Volker Schütz
Kampf gegen Adblocker

Du hast keine Chance, aber nutze sie

Der Kampf gegen Adblocker erreicht mit der Blockade-Politik von Bild.de eine neue Stufe. Die Maßnahme ist aus Sicht von Axel Springer konsequent. Doch perspektivisch hilft gegen Adblocker nur ein neues Verständnis von Digitalwerbung.
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Es ist beschämend, aber für den Status von Digital-Deutschland wahrscheinlich bezeichnend, welche Software „Made in Germany“ weltweit am meisten Aufmerksamkeit erreicht: Zum einen ein Programm, das erkennt, ob sich ein Auto im Prüfmodus befindet. Zum anderen eine Anwendung, die ermöglicht, dass Menschen Online-Werbung ausblenden. Die eine Software sabotiert den Ruf deutscher Ingenieurskunst. Die andere ruiniert die Online-Werbeindustrie.


Es gab und gibt gut gemeinte Aufklärungskampagnen, in denen die Verlage die lieben Leser  über ihr Geschäftsmodell informierten und anregten, doch bitte keine Adblocker zu nutzen. Es gab harte juristische Auseinandersetzungen mit Marktführer Eyeo, die für die Medien und Vermarkter so endeten wie 2014 der Versuch Brasiliens, Weltmeister zu werden.


Nun greift Bild zu ganz harten Maßnahmen. Ab sofort stehen Leser vor der Entscheidung, Werbung auf Bild.de zu akzeptieren beziehungsweise den Adblocker auszuschalten, oder für den werbefreien Content zu bezahlen.


Das Ganze wirkt wie eine pädogische Verzweiflungsmaßnahme von Eltern, die ihrem widerspenstigen Kind Manieren beibringen wollen und dabei auch ans Taschengeld gehen.


Sie ist dennoch verständlich.

Der wirtschaftliche Schaden, der werbefinanzierten Websites durch Adblocker entsteht, ist immens. Rund 750 Millionen Euro, schätzt Seven-One-Media Geschäftsführer Thomas Port, gingen der deutschen Online-Werbeindustrie im Jahr 2013 verloren. Seitdem hat Untersuchungen zufolge die Adblocker-Nutzung rapide zugenommen.  Und der Vormarsch der Werbeverhinderer im mobilen Internet wird noch für weiteren Schaden sorgen.


Es wäre also fahrlässig von der betroffenen Branche, nicht mit allen verfügbaren Mitteln gegen Eyeo und Konsorten vorzugehen. Gilt also die Devise „Von Bild lernen heißt siegen lernen“? Klare Antwort: Nein.


Was Bild.de macht, können sich nur extrem starke publizistische Marken erlauben. Davon gibt es im deutschen Netz bei wohlwollender Betrachtung vielleicht mal eine Handvoll. Und auch bei der Superbrand aus dem Hause Axel Springer wird man genau beobachten müssen, wie sich Zugriffe und Besuche von Lesern, aber auch der Paid-Content-Umsatz und Werbeerlöse entwickeln.

Im Netz wird Bild.de wegen seiner Anti-Adblocker-Politik derzeit fürchterlich gedisst - doch die meisten Kommentatoren haben mit dem Axel-Springer-Medium auch vorher nichts anfangen können oder wollen.


Letztlich muss jedes Angebot genau für sich abwägen, ob der Schaden, der durch Werbeblocker entsteht, durch die Kombination von Blockade und Paid Content wettgemacht wird oder sich noch verschärft.


Mit Strafmaßnahmen alleine wird man allerdings  mit dem Problem nicht fertig werden. Adblocker sind keine Unsitte von undankbaren Kunden oder Werbehassern, die mit technischen, juristischen oder pädagogischen Kniffen behoben werden können. Sie sind – das hatte ich schon mal an anderer Stelle formuliert – ein kulturelles Phänomen. Sie lassen sich nicht mit Zuckerbrot und Peitsche – Imagekampagnen und nett formulierte Gutmensch-Ratschläge auf der einen Seite, Leseblockaden und Paid Content auf der anderen Seite – beheben.


Es hilft auf Dauer auch nicht, im stillen Kämmerlein oder Cora publico über die angeblich undankbaren  Verbraucher und Leser zu murren, die immer noch nicht kapiert haben, dass das Online-Geschäftsmodell nun einmal auf Werbeeinnahmen basiert.


Nicht die Nutzer liegen falsch. Sondern wir. Erfolgreiche Internet-Unternehmen haben alle eine gemeinsame Grundphilosophie, die man folgendermaßen beschreiben könnte: Wenn vielen Nutzern etwas an unserem Angebot missfällt, geben wir nicht den Kunden die Schuld, sondern versuchen unser Angebot so zu verbessern, dass es weniger Klagen gibt.


Auf Medien bezogen bedeutet das: Wir müssen uns überlegen, was man besser machen kann.

 

1. Bessere Werbung

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Der Großteil von Digital-Werbung ist einfach schlecht. Darüber können die jährlich vergebenen Awards und Lobeshymnen in Cannes und beim ADC auch nicht hinweghelfen. Wir wollen, dass weniger Menschen Adblocker nutzen. Dann muss  die Werbung – sowohl im stationären als auch im mobilen Internet – besser werden: kreativer, informativer, „relevanter“ (schreckliches Wort, muss hier aber rein).

Das klingt vielleicht ziemlich idealistisch.

Keine Werbegattung zeichnet sich dadurch aus, dass die Werbung mehrheitlich gut ist. Es gibt viel mehr schlechte Print-Werbung als gute (das wissen nicht nur die Spießer-Alfons-Fans). Es gibt viel mehr schlechte TV-Spots als gute. Doch nirgendwo ist die quantitative Diskrepanz zwischen guter und schlechter Werbung so eklatant wie im Digitalbereich. Kreation wird hier mehr und mehr zu schlecht bezahlten Commodity. Das  muss sich ändern – und hier sind Agenturen genauso gefragt wie die Vermarkter, aber auch die Auftraggeber, die vor lauter Big Data und Transparenz und Messbarkeit vergessen, wie wichtig gute Kreation ist.

 

2. Schnellere Werbung

Das Netz ist das Synonym für Geschwindigkeit. Vor allen Dingen mobil erwarten Menschen schnellen Zugang zu den Informationen, die sie suchen oder abrufen wollen. Menschen, die Adblocker nutzen, sind nicht per se Werbehasser aus Passion. Sie handeln im Gegenteil ziemlich rational: Jedes Kilobyte Daten, die auf das Smartphone übertragen werden müssen und mit dem eigentlichen Ziel der Abfrage nichts zu tun haben, stört den Informationssuchenden.


Der Grundgedanke von Facebooks viel diskutierten Instant Articles war nicht die Idee von Mark Zuckerberg, aus Facebook ein Medienunternehmen zu machen. Sondern die Erkenntnis, dass Nutzer von den Ladezeiten, die nach dem Klick auf ein Facebook-Snippet entstehen, genervt sind. Dabei handelt es sich um läppische sechs bis acht Sekunden.

Im Mobile-Universum ist das eine halbe Ewigkeit.

Nachdem Amazon-Gründer Jeff Bezos die „Washington Post“ übernommen hatte, war seine erster Maßnahme, die Ladezeit der Website zu minimieren.

Für Werbung heißt das: Sie muss nicht nur kreativ sein und den Menschen etwas sagen, sondern  vor allen Dingen auch schnell sichtbar sein. Umso wichtiger ist die Initiative von Google und den Verlagen, das mobile Internet mit Accelerated Mobile Pages schneller zu machen. Aus Google-Perspektive ist das eine Antwort auf Facebooks Mobile-Strategie. Aus Verlagsperspektive ist das ein Baustein, um Menschen vom Nutzen eines Adblockers abzuhalten.

 

3. Weniger Werbung

Die Anbieter müssen nicht nur in qualitativer Hinsicht (Kreation), sondern auch in quantitativer Hinsicht neu denken (auch HORIZONT muss neu denken). Displaywerbung hat stationär wie mobile nur dann eine Chance gegen andere Formen kommerzieller Kommunikation wie Content Marketing, Apps und Servicedienstleistungen, wenn man es in den nächsten Jahren schafft, dass Websites nicht mit Werbung „zugepflastert“ werden (um mal in den früheren Jargon der Außenwerber zu wechseln).

Weniger ist mehr, das muss die Devise für Vermarkter und Medien werden. Doch dieses weniger muss besser bezahlt werden – das sollte auch den Werbungtreibenden klargemacht werden.

Ja ich weiß, auch das mag idealistisch klingen, vor allen Dingen angesichts des Defätismus, den viele Beobachter (und Marktteilnehmer) beim Blick auf die Entwicklung der Werbepreise an den Tag legen.

Ich halte es lieber mit Herbert Achternbusch: „Du hast keine Chance, aber nutze sie.“

 

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