Warum klickt eigentlich (fast) kein Mensch auf Online-Banner? Dariusch Hosseini, Managing Director bei Exponential Interactive Deutschland, glaubt die Antwort auf die Frage zu kennen. Wie er in seinem Gastbeitrag für HORIZONT Online schreibt, sollte die User Journey bei Online-Kampagnen viel stärker berücksichtigt werden.
Es gibt eine Zahl, die mich nachts nicht schlafen lässt: 0,02 Prozent. Würde man sagen, es bestünde eine 0,02-prozentige Chance, dass etwas Bestimmtes eintritt, würde man das für höchst unwahrscheinlich halten und gar nicht groß darüber nachdenken. Tatsächlich jedoch ist diese kleine Zahl in unserer Branche eine ganz wichtige: die durchschnittliche Click-Through-Rate für Display-basierte Online-Werbung liegt oft nur bei 0,02 Prozent. Obwohl diese Zahl recht niedrig ist, sagt sie viel aus über die Verbraucher, die unsere Klienten mit Milliardenausgaben auf sich aufmerksam zu machen versuchen. Was sagt uns das? Ganz einfach: Keiner hat Lust, Display-Anzeigen anzuklicken.
Warum also ist diese Zahl so niedrig? Was, wenn überhaupt, macht die Branche falsch? Liegt es vielleicht an der Kreativität? Sind wir womöglich nicht in der Lage, Onlinewerbung zu gestalten, die so gut ist, dass man sie anklicken möchte? Wir alle kennen genügend abschreckende Beispiele für schlechte Kampagnen, doch angesichts der Tatsache, dass schon früher das Ausschneiden von Gutscheinen responsive Werbung war, müssen wir doch annehmen, dass Werber wissen, wie man potentielle Kunden mobilisiert. Mangelnde Kreativität ist es wohl nicht.
Liegt es daran, dass wir mit unseren Anzeigen vielleicht nicht die richtige Zielgruppe ansprechen? Ganz sicher nicht. Das hat unsere Branche mittlerweile derart perfektioniert, dass es schon fast unheimlich ist. Es gab nie bessere Mittel, um eine Zielgruppe nach Interessen, Verhalten, Kategorie und Kontext zu segmentieren und anzusprechen.
Könnte es also sein, dass unsere Zielgruppe Banner schlichtweg nicht sieht? Ja, das könnte schon sein! Schließlich sind die Probleme in Bezug auf Visibilität bestens dokumentiert: S
chon 2013 stellte eine von Infolinks herausgegebene Studie fest, dass 86 Prozent der Verbraucher von „Banner Blindness“ betroffen sind. Ebenfalls aus dem Jahr 2013 stammt die Studie „The Power of Creation“ des BVDW, die nachweist, wie sehr Wahrnehmung, Wirkung und Kreation zusammenhängen. Doch daran allein kann es nicht liegen. Woran liegt es dann? Wenn wir doch ansprechende Creatives entwickeln und dafür sorgen, dass sie für eine qualifizierte Zielgruppe gut sichtbar auf einer Seite platziert sind, was haben wir dann nur übersehen, dass wir häufig kaum über 0,02 Prozent hinauskommen?
Die Antwort ist ganz einfach. Oftmals vergessen wir, wo sich der Verbraucher auf seiner Reise, der sogenannten User Journey, gerade aufhält, und berücksichtigen das zu wenig.
Bei der Nutzung digitaler Medien will der Nutzer vor allem eins: Kontrolle. Wenn Nutzer sich dafür entscheiden, eine Seite aufzurufen, liegt es nahe, dass sie genau dorthin wollten; und jede Taktik, den Nutzer von diesem Ort wegzulocken, kann nur scheitern. Beziehungsweise, es ist überhaupt nicht nötig.
Denn digitale Werbung ist über die letzten Jahre zunehmend intelligenter geworden. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl an Formaten, mit denen wir ein Markenerlebnis schaffen können, das Konsumenten nicht nötigt, von ihrem Wege abzuweichen. Wie sieht die Umsetzung in der Praxis dann aus? Die wichtigsten Elemente einer Website lassen sich problemlos direkt in eine digitale Anzeige einsetzen (durch interaktive Pre-Roll, Engagement Formate im Display, mobil), die der Nutzer innerhalb des Raums, der Seite bzw. auf seiner Reise sehen kann.
Und wir müssen auch nicht mutmaßen, ob das dem Nutzer überhaupt recht ist – die Zahl spricht schließlich für sich. Wir bei Exponential Interactive können sehen, dass unsere Engagement-Units über 4 Prozent Aufmerksamkeit wecken. Bei den maßgeschneiderten interaktiven Formaten werden Videos eher bis zu Ende angesehen; Galerien durchgeklickt und Spiele gespielt; und das vielleicht Interessanteste ist: Die Interaktionsrate ist deutlich höher als Click-Through-Raten von Standardformaten auf dem gleichen Anzeigenplatz. Der ganze Aufwand, der veranstaltet wird, nur um Nutzer auf Webseiten zu locken, lässt sich viel einfacher lösen, wenn die User Journey, die Reise des Benutzers, bedacht und respektiert wird.
Die User Journey spielt in der Planung digitaler Medien, insbesondere bei Display-Werbung, noch eine zu kleine Rolle. Diese User Journey zu verstehen – was Nutzer beim Verweilen auf einer Seite erwarten, wie sie Werbung präsentiert bekommen möchten und wie man sie am ehesten zu einer Interaktion motiviert, entscheidet über den Erfolg oder Misserfolg jeder Kampagne. Eine Click-Through-Rate von 0,02 Prozent sollte man also durchaus ernst nehmen.
Kleine Änderungen im kreativen Prozess und Anzeigenaufbau können für Werber unzählige Probleme lösen. Wir brauchen Formate, die das User Engagement respektieren. Diese Formate müssen den Konsumenten ansprechen, den Zugang zur Marke eröffnen und zur Interaktion auffordern. Die simple Verwendung eines TV- Spots reicht nicht aus und ist auch nicht mediengerecht. In Verbindung mit interaktiven Elementen wird der TV-Spot erst online-fähig und nur so nutzt eine Kampagne die ganze Kraft dieses Medium aus. Nur so erreichen wir interessantere, auf Nutzer fokussierte Creatives. Die IAB beschreibt Engagement oder Kundengewinnung als „Aktivitäts- und Erfahrungsspektrum in der Verbraucherwerbung – kognitiv, emotional und physisch – das sich positiv auf eine Marke auswirkt“. All das kann man Kunden bieten, ohne sie gleich von ihrem jeweiligen Online-Erlebnis wegzureißen. Geht man noch einen Schritt weiter, dann ist es am besten, wenn ein Werbemittel über alle Kanäle exakt gleich aussieht. Das erleichtert es der Werbeerinnerung, am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu wirken.
Was für unsere Kunden und deren Marken am besten ist, ist oft auch das Beste für Nutzer im digitalen Raum – ein Erlebnis, das nützlich und lohnenswert ist und nicht ihren natürlichen Weg unterbricht. Und das klingt schon ganz anders als Click-Through.