Bild möchte seine Leser künftig noch schneller informieren – und ihnen dabei nur das bieten, was sie auch wirklich interessiert. Bild Buzz heißt die neue App, die Axel Springer gemeinsam mit dem Berliner Softwareentwickler Move Fast entwickelt hat. HORIZONT Online hat das Angebot einem ersten Test unterzogen.
"Personalisierung" ist in der Medienwelt derzeit eines der großen Buzzwords. Die Argumentation dahinter: In der riesigen Schwemme an Nachrichten, Bildern, Posts und Tweets wird es für die Leser immer schwerer, sich einen Überblick zu verschaffen und dabei die Inhalte herauszufiltern, die sie interessieren. Immer mehr Medien setzen daher auf personalisierbare Homepages oder Apps, um dem Leser Orientierung im Nachrichtendschungel zu bieten. So baute etwa die "New York Times" eine entsprechende Option bei ihrem Homepage-Relaunch ein, Facebook geht diesen Weg sowieso.
Nun also Bild.de. Eine Filterfunktion macht hier schon aufgrund der Masse an Inhalten Sinn. Springer verspricht, mit Bild Buzz "noch schneller und vor allem personalisiert rund um die Uhr auf Bild-Nachrichten und -Geschichten aufmerksam zu machen." Damit das auch funktionieren kann, muss der Nutzer beim ersten Öffnen der App etwas über seine Interessen preisgeben. Doch anstatt anzugeben, dass einen Sport, Politik und Wirtschaft interessieren, werden diverse Bild-Headlines eingeblendet und man muss anklicken, ob man diese interessant findet.
Die zur Auswahl gestellten Artikel haben Überschrfiten wie "Ribery schwärmt von Dortmunds Reus", "Polizei stürmte mein Haus wegen Katzen" oder "Aktuelle Umfrage: Frauen lieben den Blowjob". Oha. Allerdings handelt es sich hierbei nur um eine erste Orientierung für die App, Bild Buzz soll nämlich lernfähig sein und die gepushten Inhalte nach und nach dem Nutzerinteresse anpassen.
Es dauert in meinem Fall keine zehn Minuten, bis der erste Push eintrifft – und der interessiert mich in diesem Fall tatsächlich: Es ist die Meldung, dass die Polizei angeblich die beiden Mädchen ausgemacht hat, die von der verstorbenen Tugce verteidigt wurden. Das kann aber auch ein Zufallstreffer gewesen sein, denn noch weiß Bild Buzz einfach zu wenig von mir. Wie treffsicher die App tatsächlich ist, kann sich deshalb wohl erst nach einiger Zeit herausstellen. Wer nicht auf den nächsten Push warten will, kann die App auch selbstständig durchstöbern. Angezeigt werden dabei Artikel des laufenden Tages oder auch einige vom Vortag. Zur nächsten Nachricht gelangt man durch Wischen, Schütteln des Smartphones führt zum vorherigen Thema.
Manche Pushs sind relevant - andere weniger
Die Zahl der Pushs pendelt sich anschließend in meinem Fall bei etwa einem pro Stunde ein. Später bekomme ich unter anderem noch die Liste mit den "Hetzern des Jahres", den Nominierten für den Weltfußballer des Jahres oder die Nachricht über den massiven Wertverlust von Apple zugeschickt. Über die Relevanz der einen oder anderen Benachrichtigung lässt sich mit Sicherheit streiten - was möglicherweise mit den Nutzungsgewohnheiten der Leser kollidiert. Denn Push-Notifications sind in derzeit üblichen Nutzungsszenarien normalerweise für absolute Breaking News vorgesehen.
Doch auch wenn Bild Buzz deutlich mehr Pushs verschickt als beispielsweise Spiegel Online: Das zunächst befürchtete Bombardement bleibt aus. Was auch daran liegen könnte, dass die für einen Push infrage kommenden Themen von der Redaktion ausgewählt werden. Der Algorithmus entscheidet lediglich, welcher User welche Nachricht zugeschickt bekommt.
Die App dürfte eher dazu geeignet sein, Hardcore-Leser zu binden, als neue zu gewinnen.
Ingo Rentz
Fazit: Die Lektüre – auf Bild.de ohnehin eine recht fixe Angelegenheit – vollzieht sich noch schneller. Ein großes Leseerlebnis stellt sich auf diese Weise nicht ein, das ist bei Bild aber auch gar nicht vorgesehen. Es soll in erster Linie flott gehen. Dabei hilft auch
die Schnell- bzw. Vorlese-App Spritz, die standardmäßig in Bild-Buzz-Artikeln erscheint. Die Bild-Buzz-Erfahrung spricht wohl in erster Linie gewohnheitsmäßige Bild-Leser an. Die App dürfte daher eher dazu geeignet sein, Hardcore-Leser zu binden, als neue zu gewinnen. Ob Springer sein Ziel, Nicht-Bild-Lesern einen neuen Zugang zu dem Nachrichtenangebot der Zeitung zu verschaffen, auf diese Weise erreicht, ist somit fraglich.
Ebenfalls unklar ist, wie die Integration von Bezahlinhalten von den Usern aufgenommen wird. Springer hat angekündigt, dass Bild Buzz in Zukunft verstärkt auf Bild Plus-Inhalte hinweisen soll. Gelingt es wirklich, neue Leser mit der App anzulocken, verprellt man zumindest die Bezahlunwilligen unter ihnen womöglich schnell wieder, wenn sie bei allzuvielen Artikeln an die Bezahlschranke stoßen. Das wird sich allerdings erst noch zeigen müssen.
ire