Dabei ist die neue Welt der digitalen Werbung gar nicht so kompliziert, wie sie zunächst aussieht. Lassen Sie uns Schritt für Schritt betrachten, was passiert.
Unsere durchschnittliche anonyme Verbraucherin – nennen wir sie einfach „Anna“ – sieht einen interessanten Link zu einem Artikel auf faz.net und beschließt ihn anzuklicken, um den Artikel zu lesen. Dadurch wird eine Vielzahl von Aktivitäten in Gang gesetzt, die alle innerhalb weniger Millisekunden geschehen.
Der Inhalt des Publishers wird in Annas Browser geladen. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich dort, wo die Anzeigen erscheinen werden, noch leere Flächen. Welches ist die beste Werbung für sie? Woran ist sie genau in diesem Moment am meisten interessiert? Welche Anzeigen wären interessant genug, dass für den Werbetreibenden die Chance auf eine erfolgreiche Conversion besteht? In unserem Beispiel haben wir es mit einer Top-Verbraucherin zu tun, der Viele ihre Werbung zeigen wollen. Doch es ist das System, das darüber entscheidet, ob jetzt eine gute Gelegenheit ist ihr eine Werbeanzeige zu zeigen. Aus Sicht des Publishers geht es darum, möglichst viel Geld damit zu verdienen, dass sich eine besonders gute Kundin wie Anna für ihn interessiert.
Doch was ist dafür der ideale Preis? Eine Ad Exchange eignet sich gut dafür, die Bedürfnisse von Käufern und Verkäufern von Werbung aufeinander abzustimmen, um den optimalen Preis zu ermitteln. Nach ein paar schnellen Berechnungen bietet die Nachrichtenwebseite die Impression einer Ad Exchange an. Und das alles passiert schneller, als Sie blinzeln können.
Die Ad Exchanges senden potenziellen Bietern eine Angebotsanfrage und eine Reihe von Informationen darüber, wie attraktiv ein bestimmter Verbraucher für sie ist: „Liebe Bieter, folgendes wissen wir über diese anonyme Verbraucherin, aufgrund ihrer Cookies und anderer Daten, die wir über sie besitzen. Zugang zu personenbezogenen Daten erhaltet ihr natürlich nicht, aber dennoch haben wir zahlreiche Informationen für euch. Sie verwendet die aktuelle Version von Firefox für Mac, sie benutzt momentan kein mobiles Gerät, dies ist die URL der Seite, die sie gerade lädt, und du kannst ihr ein schönes 300 x 250 Pixel großes Banner zeigen, falls dein Gebot hoch genug ist.“
Der Werbetreibende muss nun herausfinden, wie viel ihm Annas Aufmerksamkeit wert ist. Die Entscheidung jedes Bieters darüber, wie viel er bieten will, muss innerhalb von 100 Millisekunden erfolgen. Das ist nicht lang, und es werden im programmatischen Ökosystem diverse Technologien eingesetzt, um diese Entscheidung zu treffen. Die primitivsten Technologien – bzw. einfache Algorithmen – verwenden für die Entscheidung, wie viel geboten wird, in der Regel einen oder mehrere Faktoren. Zum Beispiel: „Wir bieten für jeden Automobil-Interessenten genau 15 $.“ Das ist zwar einfach, aber nicht besonders clever. Die komplexeren Entscheidungssysteme integrieren maschinelle Lernverfahren in den Bietprozess und berücksichtigen Elemente wie die folgenden:
Wie sich herausstellt, sind wir Anna bereits begegnet und wissen ein paar Dinge über sie, auf Grundlage ihrer anonymisierten Aktivitäten im Browser. Sie ist zwischen 20 und 30 Jahre alt. Sie hat sich kürzlich nach einem Auto der Einsteigerklasse umgesehen. Sie plant für Dezember eine Reise nach Portugal. Unsere lernenden Algorithmen rechnen diese und andere Faktoren mit ein, um für den Fall, dass wir Anna jetzt Werbung zeigen, die Erfolgswahrscheinlichkeit zu bestimmen. Dementsprechend wird dann die Höhe des Gebotes festgelegt. Vorgegebene Gebote gibt es nicht.
Die Anzeige, die den Zuschlag erhalten hat, ist für Anna ausgewählt worden, erscheint auf der Webseite, und Anna klickt auf die Anzeige
In unserer Zeitlupen-Version der Ereignisse haben wir gesehen, wie hunderte potenzielle Werbetreibende im Bruchteil einer Sekunde hunderte Entscheidungen getroffen haben, um zu bestimmen, welche Anzeige sie Anna zeigen wollen. In diesem Fall gibt es gute Nachrichten für den Werbetreibenden: Anna war guter Laune, als sie die Anzeige gesehen hat. In Kauflaune. Nachdem sie die Auto-Anzeige gesehen hatte, ist sie zum Autohändler gegangen und hat einen Kaufvertrag abgeschlossen – aus der Auto-Interessentin ist eine Neuwagenbesitzerin geworden. Dennoch sollten Sie daran danken, dass die meisten Anzeigen – egal wie brillant sie gemacht sind – einen Verbraucher wahrscheinlich nicht beim ersten Sehen überzeugen. Bereits im 19. Jahrhundert beschrieb Hermann Ebbinghaus die sogenannte Lernkurve, und die gilt auch für den Verbraucher.
Damals, zur Zeit der Mad Men (und eigentlich noch bis vor kurzem), dauerte es Monate oder sogar Jahre, bis eine Entscheidung darüber getroffen wurde, welche Anzeige ein Werbetreibender dem Verbraucher präsentieren sollte. Mit der heutigen programmatischen Werbung werden dieselben Entscheidungen binnen Millisekunden gefällt, Milliarden Mal am Tag, auf der ganzen Welt. Es ist eine Strategie, die der Mensch ganz buchstäblich nicht ohne Computer erledigen könnte – bis man eine Anfrage verstanden hätte, wäre es schon zu spät, noch dafür zu bieten.
Deshalb ist es so wichtig, unter die Haube zu gucken. Am Ende gewinnt immer der beste Algorithmus. Welche Ergebnisse eine programmatisch gekaufte Anzeige bringt, hängt fast ausschließlich davon ab, wie gut die Entscheidungen sind, die die Algorithmen treffen können.
Schauen Sie unter der Haube, bevor Sie sich für einen Partner entscheiden. So können Sie von vorneherein feststellen, wer Sie ans Ziel bringen wird und wer eher planlos unterwegs ist.