Volker Schütz
Stern, Focus, Spiegel

Es fehlt nicht an Top-Journalisten, sondern an Digitalvisionären

Erst Dominik Wichmann beim „Stern", jetzt Jörg Quoos bei „Focus", und Wolfgang Büchner wackelt beim „Spiegel" bekanntermaßen seit Wochen: Wer in Deutschland derzeit Chefredakteur eines Nachrichtenmagazins ist, hat einen gefährlichen Job. Dabei würde den Titeln vermutlich weder ein Henri Nannen noch Stefan Aust oder Helmut Markwort helfen. Es mangelt nicht an guten Journalisten und Chefredakteuren. Was der Printbranche fehlt, sind digitale Visionäre wie Ralph Dommermuth, Oliver Samwer oder der Ex-Wallstreet-Analyst Henry Blodget, der als Chefredakteur von "Business Insider" die amerikanische Medienszene aufmischt.
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Schlag auf Schlag werden derzeit die Chefredakteure der einstigen deutschen Vorzeige-Magazine geschasst. Und je tiefer die Enttäuschung über die Entlassenen, desto größer die Vorschusslorbeeren für die neuen vermeintlichen Hoffnungsträger. Dabei  zeigt ein Blick auf die Statistik der großen Magazine, dass es einen großen Trend gibt: Die Auflage sinkt - egal, welcher Journalist an der Spitze des jeweiligen Magazins steht. Beispiel „Focus": Wolfgang Weimer hatte seinerzeit versucht, aus dem „Focus" eine Art massentaugliches „Cicero" als konservativen Antipoden zum „Spiegel" zu etablieren. Erfolglos wie die Auflagenentwicklung, aber auch die internen Diskussionen belegten. Jörg Quoos sollte den Titel einerseits wieder erden, andererseits mit gut recherchierten Geschichten für Aufmersamkeit, sprich Auflage sorgen. Auch er scheiterte an der Aufgabenstellung und der negativen Auflagenstatistik.


Dabei sind sowohl Wolfgang Weimer als auch Jörg Quoos unstrittig gute Journalisten. Und auch „Stern"-Wichmann wird niemand in Abrede stellen, sein Handwerk zu verstehen. Die Probleme, die Wolfgang Büchner beim „Spiegel" hat, haben damit zu tun, dass ihm zahlreiche Magazinkollegen das Gegenteil vorwerfen: Nicht gut genug für den „Spiegel" zu sein - als Journalist wohlgemerkt, nicht als Manager. Die „Spiegel"-Edelfedern begehen denselben Fehler wie andere Beobachter: Sie hoffen, dass ein journalistischer Superstar an der Spitze das erodierende Geschäftsmodell retten könnte. Als ob journalistische Scoops damit Schluss machen könnten, dass die Wertschöpfung zwischen Print und Digital vollkommen auseinanderdriftet, und mit Digital viel zuwenig verdient wird, um sich dauerhaft hochbezahlten Qualitätsjournalismus leisten zu können. Als ob investigativer Journalismus der Ersatz für Geschwindigkeit wäre, die man im Digitalen braucht.

Wenn es in absehbarer Zeit Qualitätsjournalismus in Print, Online, Mobile geben soll, braucht die Branche endlich marktfähige Konzepte fürs digitale Business. Und die Macher, die die Konzepte umsetzen. vs



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