"Bild" begründet Protestaktion gegen Presserat mit Zitat aus Pressemitteilung

Die "Bild" begründet ihre Aktion mit einem Zitat aus einer Pressemitteilung des Presserats
Die "Bild" begründet ihre Aktion mit einem Zitat aus einer Pressemitteilung des Presserats
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Die "Bild"-Zeitung geht auf Konfrontationskurs mit dem Deutschen Presserat. In ihrer heutigen Ausgabe hat das Boulevardblatt seine Leser dazu aufgerufen, dem Kontrollgremium mal ordentlich die Meinung zu geigen. Zahlreiche aufgebrachte Leser beschwerten sich daraufhin beim Presserat. Hintergrund ist eine Rüge des Presserates, weil das Blatt einen Angeklagten noch vor Prozessbeginn - und damit vor seiner rechtskräftigen Verurteilung - mit Foto abgebildet hatte. Das Zitat, mit dem die "Bild" ihre Aktion begründet, steht so allerdings überhaupt nicht im Pressekodex.

"Ja, liebe Leser, Sie haben richtig gelesen: 'Die Identität eines Straftäters ist grundsätzlich zu schützen', sagt der Deutsche Presserat, der oberste Sittenwächter der Presse – und kritisiert aus diesem Grund immer wieder die Bild-Zeitung", echauffiert sich die "Bild". Dumm nur, das sich dieser Satz überhaupt nicht in den Publizistischen Grundsätzen des Presserates, dem sogenannten Pressekodex wiederfindet. Der Satz stammt vielmehr aus einer Pressemitteilung des Presserates, in der das Gremium über die jüngsten Verstöße informiert.

Aber auch dieses Zitat wird von "Bild" nur verkürzt wiedergegeben. Der gesamte Absatz ergibt ein etwas differenzierteres Bild. In der Pressemitteilung heißt es: "Die Identität eines Straftäters ist grundsätzlich zu schützen. Nur in Ausnahmefällen darf die Identität eines mutmaßlichen Täters in der Berichterstattung preisgegeben werden. Dabei ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Der Beschwerdeausschuss erkannte keine der in Richtlinie 8.1 genannten Ausnahmen."

Die Richtlinie 8.1 des Pressekodex

Bei der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren (s. auch Ziffer 13 des Pressekodex) veröffentlicht die Presse in der Regel keine Informationen in Wort und Bild, die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden. Mit Rücksicht auf ihre Zukunft genießen Kinder und Jugendliche einen besonderen Schutz. Immer ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Sensationsbedürfnisse allein können ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht begründen. Zur kompletten Richtlinie

Ausnahmen sieht der Pressekodex zum Beispiel für den Fall vor, dass eine Veröffentlichung von Bildern "im Interesse der Verbrechensaufklärung" erfolgt, ein dringend Tatverdächtiger beispielsweise noch nicht gefasst wurde. "Bild" sieht das anders: "Wir glauben, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat zu erfahren, wie ein Vergewaltiger, ein Kinderschänder und ein Mörder aussehen." In Ziffer 13 des Pressekodex heißt es dazu: "Ziel der Berichterstattung darf in einem Rechtsstaat nicht eine soziale Zusatzbestrafung Verurteilter mit Hilfe eines "Medien-Prangers" sein."

Träger des Deutschen Presserates ist übrigens unter anderem der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger BDZV - und somit mittelbar auch der Verlag Axel Springer. dh
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