Was bleibt übrig nach zwei tollen Dmexco-Tagen in Köln? In den Podiumsdiskussionen wurde zielführend über Native Advertising, Programmatic Buying und Online-Werbewirkung diskutiert. In Gesprächen abseits des offiziellen Programms ging es darum, wie Mobile, Wearables, das Internet der Dinge und Unternehmen wie Uber die Welt verändern werden. Es verbreitet sich das Gefühl: Wir stehen vor einem weiteren drastischen Umbruch.
VERBOTEN steht für vieles, unter anderem für:
- das Verbot der Taxi-App Uber, womit der Wirtschaftswettstreit zwischen New Economy und Old Economy (Taxi-Industrie) verhindert wird
- die Digitale Agenda der Bundesregierung, in der zwar nichts verboten, sondern sogar ziemlich viel versprochen wurde.
Leider überwiegen lauwarme Absichtserklärungen - die Art und Weise, in der über Google, Facebook und andere globale Player diskutiert, oder besser gesagt gejammert wird. Jammern schwächt nicht die US-Giganten, sondern stärkt sie. Und verhindert den Aufbau einer eigenen selbstbewussten Internet-Industrie.
- das Leistungsschutzgesetz
- die Art und Weise, in der oft über erfolgreiche deutsche Start-ups oder Entrepreneure berichtet wird.
WILLKOMMEN steht, zumindest in dieser Woche, für die Dmexco in Köln. Erstmals seit dem Start vor sechs Jahren hatten sich in diesem Jahr manche Kritiker vorab geäußert: Wird die Messe zu groß? Erstickt das Event an seinem eigenen Wachstum? Kommen noch die richtigen Leute nach Köln? Finden die Veranstalter Frank Schneider und Christian Muche noch die richtigen Themen?
Die beunruhigende Nachricht: Die Anzahl der digitalen Säue (und der damit verbundenen Buzzwords) wird zunehmen.
Volker Schütz
Nein, die Messe ist nicht zu groß. Nein, sie erstickt nicht an ihrem eigenen Erfolg. Ja, es kommen die richtigen Leute. Und ja, Frank Schneider und Christian Muche (denen an dieser Stelle und auf diesem Weg Respekt für ihre tolle Leistung in den vergangenen Jahren gezollt werden soll) finden die richtigen Themen.
Dmexco: Die besten Bilder der After-Show-Party
Sicher: Wer einmal einen US-Top-Manager einer Mediaagentur gehört hat, hat wahrscheinlich alle gehört. Es geht immer um „Change“, „Opportunities“, „Big Challenges“ und „Consumer Insights“, Wörter aus einem geheimen Buzzword-Generator. Doch Gott sei Dank lieferte die Mehrzahl der 470 Redner mehr als eine Ansammlung von Schlagwörtern. Gott sei Dank hatte man bei 200 Stunden Programm reichlich Auswahl. Und Gott sei Dank waren die Aussteller auf drei Hallen verteilt.
Die Vorträge, die Debatten auf der Bühne und an den Ständen vermittelten zumindest mir das Gefühl, dass wir vor einer weiteren „Revolution“ stehen.
Volker Schütz
Als die Dmexco vor sechs Jahren mit rund 200 Ausstellern startete, kannte ich – geschätzt - 70 Prozent der Unternehmen. Von den 807 Unternehmen, die 2014 als Aussteller dabei waren, kannte ich die überwiegende Mehrheit nicht, geschweige denn, dass ich manchmal verstanden hätte, was der eine oder andere Dienstleister und Start-up eigentlich genau anbietet. Das wird vielen anderen Besuchern auch so gegangen sein. Muss man deshalb frustriert über das eigene Unwissen sein? Nein. Digitales Business neigt zu Komplexität und zu einer verwirrenden Fragmentisierung. Eine Komplexität, die mit dem Siegeszug von Mobile, massentauglichen Wearables, der Apple Watch und vielen anderen Devices noch dramatisch zunehmen wird.
Dmexco: Die Bilder vom ersten Tag der Digitalmesse
Umso wichtiger wird es für Marketing- und Mediaentscheider sein, sich genau zu überlegen, welche Tools, Plattformen und Mittel sie eigentlich einsetzen wollen.
„Reduce to the max“ ist die Devise, nicht „Ich will überall dabei sein“. So wie man heute nicht gezwungen ist, auf Instagram oder Snapchat aktiv zu werden, wenn man jüngere Zielgruppen erreichen will, ist ein Pharmaunternehmen künftig nicht gezwungen, eine Apple Watch-Health-App zu entwickeln, wenn man gesundheitsbewusste Manager erreichen will. Und: Digitales Business bedeutet lebenslanges Lernen – gerade, wenn man entscheiden können will, welche der digitalen Säue, die durchs Dorf getrieben werden, eigentlich aktuell sind.
Die Dmexco 2014 hat ausländischen Gästen – so wie seinerzeit die Fußball-Sommermärchen in Deutschland 2006 - das Gefühl vermittelt: Die Deutschen stehen gar nicht so auf VERBOTEN, wie das manchmal den Anschein hat.
Volker Schütz
Die beunruhigende Nachricht, zumindest für diejenigen, die der Meinung sind, es reiche jetzt langsam an Veränderung: Die Anzahl der digitalen Säue (und der damit verbundenen Buzzwords) wird zunehmen. Dmexco-Macher Muche hatte zur Eröffnung eindrücklich beschrieben,
dass „immer neue Devices immer neues Wissen erfordern, damit wir in Zukunft immer schneller und intelligenter handeln können". Unternehmen müssten deshalb ein „Start-up-Verhalten“ an den Tag legen, ein Verhalten und eine Kultur, die zumindest in Deutschland die meisten Unternehmen (noch) nicht vorweisen können.
Dmexco: Die besten Bilder vom zweiten Tag am HORIZONT-Stand
Damit nicht genug. Die Vorträge, die Debatten auf der Bühne und an den Ständen vermittelten zumindest mir das Gefühl, dass wir vor einer weiteren „Revolution“ stehen. BVDW-Chef Matthias Ehrlich ist kein Worthülsen-Akrobat oder jemand, der zu übergroßem Pathos neigt. Als langjähriger Chef des Onlinevermarkters United Internet Media hat er zahlreiche Umbrüche erlebt. Doch im Herbst 2014 sagt auch der alte Hase Ehrlich: „Wir stehen erst am Anfang eines ersten wirklichen Umbruchs – und werden noch viele Hypes erleben.“
Dieses Gefühl vermittelte die Dmexco abseits der offiziellen Vorträge in der Debate und Congress Hall. Above the Line, um ins Werbedeutsch zu wechseln, ist es das Verdienst der Dmexco 2014, Schlagwörter wie Programmatic Buying, Real Time Advertising und Native Advertising neu und ernsthaft aufzuladen, aber auch die Diskussionen über Online-Werbewirkung voranzutreiben und zu versachlichen. Below the Line wurde in den Ausstellungsgängen über die Explosion von Formaten spekuliert und über die Werbe-Möglichkeiten philosophiert, die Mobile und Wearables noch bringen werden. Auch Uber war Thema – gerade weil die Erkenntnis wächst, dass es sich dabei um keinen Einzelfall, sondern möglicherweise den Beginn einer grundlegenden Änderung eines Wirtschaftssystems handelt. In den Worten des BVDW-Präsidenten Ehrlich: „Typisch für die digitale Transformation sind disruptive Innovationen und Entwicklungen, die vorhandene Produkte und Dienstleistungen teilweise oder auch komplett verdrängen.“
So gesehen war die Dmexco 2014 ein globales Digitalevent einer Übergangszeit. Und hat ausländischen Gästen – so wie seinerzeit die Fußball-Sommermärchen in Deutschland 2006 - das Gefühl vermittelt: Die Deutschen stehen gar nicht so auf VERBOTEN, wie das manchmal den Anschein hat.