+ Sportbusiness-Veteran Axel Achten

"Die größte Veränderung im Sport? Der Stillstand"

Axel Achten - hier im Jahr 2016 auf einem Presse-Event - war 17 Jahre lang DSM-Geschäftsführer
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Axel Achten - hier im Jahr 2016 auf einem Presse-Event - war 17 Jahre lang DSM-Geschäftsführer

Axel Achten hat von 1999 bis 2016 die Geschäfte der Deutschen Sport Marketing geführt, der exklusiven Vermarktungsagentur des Deutschen Olympischen Sportbundes. Im Interview blickt er auf die aktuellen Entwicklungen - und sagt was dabei falsch läuft.

#PAYWALLHerr Achten, Sie haben das hiesige Sportbusiness fast zwanzig Jahre lang aktiv mitgestaltet. Was war die größte Veränderung, die der Sport erlebt hat? Für mich ist die größte Veränderung der Stillstand. Und das meine ich so, wie ich es sage. Es gibt einfach zu wenig Weiterentwicklung in vielen Bereichen des Sports, sei es bei Sportstätten, bei Angeboten an Kinder oder die Bedeutung des Sports für die Gesellschaft stärker hervorzuheben. Wir haben es zum Beispiel bis heute nicht geschafft, das Thema Gesundheit konzeptionell mit Sport zu verbinden. Das wäre für eine alternde Gesellschaft wie die unsere eine enorm wichtige Aufgabe. Sport ist zwar keine Garantie dafür, gesund zu bleiben – aber es steigert die Wahrscheinlichkeit in hohem Maße.Die gesellschaftliche Rolle des Sports wird ja aber durchaus betont: Die Begriffe Purpose und Haltung haben doch Hochkonjunktur. Das ist aber nichts Neues, zumindest in dem Umfeld, aus dem ich komme. Im Olympischen und Paralympischen-Bereich hatten wir viele Unternehmen, die genau aus diesem Grund Sponsoring-Partnerschaften eingegangen sind: Um eine gewisse Haltung zu transportieren. Das ist die gute Seite von Engagements. Zur Person: Axel Achten hat die Arbeit der Deutschen Sport Marketing (DSM) seit 1999 geprägt. Der ehemalige Lufthansa-Marketer hat die exklusive Vermarktungsagentur des olympischen Sports in Deutschland in ganz neue Höhen befördert, indem er namhafte Partner wie seinen ehemaligen Arbeitgeber, Edeka und die Sparkassen-Finanzgruppe als Sponsoren gewinnen konnte. Bereits 2005 erkannte HORIZONT ihm für seine wirtschaftlich und inhaltlich erfolgreiche Arbeit bei der DSM den HORIZONT Sportbusiness Award zu. Am 31. Dezember 2016 verabschiedete sich Achten in den Ruhestand. Ich hätte schwören können, Sie nennen als größte Veränderung die Digitalisierung. Aber genau die findet ja nicht wirklich statt. Wir lassen hierbei einfach zu viele Chancen liegen. Das gilt nicht nur, aber auch für den Sport. Es gibt zwar viel Social Media Aktivitäten, aber keine digitale Vernetzung und Verknüpfung von Bereichen wie Administration, Kommunikation, Handel, Vermarktung etcetera. Genau darin liegt doch die Chance der Digitalisierung: Bislang getrennt agierende Bereiche zusammen zu führen um so für Synergieeffekte beziehungsweise Mehrwerte zu sorgen.Die Corona-Krise hat in vielen Bereichen einen Digitalisierungsschub gebracht. In erster Linie aber hat sie dafür gesorgt, dass viele Vereine und Verbände an den Rand des Ruins geraten sind. Machen Sie sich Sorgen um die Sportlandschaft in Deutschland? Im Prinzip hat die Corona-Krise die Situation noch verstärkt. Es gibt weiterhin zwei Ebenen im deutschen Sport: Den professionellen Bereich, der substanzielle Einnahmen generiert und gute Gehälter zahlen kann. Und den Breitensport, der bis auf wenige Ausnahmen immer schon extrem großen Druck hat, sich finanziell nachhaltig aufzustellen.Nun, auch im professionellen Bereich besteht derzeit die reale Gefahr von Insolvenzen. Das ist einfach zu erklären: Professionelle Sportvereine wirtschaften unter den gleichen Bedingungen wie normale Unternehmen. Nehmen Sie den Tourismus oder die Luftfahrtbranche: Die Margen sind hier extrem eng gestrickt, dass die kleinste Unwucht einen schon aus der Kurve trägt. Im Sport ist das häufig nicht anders. Hinzu kommt: Die meisten Clubs sind wirtschaftlich auf Kante genäht und geben oft genauso viel aus, wie sie einnehmen – wenn nicht sogar mehr. Mehr zum Thema Oliver Lang / Sandra Then Sportsponsoring "Jeder Club ist in einer absoluten Krisensituation" Die Vereinigung der Sportsponsoring-Anbieter (VSA) macht derzeit die schwerste Zeit seit ihrer Gründung vor acht Jahren durch. Geschäftsführerin Inka Müller-Schmäh und der neue Vizepräsident Frank Bohmann erläutern im Interview die aktuellen Herausforderungen der Rechtehalter. ... Bei der Corona-Krise kann allerdings nicht von einer kleinen Unwucht die Rede sein. Die vergangenen Monate haben doch gezeigt, dass selbst Multimillionen-Unternehmen wie Fußballvereine ins Straucheln geraten. Dann antworte ich mal ketzerisch: Jetzt erlebt der Spitzensport, was der Breitensport schon seit Jahrzehnten durchmacht. Nämlich wie schnell es finanziell eng werden kann. In Sportarten, in denen nicht viel Geld verdient wird, lebt man seit ewigen Zeiten mit allerlei wirtschaftlich bedingten Einschränkungen. Der Grund dafür ist aber kein Virus. An dieser Situation sind die Verantwortlichen ein Stück weit auch selbst schuld.Inwiefern? Ich habe schon zu meiner aktiven Zeit oft beklagt, dass es im Breitensport keine Visionen, Strategien oder Ideen gibt, um etwas zu verändern. Die Strukturen sind so eingefahren, dass man kaum etwas tun kann, um die Voraussetzungen für Wachstum zu schaffen. Nehmen Sie die bereits angesprochene Digitalisierung: Hier könnte man mit vergleichsweise wenig Aufwand moderne Strukturen einziehen, um neue Erlösquellen zu erschließen.Welche Gründe gibt es aus Ihrer Sicht für diese Verkrustung der Strukturen? Fehlender Wille, fehlender Mut und wahrscheinlich auch mehr… Unsere Strukturen können in vielen Fällen den Bedürfnissen der Sport treibenden Menschen gar nicht mehr gerecht werden. Damit meine ich etwa die Frage, wann und wo trainiert wird. Ich kann als Berufstätiger nicht so einfach um 16 oder 17 Uhr auf dem Trainingsplatz stehen. Das führt auch dazu, dass sich immer mehr Menschen in Fitness-Studios einschreiben. Weil sie dort flexibler Sport treiben können. Jetzt erlebt der Spitzensport, was der Breitensport schon seit Jahrzehnten durchmacht. Nämlich wie schnell es finanziell eng werden kann. Axel Achten Hier müsste Corona doch für Fortschritte gesorgt haben. In meinem Verein zum Beispiel haben wir während des Lockdowns Online-Trainings absolviert. Richtig, aber das haben alle gemacht, die klassische Vereinswelt ebenso wie die Fitness-Studios. Gut so.Vereine sind die Basis, in denen das Fundament für Spitzenleistungen gelegt wird. Wird diese Basis hierzulande vernachlässigt? Sagen wir so: Die breite Basis orientiert sich offensichtlich anderweitig. Nur ein Beispiel ist der Skisport: Der Deutsche Skiverband hat knapp 650.000 Mitglieder. In Deutschland fahren aber 10 Millionen Menschen Ski, Langlauf, Snowboard. Was für eine Diskrepanz!Vielleicht liegt das auch daran, dass wir generell nicht mehr so gerne in Vereine eintreten. Das mag sein, aber auch dafür gäbe es Lösungsansätze. Man könnte beispielsweise virtuelle Mitgliedschaften vergeben, bei der die Mitglieder vielleicht einen oder zwei Euro zahlen, aber dafür eine Plattform nutzen können, auf der man etwa auf Trainingsinhalte, Dienstleistungen oder aktuelle Angebote zugreifen kann. Auch gegen Bezahlung. Mehr zum Thema William Iven/Pixabay S20-Report Diese Trends werden das Sportsponsoring prägen Dass die Corona-Pandemie in vielen Bereichen die Digitalisierung vorantreibt, ist inzwischen eine Binsenweisheit. Die Sponsorenvereinigung S20 wollte es dann doch etwas genauer wissen und hat untersucht, welche Trends im Sportsponsoring derzeit erkennbar sind - und wie die Branche diese Trends bereits aufgreift. ... Dass viele Vereine und Verbände wirtschaftliche Schwierigkeiten haben, liegt doch auch daran, dass der Fußball hierzulande Aufmerksamkeit und Geld aufsaugt. Warum ist das Ihrer Meinung nach so? Es gibt in der Gesellschaft und auch bei Unternehmen die Neigung, sich auf die Seite der großen Gewinner zu stellen. Die Folge ist, dass man dann doch lieber der x-te Fußball-Sponsor wird, als als in weniger öffentlichkeitswirksame Bereiche zu gehen. Das sorgt für eine gewisse Elitenbildung – die meisten Unternehmen verdienen ihr Geld aber gar nicht mit den Eliten, sondern mit Frau und Mann auf der Straße.Auch in anderen Sportarten gibt es hierzulande viele Gewinner. Warum schafft es trotzdem niemand, die Dominanz des Fußballs zu durchbrechen? Da sehen Sie mich selbst ein Stück weit ratlos. Fußball ist bei uns die Zuschauersportart Nummer eins, das kann man nicht wegdiskutieren. Diesen Status hat sich der Fußball über die Jahre erarbeitet. Ändern könnte man das wahrscheinlich nur, indem man regulativ eingreift und den anderen Sportarten mehr Sichtbarkeit und Öffentlichkeit gibt. Auch ohne Quoten.Oder man müsste irgendwie dafür sorgen, dass nicht mehr so viel Geld in den Fußball fließt. Das sehe ich aus marktwirtschaftlicher Sicht nicht. Ich glaube, die anderen Sportarten müssen sich einfach noch intensiver der Frage widmen, wie sie attraktiver für die Breite, den Zuschauer und Sponsoren werden können. Es gibt in der Gesellschaft und auch bei Unternehmen die Neigung, sich auf die Seite der großen Gewinner zu stellen. Die Folge ist, dass man dann doch lieber der x-te Fußball-Sponsor wird, als als in weniger öffentlichkeitswirksame Bereiche zu gehen. Axel Achten Wir haben jetzt fast nur über Geld geredet. Ist Sport eben doch ein Produkt? Ich halte diese Beschreibung in Teilen für zutreffend. Es kommt aber darauf an, was man daraus macht. Man kann den Sport auch so vermarkten, dass nicht der Eindruck einer reinen Kommerz-Veranstaltung entsteht. Wir haben im Olympischen und Paralympischen Umfeld deswegen immer versucht, den Schwerpunkt auf inhaltliche Partnerschaften zu legen. Wenn man keinen gemeinsamen Inhalt findet, passt man auch nicht zusammen. Reine Logo-Präsenzen hingegen sind von ihrem Nutzen her limitiert. Ich habe allerdings über die Jahre immer wieder erfahren müssen, dass Sponsorings nicht wirklich evaluiert wurden, weil man sonst realisiert hätte, dass es gar nicht passt.Wie kann das sein? Alle reden doch davon, dass sich das Sponsoring immer mehr professionalisiert? Das Manko liegt hier vielfach auf Unternehmens- und auf Sportseite. Mein Credo war immer: Man braucht hier keine Sponsoring-Experten, sondern Marketing-Experten. Denn die wissen, wie ein Unternehmen tickt und können die Marketing- und Vertriebsstrategien mit den passenden Sponsoringengagements in Verbindung bringen. In der Agenturlandschaft wiederum sind die Geschäftsmodelle vieler Marktteilnehmer darauf ausgelegt, möglichst große Abschlüsse zu erzielen. Der Markenfit steht dabei oft hinten an.Lassen Sie uns mit einem Mutmacher schließen. Nelson Mandela hat einmal gesagt: Sport hat the Power to change the World. Die Kraft dafür hat der Sport auf jeden Fall – ob es dann auch in die Realität umgesetzt wird, steht auf einem anderen Blatt. Wenn ich von den klassischen Werten des Sports ausgehe, und die dann auch wirklich in der Breite gelebt werden, dann hat der Sport eine sehr, sehr große Bedeutung. Deswegen finde ich es auch wichtig, dass der Sport nicht nur auf der obersten Ebene wirkt, in den Eliten, sondern an der Basis: In den Elternhäusern, Schulen, Vereinen. Das ist Kärrnerarbeit.Interview: Ingo

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