Katrin Ansorge
DuMonts Zeitungsprojekt "Xtra"

Verrückte Kölner

Wenn man ehrlich ist und Pessimist, dann gibt es in der deutschen Zeitungsbranche kaum mehr Nachrichten, die wirklich überraschen. Die Auflagenzahlen gehen, wie die IVW-Statistik gerade wieder bestätigt, größtenteils zurück, die Häuser bauen um und sparen, und wenn ein Verlag trotz allem einmal etwas Neues probiert, ist das Projekt bereits vor seiner Umsetzung zum Scheitern verurteilt.
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Gründe dafür gibt es reichlich. Entweder sind die Projekte nicht digital oder nicht innovativ genug. Und jetzt kommt das Kölner Traditionsunternehmen M. DuMont Schauberg. Setzt sich im Zuge seiner vom Vorstandsvorsitzenden Christoph Bauer angekündigten „digitalen Transformation“ hin und beschließt, eine wohl nicht ganz geringe Summe Geld einfach so aus dem Fenster auf die Amsterdamer Straße in Köln zu werfen. Weil es, offenbar getrieben von unternehmerischer Dummheit, sicher aber geleitet von grenzenloser Naivität, ab dem heutigen Donnerstag eine neue Tageszeitung (!) herausgibt, die am Nachmittag (!) vor allem von der Jugend (!) gelesen werden soll. Und das auch noch in einer Auflage von 40.000 Exemplaren. 


Ja verrückt – denn all das könnte man glauben, wenn man sich die ersten Reaktionen auf DuMonts „Xtra“ anhört. Muss man aber nicht. Denn natürlich ist das Projekt ambitioniert, der Erscheinungszeitpunkt unkonventionell, die angestrebte Wechselwirkung mit der sozialen Plattform „Kölle live“ vielleicht sogar utopisch.

Doch am unwahrscheinlichsten ist, dass MDS-Chef Bauer nicht weiß, was er tut. Er positioniert „Xtra“ in einer bislang unbesetzten Lücke am Nachmittag, lässt die jüngsten Mitarbeiter der „Express“-Redaktion für solche Leser schreiben, die er mit seinen klassischen Tageszeitungen kaum mehr erreicht, kombiniert das Beste aus dem eigenen Internetportal mit dem bekannten Mehrwert eines gedruckten Exemplars. Das Experiment, wie es DuMont bezeichnet, wagt der nicht gerade als zimperlich bekannte Medienmanager Bauer wohl nicht aus purer Leidenschaft heraus. Er tut es, weil er, genau wie im Übrigen auch Funke-Kollege Manfred Braun (ein Interview mit ihm lesen Sie in der aktuellen Print-Ausgabe von HORIZONT), weiß, dass sich mit bedrucktem Papier auch in der heutigen Zeit noch immer gutes Geld verdienen lässt. Verrückt, oder? kl




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