Die "Zeit" widmet sich in ihrer aktuellen Titel-Geschichte dem wohl mächtigsten Technologiekonzern der Welt und seinem Chef: "Die unheimliche Mission von Mr. Google" ist die Story über Larry Page betitelt, die fasziniert und kritisch zugleich daher kommt. Das Porträt liefert einige gute Beispiele dafür, wie mit Managern wie Page umzugehen ist.
Als deutsches Medium nah an Larry Page ranzukommen, ist nicht leicht. Die "Zeit" hat es geschafft: Wirtschaftschef
Uwe Jean Heuser hat den Google-Gründer im Silicon Valley getroffen und sich lange mit ihm unterhalten. Aus dem äußerst gelungenen Porträt wird deutlich, dass der mächtige Manager zwar kein Fremder ist, aber doch so etwas wie eine Black Box: Was will er wirklich? Versteckt sich hinter all den Floskeln von Fortschritt und Technologie vielleicht eine Agenda, von der wir alle nichts ahnen?
In Deutschland steht man Mega-Konzernen wie Google häufig misstrauisch gegenüber. Das hat sicher mit dem hierzulande aus historischen Gründen tief verankerten Misstrauen gegenüber Macht(konzentration) zu tun. Gerade im Fall Google spielt allerdings besonders das Thema Datenschutz eine Rolle: Als unangefochtener Marktführer bei Suchanfragen im Netz weiß Google im Prinzip alles über die Interessen der Nutzer. Und dieses Wissen versteht der Konzern hervorragend zu versilbern: 60 Milliarden Dollar Umsatz und 15 Milliarden Dollar Nettogewinn, der Großteil davon aus Suchmaschinenwerbung, stehen in den Google-Büchern.
Kein Wunder, dass das Thema Datenschutz in Heusers Portrait viel Platz einnimmt. Page lässt diesbezüglich kein gutes Haar an den Europäern im Allgemeinen und den Deutschen im Besonderen: Wenn er heute eine Firma gründen und sich zwischen Silicon Valley und Deutschland entscheiden müsste, würde ihm die Wahl nicht schwer fallen. In Europa werde es "sehr hart, eine Firma von globaler Bedeutung aufzubauen", sagt Page. Dafür herrsche hier zu viel Regulierung. "Dann der Datenschutz, all diese Gesetze machen es nur noch schwieriger." Dabei sei seine Firma auf Datennutzung angewiesen: "Wir nutzen viele Daten, um bessere Dienste zu bieten", so Page.
Bemerkenswert ist, dass Autor Heuser Page in diesem Punkt durchaus zuzustimmen scheint: "Wenn Page und das Valley recht haben und wir tatsächlich im Jahrhundert der großen technologischen Sprünge leben, sollte Europa diese Kritik einmal erwägen", schreibt er.
Diese Google-Freundlichkeit überrascht insofern, als die eher linksliberale Leserschaft der "Zeit" bei derartigen Aussagen wohl die Nase rümpfen wird. Gleichwohl gehörte die Zeitung nicht zu den Vorkämpfern des Leistungsschutzrechts vom Schlage Springer, und auch seitenlange Google-Kritik ist eher
Sache der "FAZ". Zwar strahlt Heusers Artikel auch jede Menge Skepsis gegenüber Google und seinem etwas verschrobenen Chef aus. Besonders am Ende, als die Warnung auftaucht, dass Googles Automatisierungs- und Technologisierungs-Visionen irgendwann außer Kontrolle geraten könnten. Jedoch nimmt der Text Page stets ernst - und das ist richtig so.
Wenn in Europa über Manager wie Page, Facebook-Chef Mark Zuckerberg oder auch Amazon-Gründer Jeff Bezos geredet und geschrieben wird, schwingt darin gerne eine gewisse Geringschätzung, zuweilen sogar Verachtung, für die Weltverbesserungs-Pläne der Internet-Entrepreneure mit. Google will den Automatisierungsgrad erhöhen, damit die Menschen mehr Freizeit haben? Vernichtet nur Arbeitsplätze. Zuckerberg will mit seiner Initiative Internet.org die ganze Welt vernetzen? Der will doch bloß überall Werbung verkaufen können. Amazon will Pakete mit Drohnen ausliefern? Mit Drohnen werden doch Kriege geführt! Und so weiter. "Ich glaube, sie reden ungewöhnlich negativ über uns in Deutschland", beklagt sich Page denn auch in der "Zeit".
Dabei wäre es - und das will Heuser offensichtlich ausdrücken - naiv und falsch, derartige Projekte als pures Marketing-Geschwätz abzutun. Wer einmal im Silicon Valley war, weiß: Wenn dort von der Verbesserung der Welt durch neue Technologien gesprochen wird, dann steckt darin viel Ernsthaftigkeit. Sehr viel. Dass ein Unternehmer dabei immer auch seinen eigenen Geschäftserfolg im Blick hat, ist selbstverständlich. Auch Daimler, Bayer und SAP leben nicht von Luft und Liebe, das aber nur nebenbei bemerkt.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Niemand fordert Jubelarien für die Projekte der Macher aus dem Silicon Valley. Im Gegenteil: Kritische Distanz ist in Zeiten, in den Google der Herr über die globale Internetsuche ist und
Facebook sich zur Newsplattform aufschwingt, nötiger denn je. Gerade das Thema Datenschutz gehört dabei immer und immer wieder auf die Agenda. Missionarischer Eifer ist dabei allerdings nicht angebracht, sondern eher reflektierte Nüchternheit. Auch dafür ist Heusers Text ein Beleg.
ire