Ingo Rentz
#NetzFragtMerkel

Drei Erkenntnisse aus LeFloids Interview mit der Kanzlerin

Gestern Abend, gegen 20 Uhr, passierte Historisches: Erstmals bekam eine breite Öffentlichkeit zu sehen, wie sich Bundeskanzlerin Angela Merkel den Fragen eines Youtubers stellte. Hielt das mit Spannung erwartete Interview, was es versprach? Eine Einordnung.
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Erkenntnis 1: Merkel ist die Gewinnerin

Wer erwartet hatte, dass LeFloid seine Gesprächspartnerin nach allen Regeln der Kunst grillen würde, war von Beginn an schiefgewickelt. Dennoch bleibt unter dem Strich: Das Interview hat Angela Merkel wohl mehr genutzt als dem Youtuber. Dieser ließ die Kanzlerin allzu oft zu schnell von der Kette, allein beim Thema Homo-Ehe hakte er mehrmals nach. Und Merkel tat das, was sie am besten kann: Sie ließ alles in guter alter Teflon-Manier an sich herunterlaufen.

Heraus kam ein Gespräch, das weder Fisch noch Fleisch war. Es war kein wirkliches Interview, von Entertainment kann man aber auch nicht gerade sprechen. Angela Merkel kann das nur Recht sein: Jetzt steht sie da als Politikerin, die mit der Zeit geht, die sich auch vor Innovationen nicht scheut. Groß ins Risiko gehen musste sie dafür nicht. Die Gefahr, dass LeFloid Merkel wirklich aus der Reserve locken könnte, war zu keiner Zeit gegeben. Daraus folgt...

...Erkenntnis 2: Um mit einem Kaliber wie Merkel fertig zu werden, braucht es Profis

Zurückhaltend, schüchtern, ungewöhnlich brav: Der LeFloid, der da im Kanzleramt saß, hatte mit dem frechen, wild gestikulierenden Zampano aus seinen Netz-Nachrichten nicht viel gemein. Man kann es ihm nicht verdenken: Viele von uns würden ein ganzes Stück kleiner, säßen wir auf einmal der mächtigsten Frau der Welt gegenüber. Damit ist leider auch klar, dass eine große im Vorfeld formulierte Hoffnung sich nicht erfüllt hat: Auch ein Held der Generation Youtube schafft es nicht, der Kanzlerin andere Aussagen zu entlocken, als es Polit-Profis vom Schlage Cleber, Klöppel oder Slomka vermögen.

Die Kollegen von Meedia hatten vor einigen Tagen gefragt, ob LeFloid möglicherweise der bessere Politik-Journalist ist. Bis hierhin: Klares Nein. Die Arrivierten der Branche müssen sich um ihren Status vorerst keine Sorgen machen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Das Interview - und schon gar das Polit-Interview mit den Schwergewichten der Szene - ist nicht LeFloids natürliche Heimat. ER wird lernen müssen, will er das Format wiederholen. Dass er das Zeug dazu hat, dürfte unbestritten sein. Und das führt gleich zu...

...Erkenntnis 3: Deutschland braucht solche Formate

Man kann darüber streiten, wie groß der Erkenntnisgewinn aus #NetzFragtMerkel wirklich war. LeFloids Merkel-Interview als Experiment abzutun, das gescheitert ist, wäre allerdings too much. Das große Interesse im Vorfeld und die leidenschaftlichen Diskussionen davor wie danach zeigen: LeFloids Zielgruppe ist durchaus politisch. Man könnte sein Experiment nun als One-Shot zu den Akten legen oder sich dafür einsetzen, dass sich die Großkopferten der Politik regelmäßig den Fragen der Generation Youtube stellen. Wer es wirklich ernst meint mit dem Dialog auf Augenhöhe, dem sollte der Austausch auf jungen Plattformen ein ernsthaftes Anliegen sein.

Hier sind auch die etablierten Medien gefragt: Man könnte über Kooperationen nachdenken, etwa die Ausstrahlung eines Youtube-Interviews zeitgleich auf der Video-Plattform und im TV. Angst vor dem Verlust ihrer Stellung müssten sie dabei kaum haben.

Auch eine Infantiliserung der Politik ist kaum zu erwarten. Das war auch nicht der Fall, als Stefan Raab vor drei Jahren - unter teilweise großem öffentlichen Protest - zu einem der Moderatoren des Kanzlerduells ernannt wurde. Mit seiner legendären "King of Kotelett"-Frage an Peer Steinbrück hat Raab es sogar geschaft, für einen der wenigen bleibenden Augenblicke von damals zu sorgen. Dass seine Talkshow "Absolute Mehrheit" anschließend mehr oder weniger floppte, steht auf einem anderen Blatt. Und vor allem ist dies kein Anlass, es nicht noch einmal zu versuchen.
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