models-Initiative.
Rund 20.000 Frauen hatten sich in den vergangenen drei Monaten auf der eigens kreierten
Website beworben. Das Identifikationspotenzial für die Durchschnittsleserin, die im Falle von "Brigitte" 48 Jahre alt ist, mit den von der Redaktion ausgewählten Nicht-Models der Modestrecken ist begrenzt: Die Produktion ist hochwertig, die Frauen sind attraktiv - das kann man dem Magazin nicht vorwerfen. Aber nur eine der Frauen, die Mode vorstellen, ist 45 Jahre alt - die übrigen, darunter eine Lehrerin, eine BWL-Studentin und eine Rezeptionistin, sind Anfang 20 bis Mitte 30.
Zwar wäre die 45-jährige Künstlerin auf dem Cover konsequenter im Sinne der neuen Leitlinie gewesen, "lebensechte" Frauen zu zeigen, allerdings wäre dann eine Abgrenzung zu „Brigitte Woman" nicht mehr gegeben gewesen. Wirklich "lebensecht" wirken vor allem die Models der seit Jahren erfolgreichen "Dove"-Kampagne "Wahre Schönheit", die auf den ersten sechs Seiten des Hefts wirbt.
Dennoch: Für das Magazin ist die No-Models-Ära auf jeden Fall ein gelungener PR-Coup. Diverse Medien und Talkshows berichteten in den vergangenen Wochen über das Thema, mit einer eigenen TV-Kampagne (Agentur: Gudella Barche, Hamburg) wird das Magazin im Januar selbst für weiteren Wirbel sorgen.
Kosten sparen will der Verlag mit der Aktion nicht, die Honorare für die Laien seien ebenso hoch wie für die Profis, der Auswahlprozess und Produktionsaufwand sind teils umfangreicher. Doch zumindest bei den kritischen Leserinnen wird die Aktion, auf Models zu verzichten, aber attraktive Fast-Models zu zeigen, sicher nicht so gut ankommen. Die Revolution jedenfalls ist ausgeblieben.
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