Stefan Gerstmeier, Neofonie Mobile
Mobile Publishing

Junge Leser verzeihen keine Fehler

Die große Beliebtheit von mobilen Inhalten und die Zahl von mittlerweile 530 Apps deutscher Verlage, die der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) vermeldet, zeigen: Mobile Publishing ist für Verleger essentiell geworden, um auf dem hart umkämpften Zeitungsmarkt zu bestehen. Doch viele Verlage können mit den technischen Innovationen in Sachen Apps nicht Schritt halten: Schlechte Nutzerführung, eine unzeitgemäße Aufbereitung der Inhalte sowie die Tatsache, dass viele Apps immer noch nicht für alle Geräte ausgespielt werden, zeigt, wie schlecht es um die Mobile-Publishing-Branche hierzulande bestellt ist. Wie Medien ihr mobiles Angebot künftig besser gestalten können, beschreibt Stefan Gerstmeier, COO der Mobile-Agentur Neofonie Mobile.
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1.

Mobilen Content monetarisieren

Laut dem „Reuters Institute Digital News Report 2015“ nutzen hierzulande bereits 33 Prozent ihr Smartphone, um sich in Sachen Nachrichten auf den neuesten Stand zu bringen. 88 Prozent der Deutschen sind aber immer noch nicht dazu bereit, für digitale Inhalte zu bezahlen - egal wie qualitativ hochwertig diese sind.

An der derzeit im Trend liegenden Paywall führt dennoch derzeit kaum ein Weg vorbei. Gerade für regionale Verlage ist das Paid-Content Modell besonders geeignet, da deren Abonnenten nur schwer zu einem anderen Anbieter wechseln können, der dasselbe Gebiet mit seinen Inhalten bespielt.

Dass Paid Content auch in Deutschland funktioniert, zeigt das Angebot Bild Plus, welches heute auf allen Plattformen Geräte-übergreifend erhältlich ist. Mit Spezial-Angeboten und günstigen Testabonnements führt Axel Springer Neukunden und bestehende Printleser in das digitale Angebot ein. Nach Ablauf der Rabattfrist sind dann viele dazu bereit, den normalen Preis zu bezahlen, da das digitale Angebot oft die Erwartungen der ehemaligen Printleser übertrifft.

2.

Werbung in Mobile-Publishing-Angeboten

Mobile Werbung hat es in Deutschland derzeit nicht leicht: Laut Mobile Consultant Christian Golecki sind die User heute der Ansicht, dass Paid Content Angebote keine Werbung enthalten dürfen, da man als Leser ja Geld für hochwertige Inhalte investiert hat. Dass diese Meinung allerdings einen krassen Gegensatz zum Umgang mit Werbung in bezahlten Printpublikationen darstellt, die bekanntlich vom größten Teil der Gesellschaft akzeptiert wird, interessiert dabei die wenigsten. Auch Apple hat sich mittlerweile auf die Seite seiner Kunden gestellt und erlaubt Adblocker in Mobile-Webangeboten. Diese Entwicklungen werden das Geschäft der Werbetreibenden und Verlage in Zukunft nicht gerade beflügeln.

Auf Grund der allgemein schlechten Stimmung der Konsumenten gegenüber mobiler Werbung ist es derzeit umso wichtiger, dass die jeweilige App über ein tragfähiges Bezahlmodell verfügt, um in der Finanzierung nicht primär auf Werbeeinnahmen setzen zu müssen. Es ist zu erwarten, dass diejenigen Verlage als Gewinner aus dem mobilen Wandel hervorgehen, die die besten Algorithmen haben, welche individualisierte Werbung ausspielen. Grundsätzlich sollte beim Ausspielen von Werbung im App-Format aber immer auf einen möglichst geringen „Nerv-Faktor“ geachtet werden.

3.

Usability auf mobilen Endgeräten

Die Nutzerführung in Mobile-Publishing-Apps sollte heute einfach und intuitiv sein und den Leser schnell zu den Inhalten bringen, die ihn interessieren. Ist sie dazu nicht in der Lage, bestrafen das die User meist konsequent, da sie von anderen Anbietern besseres gewohnt sind. Hier die wichtigsten Punkte im Überblick:

- Kompakte, übersichtliche Navigation ermöglichen

- Schnellzugriffe einbinden

- Aktuelle Inhalte auf der Startseite anbieten

- Funktionale Bedienelemente sichtbar machen

- Layout auf die Nutzung am Smartphone ausrichten (Phablet Trend)

- Klares Schriftbild wählen

Lesen von E-Readern oder im Mobile Web reicht vielen Lesern heute nicht mehr aus. Sie wollen ansprechend gestaltete Apps, über die sie Inhalte unkompliziert konsumieren können - und das auf allen Endgeräten. Die Einbindung einer Middleware Software erleichtert den Verlagen heute das Einstellen von redaktionellen Inhalten, die mit einem Klick über das Content Management System individualisiert ausgespielt werden. Diese Technik sorgt außerdem dafür, dass die App auf allen Endgeräten immer auf dem neusten Stand ist, ohne dass umständlich Updates für jedes einzelne Betriebssystem gemacht werden müssen. Mit solchen Lösungen lassen sich Apps in der Regel mit einem Bruchteil der üblichen Kosten umsetzen.

4.

Fehler in der Umsetzung auf ein Mindestmaß reduzieren

Vor allem zahlende User sind heute konsequent, wenn ein Service temporär nicht oder nur eingeschränkt erreichbar ist: Entweder wechseln sie direkt zu einem anderen Anbieter oder machen ihrer Unzufriedenheit Luft.

Gerade im App-Store von Apple lassen sich Fehler in der App außerdem nicht einfach, kurzfristig ausbügeln: In der Regel dauert es mindestens zwei bis drei Tage, bis der Support auf Anfragen reagiert und dann weitere zwei Tage, bis die überarbeitete Version abgenommen und hochgeladen wird. Während dieser Zeit können sich Fehler in der App negativ auf die Reputation des Verlages auswirken, weshalb an dieser Stelle auf keinen Fall gespart werden sollte.

Bereits bei der Entwicklung der App sollte deshalb auf eine intensive Test-Phase gesetzt werden: Hierzu zählen sowohl eine professionelle Qualitätssicherung als auch ausgiebige Tests durch ein professionelles QA-Team und Cloud-Testings, welches Tests mit einer Nutzergruppe von 10 bis 20 Nutzern einschließt. Die Mehrkosten für eine solche Qualitätssicherung betragen in der Regel nur wenige tausend Euro, welche sich dann in den positiven Bewertungen im App Store bemerkbar machen.

Fazit:

Mobile Publishing ist ein wichtiger Baustein der Digital Strategie eines jeden modernen Verlages. Vor allem die jungen Nutzergruppen von 19 bis 35 Jahre denken, leben und handeln heute weitestgehend digital auf ihren mobilen Endgeräten. Dabei verzeihen sie wenige Fehler und wechseln radikal den Anbieter. Neben der Usability sind dabei vor allem das Bezahlmodell und der Bezahlprozess die wichtigsten Hürden, die man auf dem Weg zu einer gelungenen, mobilen Lösung meistern muss. Verlage müssen sich darauf einstellen, dass Mobile Publishing nichts mehr mit der Umsetzung von Print gemeinsam hat. Dies erfordert auch die Schaffung neuer, interner Strukturen und externer Beratung.

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