Wie Gründer Mark Zuckerberg vor einer Woche in einem Facebook-Beitrag verkündete, sollen Nutzer des sozialen Netzwerks künftig mehr Beiträge von Freunden und Familie statt von Unternehmen, Medien und politischen Gruppen ausgespielt werden. Das wird aller Voraussicht nach dramatische Folgen für Medien und Marken haben, die einen Großteil ihres Traffics über Facebook beziehen. Ihnen wird nichts anderes übrig bleiben, als Geld für Anzeigen in die Hand zu nehmen. Doch es gibt auch einige alternative Lösungen, Reichweite zu generieren, meint Georg Loewen, Head of Marketing bei Selligent DACH. Welche das sind, verrät er in seinem Gastbeitrag auf HORIZONT Online.
Das waren noch Zeiten. Vor zehn Jahren erreichten Marketer mit Posts auf den Facebook-Seiten ihrer Brands noch ausnahmslos alle ihre Fans. Komplett ohne Bezahlung für Boosts oder kostenpflichtige Werbungen, sondern einfach durch die natürliche Reichweite der Seite, auch "Organic Reach" genannt.
Inzwischen ist alles anders und die natürliche Reichweite von Posts ist in den letzten Jahren enorm geschrumpft. Dafür sorgen die Algorithmen von Facebook. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2017 ging die durchschnittliche Zahl der Engagements pro Post von 340 auf 264 zurück (BuzzSumo) – und wir befinden uns ohnehin schon an einem historischen Niedrigstand.
Die Marketing-Agentur Oglivy sprach bereits im Jahr 2014 von "Facebook Zero", dem absoluten Nullpunkt für Organic Reach. Denn während Posts im Jahr 2012 noch rund 16 Prozent der Fans auf natürliche Weise erreichten, waren es 2014 lediglich 6,5 Prozent (Hubspot). Und die Talfahrt geht weiter: Seit 2016 bewegen wir uns unter 2 Prozent!
In Sachen rückläufiger Organic Reach ist Facebook nicht allein. Auch Instagram schraubt an seinen Algorithmen und viele Profi-Instagramer posten als Protest leere Bilder mit dem Hashtag #blank. Dabei wird immer deutlicher: Wer heute sein Social-Media-Publikum erreichen will, muss zahlen.
Damit müssen wir uns abfinden, aber es geht auch anders. Für alle Marketer, die ihre Social-Marketing-Budgets nicht zu sehr strapazieren möchten, kommen hier fünf Tipps für deutlich mehr Organic Reach auf Facebook – komplett kostenlos!
Die wichtigste Facebook-Regel lautet: Die Nutzer sollen bei ihrer Online-Session möglichst viel Zeit auf Facebook verbringen und die Seite keinesfalls verlassen
Georg Loewen, Selligent
1. Immer nach den Regeln von Facebook spielen
Wer Facebook lediglich zum Posten von Links zu Beiträgen auf dem firmeneigenen Blog nutzt und ansonsten kaum mit seinem Publikum interagiert, spielt nicht nach den Regeln von Facebook. Da sind Probleme mit der Reichweite – egal ob Organic Reach oder Paid Reach – bereits vorprogrammiert.
Denn die wichtigste Facebook-Regel lautet: Die Nutzer sollen bei ihrer Online-Session möglichst viel Zeit auf Facebook verbringen und die Seite keinesfalls verlassen. Genau deshalb "mag" die KI hinter dem Facebook-Algorithmus keine Posts mit externen Links und enthält sie Nutzern bewusst vor. Wer unbedingt verlinken muss, kann einen Kommentar direkt unter dem Post anfügen.
2. Qualität statt Quantität
Lange Zeit musste Content nicht unbedingt gut sein – nur eben "gut genug" für Facebook. Inzwischen ist das genau umgekehrt. Denn der Facebook-Algorithmus zeigt Nutzern bevorzugt Posts mit hohem Engagement, frei nach der Logik: Was möglichst vielen Nutzern gefällt, muss hohe Qualität aufweisen.
Schuld an der schwindenden Reichweite ist letztendlich auch die Tatsache, dass die Menge an Facebook-Content in den letzten zehn Jahren explosionsartig gestiegen ist. Der durchschnittliche News-Feed enthält inzwischen rund 1500 Storys. Daher zeigt der Algorithmus den Fans vorwiegend Posts mit vielen "Likes" und "Shares".
Analysieren Sie per Facebook Analytics, welche Posts Ihrer Seite am besten ankommen. Posten Sie weniger, aber besseren Content mit ansprechenden Headlines zu Tageszeiten, an denen Ihre Community am aktivsten ist. Somit steigern Sie das durchschnittliche Engagement Ihrer Seite – und Ihre Beliebtheit bei der Facebook KI.
3. Living on Video
Während der durchschnittliche Organic Reach in den Keller geht, widersetzt sich ein Format diesem Trend: Video Content sorgt nicht nur für extrem hohes Engagement, sondern erreicht mit durchschnittlich 525 "Likes" pro Post auch die höchste natürliche Reichweite (BuzzSumo). Vor allem Facebook-Live-Videos liegen im Trend und in den USA schauen 30 Prozent der Nutzer sie täglich (Edison).
Marketing-Budgets, die für Video-Inhalte verwendet werden, sind gut investiertes Geld
Georg Loewen, Selligent
Zwar setzen immer mehr Brands auf Video-Inhalte, aber momentan machen sie nur 10 Prozent der Gesamtinhalte auf Facebook aus. Hier sind Marketing-Budgets gut investiertes Geld. Denn wer es schafft, einen "Viral Hit" auf Facebook zu lancieren, kann kostenlos ein Millionenpublikum erreichen. Aber nicht vergessen: Das Video unbedingt direkt auf Facebook hochladen, denn ein YouTube-Video ist für den Algorithmus auch nicht mehr als ein externer Link.
4. Zielgruppe eingrenzen, Reichweite erweitern
Wer selektiv ein bestimmtes Publikum anspricht, erhöht damit ebenfalls seinen Organic Reach. Grundlage hierzu sollte eine genaue Analyse aller bislang auf der eigenen Seite geposteten Inhalte per Facebook IQ Zielgruppen-Insights sein. Welche Altersgruppen interagieren mit Ihren Posts? Welche Geschlechter? Aus welcher Region? Schauen Sie auch, welche Art von Nutzer Ihren Konkurrenten folgt.
Beim Posten neuer Inhalte können Sie per Facebook-Targeting Ihre ideale Zielgruppe definieren. Sie können auch über Audience Restriction bestimmte Nutzer ausschließen. So erreichen Ihre Posts bereits interessierte Nutzer, die viel wahrscheinlicher "Like" klicken und Posts teilen – genau das belohnt der Algorithmus.
5. Aktiv auf das Publikum eingehen
Neben dem Engagement von Fans mit Ihren Posts beobachtet die Facebook-KI auch genau Ihre eigenen Interaktionen mit Ihrer Community. Seien Sie also interaktiv und reagieren Sie auf Kommentare oder gelungene Gäste-Posts. Antworten Sie zeitnah auf Nachrichten und suchen Sie den Dialog mit den Fans.
Bitten Sie Fans auch darum, die Benachrichtigungs-Optionen für Ihre Facebook-Seite so einzustellen, dass neue Posts mit Präferenz im News-Feed erscheinen. Nutzen Sie weiterhin Synergien, indem Sie Partnerschaften mit Marken und Medien eingehen und gemeinsame Posts mit Tags Ihrer jeweiligen Seiten publizieren.
Etwas Fleißarbeit kann ihre Reichweite auch erweitern: Unter den "Likes" eines Posts können Sie genau sehen, welche Personen Ihrer Seite noch nicht folgen – und diese durch Klick auf einen Button auf die Seite "einladen". Sicher ist hundertmaliges Klicken auf einen Button nicht gerade spannend, kostenlose Reichweite hingegen schon.
Plan B: Facebook ist nicht alles!
Weiterhin lohnt es sich, angesichts der steigenden Kommerzialisierung von Publikumsreichweite in den sozialen Medien auch in die eigenen "Owned Properties" wie Marken-Websites und Blogs zu investieren.
Relevante Inhalte bringen langfristig Traffic auf Ihre eigenen Seiten – und zwar länger als der tagesaktuelle Newsfeed von Facebook. Weiterer Vorteil: Sie können im Gegenzug um die Kontaktdaten der Leser bitten oder zum Newsletter-Abo einladen.
Mit hervorragendem SEO finden Ihre Inhalte von ganz allein ein aufgeschlossenes Publikum, ohne zusätzliches Marketing-Budget. Denn Branding ist heutzutage ein dynamischer Prozess, bei dem die Kunden eine aktive Rolle spielen. Eine Rolle, die weit über das "Liken" von Facebook-Posts hinausgeht…