Videowerbung boomt. Was für Bewegtbildanbieter an sich eine schöne Sache ist. Aus Sicht von Thomas Port gibt es allerdings derzeit eine gefährliche Entwicklung - nämlich die aus seiner Sicht von einigen Playern bewusst betriebene Vermischung von Instream- und Outstream-Werbung. "Durch die Hintertür Outstream wird den Werbungtreibenden unter dem vermeintlichen Gütesiegel Video minderwertiges Inventar teuer verkauft oder oftmals mit Instream zu intransparenten Bewegtbild-Kampagnen vermischt", schimpft der Digitalchef des Vermarkters SevenOne Media in seinem Gastbeitrag auf HORIZONT Online - und fordert Konsequenzen.
Digitalwerbung hat ein Qualitätsproblem! Wussten Sie schon? Abwarten, denn damit meine ich ausnahmsweise nicht Brand Safety oder Ad Fraud, unbestritten wichtige Themen, bei denen der Markt bereits Fortschritte erzielt hat. Werbungtreibende haben ein neues, brandaktuelles Problem mit Intransparenz bei Videowerbung.
Digitale Bewegtbildwerbung wächst weiterhin. Zu Recht, denn für den Einsatz von Video-Ads gibt es schlagkräftige Argumente: Die Verbindung aus Ton und Bild wirkt hochemotional und entfaltet eine starke Suggestivkraft. Die Nutzer wenden sich aufmerksam dem Inhalt zu, was Werbeerinnerung nachhaltig fördert. Bewegtbild fasziniert unabhängig von Ort und Zeit auf allen stationären und mobilen Endgeräten. Wenn der Digital-Verband BVDW der Online-Werbung für 2018 ein sattes Plus von zehn Prozent prognostiziert, treiben vor allem die Turbos Bewegtbild und Mobile die Nachfrage.
Instream versus Outstream
Wo genau liegt das Problem? Zunächst einmal existiert ein eklatantes Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, qualitativ hochwertig produzierter Video-Content ist nicht unbegrenzt verfügbar. Dies treibt die Preisentwicklung und macht die VideoAd-Formate grundsätzlich zu einem lukrativen Inventarposten. Einige Player versuchen daher, auf den bereits dampfenden Video-Express aufzuspringen – sei es auch nur über das Angebot vermeintlicher Bewegtbildumfelder.
Durch die Hintertür Outstream wird den Werbungtreibenden unter dem vermeintlichen Gütesiegel "Video" minderwertiges Inventar teuer verkauft oder oftmals mit Instream zu intransparenten Bewegtbild-Kampagnen vermischt.
Thomas Port
Die Folge ist eine – nicht immer unbeabsichtigte – Verwischung der Begrifflichkeiten und Konventionen. Konkret geht es um den neuen Hype der Outstream-Angebote.
Ob Pre-, Mid- oder Post-Roll – bei Instream ist das Werbevideo immer fest an ein Bewegtbild-Programm oder -Inhalt gebunden, sozusagen "im Stream". Dies impliziert eine aufnahmebereite Nutzungssituation des Zuschauers. Zum Outstream-Segment zählen allerdings hautpsächlich InPage- oder InFeed-Formate, die eher in Textumfeldern oder Loq-out-Seiten integriert sind – eine Nutzungssituation, bei der die Aufmerksamkeit des Verbrauchers sich nicht ausschließlich auf den Video-Inhalt fokussiert.
Grundsätzlich haben beide Werbeformen ihre Daseinsberechtigung. So bieten auch Publisher wahlweise In- und Outstream-Varianten an. Der neue Aufreger im Werbemarkt ist jedoch die – bewusst - intransparente Vermischung beider Werbeformate zur Einheitskategorie Video. Diese Entwicklung ist einerseits systemgetrieben, forciert durch den Fortgang des programmatischen Einkaufsverhaltens, also automatisierten Buchungen, die fein justierte Kategorisierungen nicht immer vorsehen, geschweige denn dem Werbungtreibenden reporten. Andererseits ist diese neu entstandene Intransparenz aber gezielt implementiert und führt zu Missbrauch.
HORIZONT Bewegtbildgipfel
Am 10. und 11. Oktober findet in der Nachtresidenz in Düsseldorf wieder der HORIZONT Bewegtbildgipfel statt. Ein Highlight in diesem Jahr: Die Regielounge, die erstmals in den Bewegtbildgipfel eingebunden wird. Hier geben namhafte Werbefilmer und Regisseure exklusive Einblicke in die Kreation und Produktion von Werbefilmen. Weitere Themen des Bewegtbildgipfels:
- New TV: Virtual Reality, T-Commerce und neue Videoportale
- Addressable TV: Wie auch der Mittelstand TV effizient nutzen kann
- Kreation: Raus aus dem Einerlei -- was macht TV-Kampagnen erfolgreich?
- Klassisches Fernsehen: Sinkende Reichweiten, hohe Wirkung?
- Best Cases: Erfolgreiche Kampagnen unter der Lupe
Zu den namhaften Referenten zählen unter anderem Bjoern Hansen (About You), Sabine Kloos (Telefonica Germany), Dieter Lutz (Bahlsen), Matthias Brüll (Wavemaker) und Stefan Kuhlow (Werbe Weischer).
Weitere Informationen finden sie unter
www.dfvcg.de/bbg18
Video als vermeintliches Gütesiegel missbraucht
Ärgerlich bei dieser Diskussion ist, dass in Sales Pitches unter dem Label "Video" zunehmend Halbwahrheiten über die Funktionsweisen und Wertigkeiten der unterschiedlichen Werbeformen verbreitet werden. Am Ende bleibt es bei der klar tradierten Erkenntnis: Outstream ist nicht Instream. Werbekunden fordern für Video-Werbung neben Viewability verstärkt Qualitätsmerkmale wie laufenden Ton und eine aufgeschlossene Rezeptionsverfassung. Diese Erwartung kann allein Instream verlässlich für sich reklamieren. Inflationär auftretende Autoplay-Angebote, die sich dem Nutzer ungewollt aufdrängen oder durch ein stummes Playout das Ignorieren der Werbung erleichtern, sind ineffizient.
Ergo: Durch die Hintertür Outstream wird den Werbungtreibenden unter dem vermeintlichen Gütesiegel "Video" minderwertiges Inventar teuer verkauft oder oftmals mit Instream zu intransparenten Bewegtbild-Kampagnen vermischt. Damit kann der Werbungtreibende nicht mehr nachvollziehen, welche Qualität tatsächlich in seine Kampagnen einfließt.
Unser Werbemarkt benötigt eine eindeutige Kennzeichnung und Abrechnung. Sonst riskieren wir die Glaubwürdigkeit des Bewegtbild-Marktes zu Gunsten kurzfristiger Umsatzeffekte.
Thomas Port
Bei Outstream-Angeboten wird der wichtige Wahrnehmungsparameter, - die View-Trough-Rate (VTR) - komplett anders gemessen. Bei Instream gibt die VTR klar an, wie lange ein Werbevideo gesehen wurde. Dagegen kommt es bei Outstream-Formaten verstärkt vor, dass der Player nicht automatisch stoppt, sobald der Video-Frame den sichtbaren Bereich verlässt. Dies geschieht regelmäßig, wenn User einen nervösen Daumen besitzen oder einfach nur weiterscrollen. Die VTR-Messung läuft trotzdem weiter und liefert erwartungsgemäß tolle Ergebnisse – oft deutlich besser als die korrekt und transparent gemessenen VTR-Werte bei Instream.
Fazit: Video-Ad ist nicht gleich Video-Ad. Nur genaues Hinsehen und Hinterfragen kann die volle Wirksamkeit einer Bewegtbild-Kampagne garantieren und das Werbebudget schonen. Die grassierende Vermengung der unterschiedlichen Bewegtbild-Formate geht eindeutig zu Lasten der Transparenz und gefährdet die Effektivität digitaler Kampagnen.
Zu allem Übel schadet dieses Verhalten der Glaubwürdigkeit und dem Ansehen von Videowerbung generell. Ich plädiere deshalb vehement für klare Produktdifferenzierung und tatsächliche Transparenz bei der Vermarktung von Videoformaten, insbesondere bei programmatischem Einkauf via DSP der großen AdTechnology-Anbieter. Unser Werbemarkt benötigt eine eindeutige Kennzeichnung und Abrechnung. Sonst riskieren wir die Glaubwürdigkeit des Bewegtbild-Marktes zu Gunsten kurzfristiger Umsatzeffekte.