Was haben sie getrommelt für die Bewerbung Hamburgs um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2024: Über Wochen ließen „Hamburger Abendblatt“ (Funke), die Regional-„Bild“ und -„Welt“ (Axel Springer), „Hamburger Morgenpost“ (DuMont) und Radio Hamburg keinen Zweifel, dass das Sportprojekt richtig und wichtig sei für Stadt und Land.
Über viele PR-Aktionen wurde riesengroß berichtet, „Bild“ verteilte einen ziemlich werblichen Sonderdruck an alle Haushalte, das „Abendblatt“ brachte eine fiktive Beilage aus dem Jahr 2024 heraus, die jubelnd auf die Olympischen Spiele an der Elbe zurückblickt.

Und die Moderatoren von
Radio Hamburg betonten gefühlt nach jeder Verkehrsmeldung, wie sehr sie für das Sportspektakel vor der Haustür seien. Ein paar der zahlreichen Gegenargumente kamen zwar meistens (aber nicht immer!) vor – jedoch eher pflichtgemäß als ausgewogen. Einzig die kleine und etwas alternativ positionierte
„Morgenpost“ tönte nicht ganz so laut und ließ zuletzt in gleichem Umfang auch Redakteure zu Wort kommen, die mit „Nein“ stimmen wollten. Auch in der
"Welt", obwohl offen pro-Olympia, waren kritische Beiträge zu lesen, etwa Streitgespräche und Berichte über sinkende Zustimmungsraten.
Und was hat dieser
„Rekordversuch des abhängigen Journalismus“ („Süddeutsche Zeitung“) mancher Titel neben der offiziellen
Werbekampagne,
die vielleicht auch nicht so toll war, gebracht? Nichts. Die Hamburger haben bei dem Referendum am Sonntag mit knapper Mehrheit (51,6 Prozent) gegen die Olympia-Bewerbung gestimmt. Die Bedenken und die Unlust haben – wohl angesichts der ungeklärten
Finanzfragen, der jüngsten Fifa- und DFB-Skandale, der Flüchtlingssituation und des Terrorthemas – knapp gesiegt. Die regionalen Medien haben es nicht geschafft, diese Bedenken auszuräumen.
Olympia-Bewerbung Hamburg 2024
"Die Kampagne ist leider erbärmlich"
Michael Weigert von der Hamburger Agentur Weigert Pirouz Wolf wirft seinen Ortskonkurrenten den Fehdehandschuh vor die Füße. In einem wütenden Kommentar fragt er, was sie sich bei ihrer gemeinsamen Bürgerkampagne für die Olympischen Spiele 2024 gedacht haben. ...
Und die Befürchtung zu zerstreuen, dass die Spiele nach der Elbphilharmonie ein weiteres Großprojekt werden könnten, das
Gewinne privatisiert (Sponsoren, Bau- und Eventwirtschaft, Gastronomie, Verlage, Radiosender) und
Kosten sozialisiert (Steuerzahler und weitere Nachteile auch für alle nicht so sportinteressierten Bürger).
In ernüchternden Zahlen: Trotz großer
Reichweiten von „Bild“ Hamburg (750.000 Leser), „Abendblatt“ (540.000), „Welt“/„WamS“ Hamburg (302.000), „Morgenpost“ (270.000), Radio Hamburg (188.000 werktäglich) plus weiterer Sender haben überhaupt nur 650.106 berechtigte Bürger abgestimmt, das sind lediglich 50,1 Prozent
Wahlbeteiligung. Trotz allem medialen Getrommel. Und von diesen haben nur 314.468 mit „Ja“ votiert (48,4 Prozent). Unterm Strich haben also nur
24,2 Prozent der Wahlberechtigten für Olympia gestimmt und damit die herrschende Medienmeinung in die Tat umgesetzt.
#nolympia Hamburg 2024
"Die Quittung" - so reagieren Medien und Hamburger Kreativagenturen
Hamburg wird sich nicht um die Olympischen Spiele 2024 bewerben. Die Kommentatoren der großen deutschen Medienseiten suchen nach dem Warum, Hamburger Kreativagenturen lassen ihren Gefühlen auf Facebook und Twitter freien Lauf. HORIZONT Online mit einem Überblick. ...
Die harmloseste Erklärung dafür: Die Hamburger haben die Berichterstattung ihrer Medien interessiert zur Kenntnis genommen – sich in der Mehrzahl aber eben
eine andere Meinung gebildet. Oder sich, warum auch immer, erst gar nicht zur Wahl aufraffen können. Kritischer für die Verlage und Sender wäre es, wenn ihre regionalen Medien die Bürger gar nicht mehr so
richtig erreichten, physisch oder auch inhaltlich. Und regelrecht besorgniserregend wäre es, wenn die Hamburger ihre Presse gar als im „olympischen Schulterschluss“ („SZ“) und damit als
unglaubwürdig wahrgenommen hätten – und die Abstimmung nun eine Art Reaktanz gewesen wäre.
Während die Stadt- und Sportfunktionäre nun ihre Wunden lecken und nach Fehlern suchen, dürfte auch in den Hamburger Redaktionen die
kritische Selbstreflexion beginnen.
rp