Der Redaktionsschluss für die November-Ausgabe dürfte für die schreibende Fraktion innerhalb der "11 Freunde"-Belegschaft recht entspannt gewesen sein: Offiziell musste kein einziger Redakteur für das aktuelle Heft in die Tasten hauen, denn das Magazin wurde ausschließlich mit Beiträgen aktiver Fußballprofis bestückt - sage und schreibe 73 an der Zahl. Für das Lektorat dürfte das gleichzeitig aber geheißen haben: Überstunden, die bis zum Jahresende nur schwerlich wieder abzubauen sind.
Denn auch wenn Thomas Hitzlsperger, Co-Chefredakteur der Ausgabe und immerhin 52-facher Nationalspieler, in den letzten Monaten als Praktikant bei "11 Freunde" jobbte: Es ist kein erfundenes Klischee, dass Fußballprofis nicht immer Rhetorikprofis sind. Was auch überhaupt nicht schlimm ist, denn mit der Ausgabe "Spieler machen 11 Freunde" ist dem Verlag ein lesenswertes Experiment gelungen. Mit ein Grund dafür ist die authentische Schreibe der Autoren, die nicht nachträglich zu Wortakrobaten, um im Fachjargon zu bleiben, "hochsterilisiert" wurden. Dadurch kommen sie menschlich rüber, zeigen auch abseits von Instagram-Selfies ihre private Seite. Was (auch ihnen) gut tut.
Weltmeister Erik Durm schrieb über seine Erlebnisse in Brasilien
Als Mit-Chefredakteure holte sich Hitzlsperger (was für eine Karriere: vom Praktikanten zum Chef in drei Monaten!) übrigens den Hoffenheimer Andreas Beck und den Hamburger René Adler ins Boot, beide ebenfalls ehemalige deutsche Nationalspieler. Auch fünf amtierende Weltmeister sind dabei, unter anderem Kapitän
Philipp Lahm und WM-Reservist
Erik Durm, der sehr erfrischend von seinen Turniererlebnissen berichtet. So wie es ein ganz normaler 22-Jähriger auch tun würde.
Diese Unverfälschtheit hat aber auch ihre Nachteile: An die Substanz einer regulären "11 Freunde"-Ausgabe kommt das Spielerheft nicht heran. Es verfestigt sich der Eindruck, dieser Titel ist schneller gelesen als andere. Manchen Rubriken tut die Herangehensweise der Spieler, die natürlich von der Chefredaktion um Philipp Köster geleitet wurden, sehr gut, anderen weniger. So vermisst man manches Mal längere Lesestücke, die "11 Freunde" zu dem gemacht haben, was es heute ist: die Referenz in Sachen Fußballkultur. Lieblings-Playlists, Fotos aus den Hotelzimmer, Zocker-Bekenntnisse und ehemalige Berufsziele sind schön und gut und lesen sich prima. Aber ein bisschen kleinteilig wirkt es eben auch.
Die November-Ausgabe der "11 Freunde" wurde von aktiven und ehemaligen Fußballern erstellt
Überraschend stark ist die Ausgabe, wenn es um ernste Themen geht. Unbestrittenes Highlight ist der Bericht von Torhüter
Florian Fromlowitz, der aus seiner ganz persönlichen Sicht vom Freitod Robert Enkes und der schwierigen Zeit danach erzählt. Mutig, ehrlich, berührend - ein Artikel, wie man in einem Magazin der Extraklasse lesen möchte. Auch wenn an dem jetztigen Drittliga-Profi Fromlowitz sicherlich auch keine Edelfeder verloren gegangen ist. Ebenfalls sehr empfehlenswert sind
Timo Hildebrands Erfahrungen mit den Medien und das Spieler-Trainer-Gespräch zwischen
Hanno Balitsch und
Ewald Lienen über das bisweilen merkwürdige Fußball-Business.
'Tschüs, Flo' - 'Tschüs, Robert!' Wir hatten am Montag und Dienstag trainingsfrei, denn es war Länderspielpause. Ich wollte die Tage mit meiner Frau verbringen. Robert wollte sterben. Am Dienstag. Das wusste er schon, als er die Kabine verließ.
Florian Fromlowitz
Alles in allem: Mit der "11 Freunde"-Ausgabe 156 hat sich die Redaktion ein spannendes (und vielleicht auch entspannendes) Experiment erlaubt und alleine wegen des Mutes muss man sagen: Es ist gelungen - trotz der erwähnten kleinen Schwächen. Zudem dürfte das Projekt zunächst ziemlich einmalig sein, hierzulande und auch weltweit. Dabei wäre eine spätere Wiederholung durchaus wünschenswert. Auch wenn das "11 Freunde"-Lektorat sicherlich erst einmal aufstöhnen würde.
fam