Stefan Raab hängt seine TV-Schuhe an den Nagel. Das deutsche Fernsehen verliert mit dem Multitalent und langjährigen Aushängeschild von Pro Sieben einen seiner kreativsten Köpfe. Vor allem für Pro Sieben ist die Entscheidung von Raab bitter. Für Stefan Raab war der Rücktritt aber wohl alternativlos.
Es ist noch gar nicht lange her, da legte
Spiegel Online Stefan Raab den Rücktritt nahe. Eine Woche lang hatte sich Jonas Leppin im Frühjahr täglich "TV Total" angeschaut, die Show, die der Moderator inzwischen mehr als 2000 Mal präsentiert hat. Das vernichtende Fazit des Autors: Raab wirke "wie ein müder Lehrer, der sich nach vielen Jahren nicht mehr auf den Unterricht vorbereitet". Im Vergleich habe Harald Schmidt bei Sky zuletzt noch motiviert gewirkt. Auf den Tag genau drei Monate später hat Raab seinen Rückzug von der TV-Bühne bekannt gegeben.
Offensichtlich lag Leppin mit seiner Einschätzung goldrichtig. Die Luft war raus. Zu seinen besten Zeiten sprühte Raab vor Energie, Ehrgeiz und Ideen. Fast jährlich wartete er mit neuen, verrückten Shows auf, und da er bei Pro Sieben Narrenfreiheit genoss, durfte er sie alle in die Tat umsetzen: Die "TV Total Wok WM", die "Stock Car Crash Challenge", das "TV Total Turmspringen", "Schlag den Raab" und "Schlag den Star": Seine Shows waren allesamt neu, wild und aufregend. Und Raab war immer mittendrin, mit vollem Körpereinsatz.
Mittlerweile ist Raab 48 Jahre alt. Seine Auftritte sind routiniert, man könnte aber auch sagen uninspiriert. Er wird gespürt haben, dass er das hohe Tempo seiner eigenen Shows nicht mehr lange mitgehen kann. Am Rand stehen, die große Sause womöglich nur noch zu moderieren, ist Raabs Sache nicht. Ein guter Moderator war er ohnehin nie.
Auch neue Formatideen waren zuletzt Mangelware. Mit der politischen Talkshow "Absolute Mehrheit" wagte er 2012 mit einigem Erfolg einen Ausflug ins ernste Fach, doch zuletzt schien es zunehmend, als würden Raab und Pro Sieben ihre großen Erfolge nur noch verwalten.
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mit 50 noch Fernsehen mache", hat Raab
in einem seiner seltenen Interviews einmal gesagt. Viel Zeit für einen selbstbestimmten Abschied in Würde blieb ihm nicht mehr. Timing ist alles im Showgeschäft. Mit seinem Rücktritt hat Raab noch einmal unter Beweis gestellt, dass er einer der ganz Großen des deutschen TV-Zirkus ist.
dh