Die ersten beiden Folgen der hochgelobten RTL-Serie "Deutschland 83" haben am Donnerstag gerade einmal rund 3 Millionen Zuschauer vor die Bildschirme locken können – ein ernüchterndes Ergebnis angesichts der hohen Erwartungen an die Serie. Warum findet gutes Fernsehen in Deutschland oft kein Publikum? Die Sender tragen daran durchaus eine Mitschuld. Sie haben die Zuschauer über Jahre hinweg von gutem Fernsehen entwöhnt.
RTL hätte gewarnt sein können. Es gibt in der deutschen Fernsehbranche eine Faustregel: Gute Kritiken, schlechte Quoten. Vielleicht ist es auch eine Art vorauseilende Entschuldigung, wenn wieder mal ein ambitioniertes Projekt scheitert. Das Publikum tickt eben anders als Kritiker.
Im Falle von "Deutschland 83" hat sich die Regel wieder einmal bewahrheitet – leider. Über kaum eine deutsche Serie ist in den vergangenen Jahren im Vorfeld so viel berichtet worden, die Kritiken waren fast einhellig positiv. HORIZONT Online hat "Deutschland 83"
als "wichtigste Serie des Jahres" bezeichnet, Spiegel Online schrieb fast flehentlich
"Deshalb müssen Sie 'Deutschland 83' schauen". Geholfen hat es nichts.
Gerade einmal 3,2 Millionen Zuschauer haben die erste Folge eingeschaltet, bei der zweiten Folge sank die Zuschauerzahl auf 2,8 Millionen. Die biedere ZDF-Serie "Die Bergretter" versammelte zur gleichen Zeit 4,7 Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen. Wollen die deutschen Zuschauer nur Krimis, Realityshows und Comedy sehen? Haben Sie schlicht und einfach keine Lust auf gutes, auf anspruchsvolles Fernsehen?
Vermutlich ist es genau andersherum: Viele Zuschauer trauen speziell den großen Privatsendern kein gutes Fernsehen mehr zu. Seit Jahren füllen RTL, Sat 1 & Co große Flächen ihres Programms mit kostengünstig produzierten Realityformaten und Lizenzserien. Bei eigenproduzierten Serien haben die Privaten in den vergangenen Jahren fast ausschließlich auf Krimis, Ärzte und Comedy gesetzt – oder Kombinationen aus diesen Elementen. Ja keine Experimente. Wer anspruchsvolle Serien schauen will, ist längst zu Maxdome, Netflix & Co. abgewandert oder besorgt sich gleich DVDs.
Die Kommentare von Zuschauern zu den Quotenmeldungen vom Donnerstag sprechen Bände: "RTL ist doch auch selber schuld. Bei der sonstigen Grütze, die die sonst in Programm haben geht sowas unter....“, schreibt zum Beispiel ein Leser
bei DWDL. "Das ist kein Thema, wo ich erwarte das RTL das ordentlich aufarbeitet und [ich] würde daher dort nicht hinschalten, obwohl es ja gut sein soll", meint ein anderer.
Bedenklich ist auch, dass im Falle von "Deutschland 83" offensichtlich noch nicht einmal die große mediale Aufmerksamkeit für die Serie das Interesse bei einem breiteren Publikum wecken konnte. Oft erzielen neue Serien gerade zum Auftakt wegen des Neugiereffekts noch sehr gute Einschaltquoten und pendeln sich in den Wochen danach auf niedrigerem Niveau ein. "Deutschland 83" kam noch nicht einmal besonders gut aus den Startlöchern heraus. RTL kann jetzt nur noch darauf hoffen, dass sich herumspricht, dass es sich lohnt, einzuschalten und die Zuschauerzahlen wieder anziehen.
Zu hoffen ist auch, dass die Verantwortlichen in den Chefetagen und Redakteursstuben der Sender angesichts von Rückschlägen nicht den Kopf in den Sand stecken und weiterhin dafür kämpfen, Serien wie "Deutschland 83" zu ermöglichen. Vielleicht müssen sich einige Zuschauer erst wieder daran gewöhnen, dass es sich gelegentlich lohnt, auch mal wieder RTL oder Sat 1 einzuschalten. Dass sich der Mut zum Risiko lohnen kann, stellt Vox gerade mit "Club der roten Bänder" unter Beweis.
dh