Achim Rohnke, VTFF
Green Shooting

So kann die TV- und Filmbranche ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten

Die Idee des "Green Shooting", also ein möglichst nachhaltiges Produzieren, ist mittlerweile zu einem bestimmenden Thema in der TV- und Filmbranche geworden. Achim Rohnke, Geschäftsführer des Verbandes technischer Betriebe für Film und Fernsehen (VTFF) und früherer Chef der Bavaria Film Gruppe, skizziert in seinem Gastbeitrag die aktuellen Herausforderungen für die Branche bei der Einhaltung ökologischer Mindeststandards. 
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München, Geiselgasteig: Beim "Light Equip Green Energy Day" führen Hersteller Anfang Mai diesen Jahres interessierten Filmleuten die neueste grüne Technik für Film- und Fernsehproduktionen vor, etwa energiestarke Batteriesysteme für den Außendreh. Auch in Hannover bei der TVN-Group hat die grüne Zukunft bereits begonnen: Dort fahren in derselben Woche Mitarbeiter die ersten E-Fahrzeuge für den TVN-Standort Berlin vom Hof. Die Reise ist spannend: Reicht der Radius von 350 Kilometern der E-Autos von Hannover bis Berlin-Mitte ohne Boxenstopp? Es reicht; wenn auch zeitweise mit reduzierter Geschwindigkeit. Demnächst wird der Standort mit einer eigenen E-Ladestation ausgestattet. Nach und nach will die Unternehmensgruppe für Film- und TV-Produktionen ihren gesamten Fuhrpark auf E-Mobilität umswitchen.

Diese beiden (willkürlich) herausgegriffenen  Praxisbeispiele zeigen: Es bewegt sich etwas in der TV- und Filmbranche! Die Idee des "Green Shooting" hat das Stadium des Konzeptionierens und unverbindlichen Herumexperimentierens verlassen und beginnt in der TV- und Filmwelt handfeste Realität zu werden. Rund ein halbes Jahr, nachdem sich ein breites Branchenbündnis aus Sendern, Produzenten, Förderern sowie technisch-kreativen Dienstleistern dazu bekannt hat, bei TV- und Filmproduktionen künftig ökologische Mindeststandards einzuhalten, hat der Transformationsprozess begonnen.

Die Idee dahinter ist eine ebenso nachhaltige wie ganzheitliche: Vom ersten Drehbuchentwurf bis zur letzten Klappe sollen bei der Filmarbeit durchgehend Energie gespart und Ressourcen geschont werden. Alles steht auf dem Prüfstand: der Pappbecher Kaffee in der Drehpause, das Styropor-Gebirge beim Dekoaufbau und die Flugmeilen zum Außendreh. Ein grüner Faden soll sich durch die gesamte Produktionskette ziehen. Nur wer mindestens 18 von 21 Öko-Kriterien beim Dreh dokumentiert und damit überprüfbar einhält, kann am Ende seine Produktion mit dem Zertifikat "Green Motion" schmücken.
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Der Wille, Green Shooting Wirklichkeit werden zu lassen, ist auch auf Seiten der technisch-kreativen Dienstleister der Film- und TV-Branche da. Dies zeigt das aktuelle Frühjahrsbarometer des Verbandes technischer Betriebe Film & Fernsehen (VTFF) klar an: 65,4 Prozent der Befragten – Studios, Rental- und Außenübertragungsunternehmen, VFX- und Postproduktionsfirmen - wollen in diesem Jahr "auf jeden Fall" beziehungsweise "sehr wahrscheinlich" in das Zukunftsthema "Green Shooting" investieren. Dieses deutliche Bekenntnis ist um so erfreulicher und mutiger, da gleichzeitig 61,5 Prozent der Befragten für die zweite Jahreshälfte eine "gesamtwirtschaftliche Eintrübung" prognostizieren und mehr als die Hälfte (53,9 Prozent) eine fortschreitende Konsolidierung der Branche, sprich ein Absinken der Anzahl der Unternehmen erwarten.

Hohe Investments nötig

Der Wille ist da, doch der Weg in die grüne Produktionszukunft ist steinig. Und teuer. Nur ein Beispiel: Generatoren. Will man die geschätzt 300 Dieselgeneratoren, die derzeit in der Branche eingesetzt werden, ausmustern, muss Equipment im Neuwert von circa 90 Millionen Euro an Gas- bzw. Hybridgeneratoren oder mobile Stromspeichersysteme beschafft werden – allein das ist eine Mammutaufgabe. Solche Investments sind für die Dienstleister nicht nur wegen des aktuellen Krisenmixes aus steigenden Energiekosten und weltpolitischer Instabilität kaum zu stemmen. Die Eigenkapitalquote der zumeist kleinen und mittelständischen Unternehmen hat durch die jahrelange Coronakrise und die daraus resultierenden Produktionsstopps und -verzögerungen oft gelitten. Staatliche Hilfsprogramme zum Umstieg auf regenerative Energien und Öko-Produktion werden zwar von der KfW-Bank und dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BFA) angeboten, sind aber für die Dienstleister der Film- und TV-Branche vor allem eins: zu kompliziert, zu bürokratisch, zu langsam.

Um hier Fördergelder für den grünen Umstieg flüssig zu machen, fehlt den meisten Dienstleistern die Manpower und der lange finanzielle Atem. Dabei kommt es bei der Transformation zum Green Shooting entscheidend auf die Studios, die Außenübertragungs- und Rentalunternehmen an: Nicht an den Sendern und Produzenten bleiben die meisten grünen Investitionen hängen, sondern an den Besitzern von Technik und Equipment. Sie müssen ausmustern, umrüsten, investieren, anschaffen.

Um so mehr ist die auf dem deutschen Produzententag getätigte Ankündigung von Kulturstaatsministerin Claudia Roth zu begrüßen, nicht nur, wie vom VTFF seit langem gefordert, die Filmförderung in Gänze zu reformieren, sondern auch "wirksame Anreize zu setzen für nachhaltiges Produzieren". Jetzt kommt es auf die praktische Politik an. Die Dienstleister benötigen pragmatisch umsetzbare und speziell auf sie zugeschnittene Förderprogramme, die ihnen einen zeitnahen Einstieg in die Ausstattung für die klima- und ressourcenschonende Film- und TV-Produktion ermöglichen. Die Betonung liegt auf zeitnah, der Klimawandel erlaubt keinen Aufschub. Nur so kann der Transformationsprozess Richtung Green Shooting gelingen - in München, Hannover, Berlin und anderswo.



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