Schon im vergangenen Jahr eruierte dem Vernehmen nach
Gabor Steingart, Geschäftsführer und Kleingesellschafter von Holtzbrincks
Verlagsgruppe Handelsblatt, in der die "WiWo" erscheint, die Ablösung Tichys. So sprach Steingart offenbar auch mit
Arno Balzer, nachdem dieser das
"Manager Magazin" verlassen hatte. Vielleicht, weil diese und andere Nachfolgelösungen nicht aufgegangen sind; vielleicht, weil Tichy die hohe Wertschätzung von Holtzbrincks genießt, vielleicht aus beiden Gründen: Tichy hielt sich weiter - eben nun bis Oktober. Und auch danach scheidet er nach der Restlaufzeit seines Vertrages nicht aus, sondern erhält, wie manche im Verlag wissen wollen, seinen neuen
Geschäftsführer-Vertrag direkt in Holtzbrincks Holding.
Aber warum muss er bei der "WiWo" gehen? Im Verlag erzählt man sich, Steingart wolle die "WiWo" etwas feingeistiger (und weniger konkret?), intellektueller (und weniger ökonomisch fundiert und detailliert?), etwas empathischer (mit weniger Haltung und Klartext-Kritik?), globaler kreisend (statt Auswirkungen auf Deutschland einkreisend?), etwas mehr wie der
"Economist". Außerdem werfen Tichy manche im Haus, im Markt und wohl auch in der Politik, in der Hochfinanz und in den Großkonzernen eine Europa-kritische Haltung vor, was aber ziemlicher Unsinn ist, denn Tichy schreibt oft kritisch gegen die bestehende Politik und Konstruktion der
Währung Euro (aber eben nicht gegen die Idee Europa), und er begründet dies stets ökonomisch. Genau hier setzen drei Wünsche an seine designierte Nachfolgerin an.
1. Wunsch: Die "WiWo" muss Haltung bewahren
Die "Wirtschaftswoche" unter Roland Tichy ist das einzige größere Publikumsmedium, das eine klare wirtschaftspolitische Haltung einnimmt. Und zwar: klassisch liberal statt liberallala. Während sich etwa das hauseigene
"Handelsblatt" hier im Dienste des täglichen Titelthementrommelns eher geschmeidig zeigt, das
"Manager Magazin" (und künftig
wohl auch "Bilanz") sich über den Lupenblick auf die Vorstandsetagen profiliert,
"Capital" mit
schrägen Seitenblicken auf die Wirtschaft unterhält und
"Brand Eins" hübsches Wirtschaftsfeuilleton vorführt, verliert Tichys "WiWo" nicht den Blick fürs (volks-) wirtschaftlich große Ganze.
Tichy, seit 2007 dort am Ruder, und seine rund 100-köpfige Redaktion fahren ihren Kurs, freilich nicht ohne immer wieder zu erklären, warum am Ende alle etwas von
mehr Freiheit hätten - und eben nicht nur "die Wirtschaft". Und viel früher als in allen anderen größeren Medien waren vor sehr vielen Jahren in der "Wiwo" erklärende Warnungen vor etwas zu lesen, was mittlerweile gemeinhin als
Finanzkrise bekannt ist. Dies mag auch daran liegen, dass der theoretische Horizont der "Wiwo"-Redaktion nicht nur von
Keynes bis Friedman reicht, sondern weiter über
Hayek bis hin zu Mises, der ja am besten erklärt, was seit Jahren passiert und weiter passieren wird.
Die aktuelle Ausgabe der "Wirtschaftswoche"
Und so kämmt die "WiWo" immer wieder gängige und kaum hinterfragte "Gewissheiten" der Publikums- und Wirtschaftsmedien
gegen den Strich. In der aktuellen Ausgabe etwa in der
Titelgeschichte über das neue vermeintliche Schreckgespenst "Deflation - Der neue Trick der Euro-Politik". O-Ton Tichy: Weder gebe es ein allgemeines Sinken des Preisniveaus, "noch wäre es ein betrüblicher Zustand, wenn die
Kaufkraft des Geldes mal steigen würde statt immer nur zu sinken". Hinter dem Deflations-Gerede stecke "der schlichte Wunsch nach dem Gegenteil": Die Politik wünsche Konjunkturprogramme, Gelddrucken und Inflation, um leichter weiter Schulden machen und diese schleichend entwerten zu können.
Nun, man muss das und anderes ja nicht so sehen wie Tichy und seine "WiWo" - aber man kann sich dann gut daran reiben. Und keine anderen größeren
Publikumstitel äußern aus dieser Richtung eine solch klare Haltung und Kritik am Status quo, oder sie tun es nur wie verschämt über exotisch anmutende Gastbeiträge wie gerade
in der "Welt" und
in der "Zeit". Damit verfügt die "WiWo" über ein
Alleinstellungsmerkmal, das Meckel nicht leichtfertig aufgeben sollte. Und es bleibt zu hoffen, dass sie ihren Vorgänger weiter im Blatt schreiben lässt, etwa eine regelmäßige Kolumne. Dies kann die Tichy-Fans unter den Lesern (allein bei
Twitter hat er immerhin knapp 19.000 Follower) besser beim Blatt halten.
2. Wunsch: Die "WiWo" muss selbstbewusster und smarter werden
Neben den profilierten und pointierten wirtschaftspolitischen und volkswirtschaftlichen Inhalten droht der Teil
"Unternehmen & Märkte" bisweilen in Vergessenheit zu geraten. Dabei verstecken sich hier oft News, aus denen andere Titel zig Vorabmeldungen drechseln würden. Und ein eigener Korrespondent berichtet seit jeher aus dem
Silicon Valley, lange bevor Axel Springer dort öffentlichkeitswirksam seine WG gegründet hat.
Pimpls Position
In der Online-Kolumne "Pimpls Position" kommentiert Roland Pimpl, Hamburg-Korrespondent von HORIZONT, in loser Folge Themen und Thesen der Medienwelt.Mehr Selbstbewusstsein bezüglich der eigenen Inhalte und ihrer medialen Vermarktung kann der "WiWo" nicht schaden. Hier macht die mediengewandte Meckel sicherlich die bessere Figur für Steingart, der es selber wie kein zweiter versteht, Inhalte und Hefte aufmerksamkeitsstark zu inszenieren. Tichy vertraut wohl allein auf starke Texte, Thesen und Fakten - aber das reicht heute ja nicht mehr. Und für eine smarte Präsenz bei
Werbekunden ist Meckel wohl auch die bessere Wahl als Tichy, den manche als sympathisch-kauzig, wenn nicht gar als sperrig empfinden.
3. Wunsch: Die "WiWo" muss sich aufhübschen
Die "Wirtschaftswoche" schminkt sich nicht. Oder anders: Etliche Texte könnten mehr Stil, gefälligere Schreibe und auch etwas mehr Humor vertragen. Viele Layouts
mehr Liebe, Luftigkeit und Großzügigkeit. Das Blatt insgesamt mehr Lesespaß. Auch wer keine originäre Freude hat an Tichys Thesen und an der Haltung seines Blattes, möchte doch das Heft vergnügt lesen - und nicht durcharbeiten.
rp
Drei Wünsche an die künftige Chefin Miriam Meckel