Bernd Ziesemer: Titel ohne Mehrwert haben keine Existenzberechtigung
Schonungslos ging Bernd Ziesemer, Geschäftsführer Hoffmann und Campe Publishing, beim Mediacoffee von dpa newsaktuell in Köln mit den Verlagen ins Gericht. Es gebe zu viele schlecht gemachte Zeitungen in Deutschland und zu viele „Zombies“ unter den Titeln. Die sollte man „besser ins Grab legen“ sagte der ehemalige Chefredakteur beim „Handelsblatt“. Etliche Titel würden obendrein keinen Mehrwert bieten. Ziesemer: „Wer keinen Mehrwert bietet, der hat in der heutigen Zeit keine Existenzberechtigung mehr.“
Hinzu komme, dass der Verlust der Schweinebauchanzeigen von Aldi und Co insbesondere viele Regionalzeitungen in eine weitere Abwärtspirale treiben werde.
Christian Lindner, Chefredakteur der
"Rhein-Zeitung", macht indes deutlich, dass gute gemachte Printprodukte immer noch sehr lebendig sein können. Die Regionalzeitung hat gerade etliche Millionen in ein neues Druckzentrum investiert, macht aber auch in Sachen Social Media und digitale Zukunft Tempo.
Gefragt seien dafür aber nicht mehr nur Redakteure mit Printprofil, sondern Mitarbeiter der „Generation Facebook“, die Inhalte auf neuen Wegen generieren können, weil diese Inhalte auf unterschiedlichsten Wegen zum Kunden kommen müssen. So sind Twitter-Profile quasi Standard in der Redaktion.
Und auch beim Personal in den Redaktionen zeigt sich Lindner offensiv: „Wir stellen ein“. Der Grund: „Die Redaktion ist der entscheidene Faktor für die Qualität und damit auch für den Umsatz unseres Produktes“, sagte Lindner.
Wolfgang Schmitz verteidigte die Tagesschau-App
Angesichts solcher Plädoyers für Inhalte und Mehrwert fiel es
WDR-Hörfunkdirektor
Wolfgang Schmitz leicht, Verlegervorwürfe, die Tagesschau-App gefährde den Wettbewerb, rundherum zu verneinen.“Es ist eine Legende, dass wir irgendjemanden kaputt machen." Schließlich hätten Verlage auch vorher schon genug Probleme gehabt, würden ohne Tagesschau-App wohl auch nicht besser dastehen, meine Schmitz.
Mit der Tagesschau-App werde zwar kein Geschäftsmodell zerstört, entgegnete
Matthias Büchs, Geschäftsführer
RTL interactive, „aber die Kostenlos-Kultur wird damit gefestigt.“ Ziesemer machte derweil ein weiteres Probleme der Verlage im Wettbewerb der Apps klar: „Eine App funktioniert nur dann, wenn man viele Bewegtbilder integriert. Woher wollen die Verlage die nehmen?“
Ulrike Langer, freie Journalist und renommierte Medien-Bloggerin, brachte es salopp auf den Punkt: „Die meisten Medien-Apps sind furchtbar langweilig“. Außerdem sieht sie Apps nur als ein Übergangsphänomen, bis Webseiten in einem offenen Netz durchweg mobil sind.
Klar wurde, den Königsweg für die „Expedition ins Ungewisse“, so der Titel der Veranstaltung, hatten die Teilnehmer auf den Podium nicht. Für RTL-Manager Büchs sind deshalb gegenwärtig gerade im Bereich mobil Experimente gefragt. Da konnte ihm sogar WDR-Mann Schmitz zustimmen: „Wir alle sind zum Experimentieren verurteilt. Denn keiner hat das Patentrezept.“
ork Die gesamte
Mediacoffee-Debatte ist als Video bei Youtube zu sehen.
Offenlegung: Der Autor war Moderator der Veranstaltung.