Thomas Port, SevenOne Media
Programmatic Advertising

Sinnvolle Co-Existenz statt digitalem Turbo-Kapitalismus

Programmatic Advertising ist weiter auf dem Vormarsch, vor allem in den USA. Auch wenn die Automatisierung bei digitaler Werbung nicht aufzuhalten ist, sollten die Player in Deutschland nicht in blinden Kopier-Aktionismus verfallen, findet Thomas Port. In seiner Kolumne für HORIZONT Online fordert der Geschäftsführer SevenOne Media, dass Qualitätsinventar mehrheitlich kontrolliert und geschützt in privaten Ökosystemen vermarktet werden sollte.
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Sind uns die Amerikaner und Angelsachsen um Längen voraus und verschlafen wir in Good Old Europe wieder den nächsten digitalen Hype? Verfolgt man die Diskussionen um die neue Powerformel „Programmatic Advertising“, mit der Heraufbeschwörung von „Programmatic“, könnte man diesen Eindruck gewinnen. Coole Story mit rasantem Wachstum, nur deutsches Neuland ist wieder zu langsam. Doch das ist in diesem Fall nicht zutreffend. Die Automatisierung des Mediaeinkaufs ist kein neues Thema, sondern bereits seit Jahren fester Bestandteil der Arbeitsprozesse der klassischen TV-Vermarktung.


Wir sollten nicht diskutieren, ob Automatisierung bei digitaler Werbung sinnvoll ist, sondern wie diese neuen Lösungen aussehen und Mehrwerte generieren können. Was wir nicht brauchen ist Kopier-Aktionismus oder die komplette Adaption des anglo-amerikanischen Modells mit einem riesigen Anteil von Open Exchanges beziehungsweise Marktplätzen. Diese Märkte funktionieren mit ihrem ungleich höheren Inventarangebot anders als in Deutschland. Auch die negativen Auswüchse dieses digitalen Turbo-Kapitalismus sind offensichtlich: Die massiv eingesetzten Roboter in den USA und auf der Insel lassen grüßen. Mehr als die Hälfte des digitalen Verkehrs amerikanischer Webseiten wird nicht von echten Menschen, sondern von Maschinen erzeugt. Tendenz steigend. Eine Vielzahl digitaler Start-Ups entwickelt bereits neue Programme für die Kontrolle von Maschinen durch Maschinen. 

Automatisierung wird zum Muss – entscheidend bleiben Methode und Dosierung

Wollen wir das auf unserem lokalen Markt? Nein. Der programmatische ICE rollt durch die Lande und es ist klar, dass die fortschreitende Automatisierung die Zukunft ist, allein schon aus Kapazitäts- und Effizienzgründen. Die Medienlandschaft ist inzwischen so vielfältig, fragmentiert und schnelllebig, dass Automatisierung zum Muss wird. Programmatic Advertising ist ein probates Mittel, um auf diese Entwicklung zu reagieren und hier Prozesse effizienter zu gestalten. Blindes Nachahmen und Losrennen bergen aber Missbrauchsrisiken. 
Die Medienlandschaft ist inzwischen so vielfältig, fragmentiert und schnelllebig, dass Automatisierung zum Muss wird.
Thomas Port
Essentiell sind Methode und Dosierung. Denn die verschiedenen Ausprägungen - Private oder offene Marktplätze, Bidding oder DirectDeal-Verfahren - hängen unter anderem von den stark differierenden Umfeld-Qualitäten, den damit verbundenen Inventar-Mengen und der Nutzungssituation des Verbrauchers ab. Wir müssen künftig besser darin werden, die gewünschten Personen zum richtigen Zeitpunkt zu erreichen und nicht nur imaginäre Datenpunkte im Cybernebel. Eine wichtige Voraussetzung dafür sind aussagekräftige und sauber verknüpfte Daten. 

Private Marktplätze: Qualitätsinventar kontrolliert und geschützt

Unsere Devise sollte sein, das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Unsere Angebote und Umfelder müssen weiterhin echte Menschen erreichen, um wertvoll zu bleiben. Qualitätsinventar sollte daher unter den Marktteilnehmern mehrheitlich kontrolliert und geschützt in privaten Ökosystemen vermarktet werden. 

Offene Marktplätze: Lokale und transparente Plattformpartner gegen Click Fraud

Bei offenen Marktplätzen lohnt es sich für Vermarkter, Media-Agenturen und Werbungtreibende einen prüfenden Blick auf die technische Plattform zu werfen, über die die Deals abgeschlossen werden. Mittlerweile gibt es leistungsstarke lokale und transparente Anbieter, über die der automatisierte Handel abgewickelt werden kann, die weder zu Monopolisten noch zu globalen US-Giganten gehören.

Sicher wird es zukünftig im Rahmen von Programmatic Advertising keine Universal-Lösung geben. Sobald sich Problematic Buying aus der Nische löst und zu Programmatic Logic wird, wird es sich den Eigenheiten der lokalen Märkte anpassen. Wir können daher den Mut haben, unsere eigenen europäischen Wege zu gehen, um zu notwendigen Win-Win-Situationen zu gelangen: Volle Transparenz für Werbungtreibende über tatsächlich ausgelieferte Werbung an real existierende Menschen einerseits und Kontrolle über Preise und Inventare für Publisher andererseits. Wir benötigen intelligente Kooperationen zwischen den Marktteilnehmern – auch auf internationaler Ebene - um intransparenten Datenkraken und unseriösen Usancen wie dem Click Fraud schlagkräftige Alternativen entgegenzusetzen.




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