Soundprofessor Carl-Frank Westermann

"Die Telekom betreibt Klang-Imperialismus"

Carl-Frank Westermann warnt Markenartikler davor, sich ohne Not von einem eingeführten Soundlogo zu trennen
WeSound
Carl-Frank Westermann warnt Markenartikler davor, sich ohne Not von einem eingeführten Soundlogo zu trennen
Wie sollte eine Marke klingen? Das weiß kaum jemand so genau wie Carl-Frank Westermann, in der Branche auch als "Soundprofessor" bekannt. Seit vielen Jahren hilft er Markenartiklern dabei, eine akustische Identität zu finden – zunächst als Creative Director der Agentur Meta Design, seit 2011 als Inhaber seines eigenen Berliner Unternehmens WESOUND. Auch beim Deutschen Medienkongress gibt’s was von Westermann auf die Ohren – man darf sich auf inspirierende Aha-Effekte freuen. Was gutes Audio-Branding ausmacht, verrät er vorab im Gespräch mit HORIZONT.
Teilen
Herr Westermann, Sie werden am Morgen des zweiten Kongresstags für ein akustisches "Wake Up" sorgen. Der Titel: "SENSEation: SOUND ON THE RUN". Was darf man sich darunter vorstellen? Da ich die Gäste gemeinsam mit meinem Kollegen Sebastian Fuchs überraschen will, kann ich noch nicht viel verraten. Nur so viel: Wir wollen mit einer ungewöhnlichen und unterhaltsamen Performance zeigen, was Sound bewirken kann. Wir präsentieren das Spektrum der auditiven Kommunikation im Markenkontext. Dabei wird unter anderem Alexa eine Rolle spielen, so viel sei verraten.

Der Boom der Personal Assistants dürfte ja dafür sorgen, dass der akustische Auftritt für Marken deutlich wichtiger wird. Klopfen deshalb schon mehr Kunden bei Ihrer Agentur WESOUND an? Ja, das Interesse steigt. Weil mittlerweile deutlich wird, dass Audio ein großes, sich ständig erweiterndes Potenzial hat. Der Einsatz von Stimme, Geräuschen und Musik hat so viele Vorteile – nehmen Sie allein den Zeitfaktor: Wenn Sie auf Ihrem iPhone eine Mail verschickt haben, hören Sie wahrscheinlich dieses "Wuuusch!"-Flug-Geräusch. Damit erkennen Sie sofort, dass die Mail verschickt wurde, ohne Mithilfe eines visuellen Signals. Damit wird in der Kommunikation ein Schritt gespart. Dass Audio auf dem Vormarsch ist, sehen Sie übrigens nicht nur an Alexa, Siri & Co, sondern auch an der wieder steigenden Beliebtheit von Podcasts. Damit ist quasi nichtlineares Radio möglich, und nicht nur Radiosender erkennen die Möglichkeiten, ihre Kommunikationskanäle um dieses Medium zu erweitern.

Deutscher Medienkongress 2019
Der 11. Deutsche Medienkongress findet am 22. und 23. Januar 2019 in der Alten Oper Frankfurt statt. Das zweitägige Branchentreffen liefert News, Trends und Inspiration von Unternehmenslenkern, Querdenkern und kreativen Köpfen aus Unternehmen, Medien und Agenturen. Einer der Höhepunkte der Veranstaltung ist die Verleihung des HORIZONT Award an die Männer und Frauen des Jahres 2018. Alle Informationen gibt es auf der Website des Deutschen Medienkongresses. Der Normalpreis für die Teilnahme beträgt 1399 Euro. Ab dem dritten Teilnehmer eines Unternehmens gibt es 50 Prozent Rabatt. Die Anmeldung berechtigt gleichzeitig zum kostenfreien Besuch des HORIZONT Award. Veranstalter des Deutschen Medienkongresses 2019 sind HORIZONT und dfv Conference Group.
Wo sollten Markenartikler denn mit dem Audio-Branding starten? Brauchen sie ein Soundlogo wie die Telekom? Das Telekom-Soundlogo ist nach wie vor das Erste, das vielen Rezipienten einfällt. Die Telekom betreibt damit seit 1994 Klang-Imperialismus – niemand bekommt seitdem die kurze Klangfolge wieder aus dem Kopf. Um diesen Verbreitungsgrad zu erreichen, wurde über Jahre ein entsprechend großes Budget verwendet. Das Telekom-Soundlogo ist für unsere Arbeit Fluch und Segen zugleich: Zum einen hat es die Unternehmen dafür sensibilisiert, wie mächtig Audio-Branding sein kann. Zum anderen hat es den "Hörblick" sehr verengt: Alle wollen "so etwas wie die Telekom". Eine Sound-Identität benötigt aber wie im visuellen Auftritt mehr als nur ein Logo! Daher sollte möglichst ein umfassendes akustisches Erscheinungsbild für alle Sound-Kanäle vorliegen.

Die da wären? Es fängt beim Klang an, mit dem sich eine Autotür schließt, es ist die Stimme, die Seitenbacher authentisch als Marke prägt, es ist die Musik, die Produktwelten kenntlich macht, bis hin zu dem clever verwendeten "Plopp" beim Öffnen einer Flasche Flensburger Pilsener. Wir Sound-Berater fragen als Erstes nach den Bereichen, in denen eine Marke bereits Audiosignale aussendet – von der Telefonwarteschleife über die Sounds beim Bedienen der Produkte bis hin zu Musik, Stimme und Klang-Effekten im Werbespot. Diese gilt es stimmig derart zu optimieren, dass ein eigenes, wiedererkennbares Sound-Gewand in Erscheinung treten kann. Dabei sind es oft die kleinen Elemente, die mich faszinieren. Wir haben zum Beispiel für die Marke Manner ein Soundlogo entwickelt, das mit dem Glockenklang des Stephansdoms in Wien endet – wohl wissend, dass sich dieser seit über hundert Jahren als Abbildung auf der bekannten rosa Schnitten-Verpackung befindet.
Eine Sound-Identität benötigt wie im visuellen Auftritt mehr als nur ein Logo!
Carl-Frank Westermann
Das Soundlogo sollte also nach Möglichkeit einen Inhalt transportieren, der mit der Marke zu tun hat? Genau. * Ein Soundlogo kann so zu einer wertvollen Visitenkarte für die Marke werden. Umso schlimmer ist es, wenn man sich ohne Not davon verabschiedet, wie es BMW 2010 getan hat. Nach 15 Jahren wurde der "Doppel-Gong" im BMW-Soundlogo abgelöst. Dabei war dieser so bekannt, dass er noch Jahre danach in Umfragen für das aktuelle Soundlogo gehalten wurde. 

In Zukunft soll Künstliche Intelligenz auch beim Audio Branding helfen – indem etwa Algorithmen errechnen, welche Musik oder welche Klänge am besten zu bestimmten Markenassoziationen passen. Was halten Sie davon? Wir führen zurzeit ebenfalls ein Forschungsprojekt zu diesem Thema durch. Es geht um die Frage, wie sich Markenwerte in Klänge transferieren lassen. Ich begrüße solche Ansätze, weil sie zu einer Versachlichung der Diskussion mit dem Kunden führen. Denn häufig gehen Entscheider auf Kunden- oder Agenturseite noch davon aus, dass die Auswahl von Musik ohnehin rein subjektiv erfolgt und bringen dann ihre persönlichen Vorlieben ein. Es gibt durchaus objektive Kriterien für die Wirkung von Musik und Klang. Letztlich kann aber eine KI-Musik-Software nur die Vorarbeit für das relevante auditive Spektrum leisten, welches zur Marke passt. Ganz am Ende entscheidet bei einer konzeptionell gewichteten Vorauswahl dann zu Recht das Gespür der Markenverantwortlichen – das schafft Identifikation nach innen und macht die Marke nach außen hörbar glaubwürdig.

Interview: Klaus Janke

* In einer früheren Version des Interviews stand noch folgender Satz: "Ich habe 2005 – damals war ich noch Creative Director bei der Agentur Meta Design – das Soundlogo für die Lufthansa entwickelt: vier Töne, die eine aufsteigende Melodie ergeben – vergleichbar mit einem abhebenden Flugzeug." Mit diesen Formulierungen ist Herr Mark Ziebarth, einer der drei Komponisten des Lufthansa-Soundlogos, nicht einverstanden. Da HORIZONT sich nicht in die inhaltliche Auseinandersetzung der Parteien einmischen möchte, haben wir diese Passage gestrichen.



stats