David Hein
Kommentar

Warum sich die Netflix-Konkurrenten bald warm anziehen müssen

Schon lange war die TV-Branche nicht mehr in derart heller Aufregung. Der Start von Netflix elektrisiert nicht nur Serienfans, sondern auch die Konkurrenz. In den USA hat der Streamingdienst den TV-Markt umgekrempelt und verzeichnet mittlerweile mehr Abonnenten als klassische Pay-TV-Anbieter wie HBO. In Deutschland trifft Netflix allerdings auf einen sehr schwierigen Markt - ein schneller Durchmarsch wird dem Anbieter hier nicht gelingen. Langfristig hat Netflix aber das Potenzial, auch die deutsche Fernsehlandschaft auf den Kopf zu stellen.
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Netflix ist auf nahezu allen digitalen Endgeräten verfügbar
Foto: Netflix
Netflix ist auf nahezu allen digitalen Endgeräten verfügbar
Den Video-On-Demand-Markt hat Netflix bereits vor dem Start ordentlich in Wallung gebracht: Sky hat den Preis für seine Online-Videothek Snap massiv gesenkt, Maxdome, die derzeit größte Online-Videothek in Deutschland, ihrem Angebot noch schnell einen frischen Anstrich verpasst und zahlreiche neue Serien eingekauft. Der Respekt vor dem neuen Konkurrenten ist offensichtlich  immens - und das zu Recht: In den USA hat Netflix mittlerweile mehr Abonnenten als der renommierte und mit Preisen überhäufte Pay-TV-Sender HBO; im vergangenen Quartal erzielte der Streamingdienst sogar erstmals höhere Abo-Einnahmen als der etablierte Anbieter. Netflix-Chef Reed Hastings sprach von einem "kleinen Meilenstein", verwies aber zugleich bescheiden auf die nach wie vor wesentlich höheren Gewinne von HBO. Allerdings macht die Meldung das enorme Entwicklungstempo des erst vor sieben Jahren gegründeten Unternehmens deutlich.

Der Respekt vor dem neuen Konkurrenten ist immens - und das zu Recht.
David Hein
Ist in Deutschland eine vergleichbar rasante Entwicklung denkbar? Müssen sich Maxdome, Videoload und womöglich sogar Sky jetzt warm anziehen? Vorerst dürfte noch eine leichte Windjacke ausreichen. Netflix trifft in Deutschland auf einen weltweit einmaligen TV-Markt, der sich durch eine sehr große Vielfalt frei empfangbarer TV-Sender auszeichnet. Sky kann ein Lied davon singen, wie schwierig es ist, GEZ-geplagte Zuschauer dazu zu bewegen, noch mehr Geld für ihr Fernsehprogramm auszugeben.

Pay-TV und Video-on-Demand fristen in Deutschland nach wie vor ein Nischendasein. Bei einer aktuellen Umfrage des Magazins "Neon" antworteten 68 Prozent der Befragten jungen Erwachsenen auf die Frage "Wie siehst du Filme und Fernsehen?": "Im Fernsehen". Erst 25 Prozent nutzen Mediatheken, 21 Prozent Streaming-Dienste und gerade einmal 16 Prozent Online-Videotheken. Befragt wurden wohlgemerkt junge Erwachsen zwischen 18 und 35 Jahren. Eine Umfrage des Branchenverbands Bitkom kam zu ähnlichen Ergebnissen: Nur rund jeder fünfte Internetnutzer sieht über On-Demand-Portale fern.

Der Anteil dürfte in den kommenden Jahren allerdings rapide steigen. Wer einmal die Vorteile des zeitunabhängigen und meist werbefreien TV-Konsums mit einem internetfähigen Smart-TV kennengelernt hat, will das flexible und ungestörte Fernseherlebnis nicht mehr missen. Im Gegensatz zu teuren Pay-TV-Paketen ist die Hemmschwelle bei Preisen von unter zehn Euro pro Monat zudem gering, Netflix & Co einfach mal auszuprobieren.

Der entscheidende Knackpunkt sind wie so oft die Inhalte. Zum Start ist das Angebot von Netflix naturgemäß noch etwas schwach auf der Brust - die Rechte an vielen attraktiven Inhalten sind für den deutschen Markt bereits vergeben. In wenigen Jahren wird Netflix die Vorteile seines globalen Geschäftsmodells allerdings auch in Deutschland voll ausspielen können, zumal das Unternehmen nicht nur auf den Einkauf von Lizenzmaterial angewiesen ist, sondern mittlerweile selbst Filme und Serien produziert - ein entscheidender Vorteil gegenüber hiesigen Anbietern wie Maxdome. Netflix hat bereits angekündigt, auch für den deutschen Markt eigene Serien zu produzieren, sobald man die hiesigen Sehgewohnheiten besser verstehe.

Im Gespräch mit dem "Spiegel" hat Netflix-CEO Hastings angedeutet, dass man zunächst kleinere Brötchen backen will. "Auch wenn wir Dritter oder Fünfter sind, ist das in Ordnung", so der Mitgründer des Unternehmens. Langfristig wird sich Netflix aber kaum mit weniger als der Marktführung zufrieden geben. "Wir brauchen etwa zehn Prozent der ans Internet angeschlossenen Haushalte in einem Land, um die Gewinnschwelle zu erreichen", sagte Hastings dem "Wall Street Journal". In fünf bis zehn Jahren will er in Deutschland so weit sein. Die Konkurrenz dürfte gut daran tun, sich schon mal einen dicken Pulli zurechtzulegen. dh



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