Medienwirksamer Markenraum: Mit insgesamt 3.281 Quadrocoptern platzierte das koreanische Unternehmen Genesis seine Botschaft.
Als denkbar größte Leinwand erfährt der Nachthimmel seit geraumer Zeit neue Bedeutung für die Markenkommunikation. Unbemannte Flugobjekte erobern hier neue Sphären.
Ein Szenario wie aus einem Science-Fiction-Roman: Ein Pärchen schaut verträumt in den Nachthimmel, versucht die einzelnen Sternbilder zu identifizieren, bleibt beim Gürtel des Orion hängen und entdeckt plötzlich ... ein Pepsi-Logo.
Kurze Werbeunterbrechung!
Klingt absurd? Ist es irgendwie auch, aber wenn es nach dem Skolkovo Institute of Science and Technology (Skoltech) und dem Moscow Institute of Physics and Technology (MIPT) geht, dann sind wir von "Space Billboards" nicht mehr weit entfernt: Laut einer ihrer Studien ist es wirtschaftlich nämlich durchaus denkbar, das All als Werbefläche zu nutzen. In einem Artikel der Zeitschrift "Aerospace" kommen die Forschenden zu dem Schluss: "So unrealistisch es auch erscheinen mag – wir zeigen, dass Weltraumwerbung auf der Basis von 50 oder mehr in Formation fliegenden Kleinsatelliten ökonomisch sinnvoll sein könnte."
Dafür spricht, dass Raketenstarts heute viel billiger sind als früher, dass kostengünstige Cubesats eingesetzt werden können und dass der Weltraum selbst für Unternehmer und Wissenschaftler leichter zugänglich geworden ist. Kritiker halten (zu Recht) dagegen: Lichtverschmutzung und noch mehr umherkreisender Weltraumschrott erschweren nicht nur astronomische Forschungen, sondern bringen auch irdische Probleme mit sich ...
Technisch wäre die Mission jedoch schon heute möglich: Die würfelförmigen Minisatelliten mit einer Kantenlänge von etwa 20 bis 30 Zentimetern und einem Gewicht von 20 Kilogramm sind mit sonnenreflektierenden Segeln ausgestattet und können trotz ihrer Entfernung von 500 Kilometern auf einer sonnensynchronen Umlaufbahn von der Erde aus als sichtbare Pixel wahrgenommen werden – ähnlich wie bei Drohnenshows, nur eben etwas weiter weg ...
Der finanzielle Aufwand für eine ein- bis dreimonatige Inszenierung im Weltraum liegt bei rund 65 Millionen US-Dollar, einschließlich aller Kosten für die Cubesats, den Start und die erforderliche Technik. Da die Marketingmaßnahme allerdings in mehreren Regionen gleichzeitig sichtbar wäre, rechnen die Experten mit einem Ertrag von 2 Millionen US-Dollar pro Tag. Demnach würden sich die Kosten für den Einsatz bereits innerhalb eines Monats amortisieren.
Auch wenn sich das Himmelsspektakel also mittlerweile wirtschaftlich zu lohnen scheint, stellt sich dennoch die Frage nach der Sinnhaftigkeit. Klar: Die "Orbital Displays" sind – abstrakt betrachtet – eine logische Weiterentwicklung der Drohnen-Licht-Shows, die seit einigen Jahren unseren Himmel als Markenraum nutzen. Auch hier jagt ein Superlativ den nächsten: Der aktuelle Weltrekord liegt bei 5164 gleichzeitig fliegenden Drohnen und einer Performancedauer von 26,26 Minuten.
Die Drohnen flogen nicht über eine freie Fläche, sondern um die markante Elbphilharmonie.
Was 2012 erstmals die Besuchenden des Ars Electronica Festivals in Linz begeisterte, 2017 als Untermalung von Lady Gagas Auftritt in der Halbzeitpause des Super Bowls in den USA enormes Aufsehen erregte, 2018 bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Pyeongchang seine damalige Perfektion erreichte und mittlerweile von unzähligen Unternehmen genutzt wird, um ihre Botschaften in den Nachthimmel zu schreiben, hat sich als probates Marketinginstrument etabliert. Egal, ob bei Großveranstaltungen wie Sportevents, Expos, Messen, Festivals und Stadtfesten oder bei Firmenjubiläen, Produktpräsentationen, Launches und PR-Events: Drohnen-Shows führen uns mit faszinierenden, gigantischen Bildern vor Augen, wie erinnerungswürdige Momente zur Markenbindung beitragen können.
Dabei fliegen die Drohnen nicht nur atemberaubende Choreografien, sondern haben gegenüber Feuerwerken einige Vorteile vorzuweisen: Sie sind im Gegensatz zu Pyrotechnik wiederverwendbar und bieten im Vergleich eine deutlich höhere Sicherheit für Mensch, Tier und Umwelt, da sie weder Feinstaubbelastung noch größere Lärmbelästigung erzeugen. Darüber hinaus bieten Drohnen-Shows neue Möglichkeiten des Storytellings: Dank der präzise steuerbaren Formationen lassen sich nicht nur statische Motive und unterschiedliche Schriftzüge generieren, sondern auch dynamische 3D-Objekte, mit denen die Geschichte einer Marke individuell und wirkungsvoll frei im Raum erzählt werden kann.
Ausgestattet mit leistungsstarken LED-Modulen, programmiert mit einer speziellen Software (jede Drohne hat ihren eigenen Bewegungs- und Beleuchtungsablauf) und gesteuert von einem zentralen Computer, sind die leichten Flugroboter aus Kunst- und Schaumstoff vielseitig einzusetzen – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Musikalische Elemente, ergänzende Lichteffekte und Inszenierungen am Boden machen die Performance schließlich zu einem ganzheitlichen Erlebnis, das alle Sinne anspricht und definitiv Aufmerksamkeit für die (Marken-)Botschaften schafft. Instagrammability inklusive.
Zahlreiche Marken aller Couleur haben sich den Nachthimmel bereits zu eigen gemacht – meist einhergehend mit einem Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde: Bis Mai 2021 hielt etwa der koreanische Automobilhersteller Genesis den Weltrekord für die meisten gleichzeitig in der Luft befindlichen "Unmanned Aerial Vehicles" (UAV): Mit insgesamt 3281 Quadrocoptern platzierte das Unternehmen seine Markenbotschaft, Historie und Designphilosophie prominent über dem Huangpu-Fluss in Schanghai und feierte damit seinen offiziellen Markteintritt in China.
Und auch für den fünften Geburtstag der Hamburger Elbphilharmonie wurde vom niederländischen Studio Drift eigens ein Lichtkunstwerk konzipiert: "Breaking Waves". Mit rund 300 Drohnen gilt die Performance derzeit als eine der aufwendigsten Installationen, die je in Deutschland zu sehen war. Dabei tauchten die beleuchteten Flugobjekte das ikonische Gebäude in ein Wellenspiel aus Licht und machten zum zweiten Satz des Klavierkonzerts von Thomas Adès die Wechselwirkung von Wasser und Musik sichtbar.Spektakulär ist diese Drohnenshow jedoch leider auch aus einem anderen Grund: Nach der Premiere wurden weitere Termine wegen Sicherheitsbedenken durch "aggressive Fremdeinwirkung im Luftraum" abgesagt. Dennoch können wir sicher sein, dass die publikums- und medienwirksamen Lichtinszenierungen, die ihren Ursprung in der Medienkunst hatten, auch in Zukunft zum festen Repertoire der (Marken-)Kommunikation im Raum gehören werden: Innovative Ansätze hinterlassen bei potenziellen Zielgruppen immer einen bleibenden Eindruck und bringen Marken so einen unschätzbaren Nutzen.
Und vorerst wird uns der Himmel gewiss auch weiterhin als Display für dynamische Pixel beziehungsweise als grenzenlose Bühne zur Verfügung stehen. Ob diese Art der Inszenierung jedoch den Weltraum erreichen wird, bleibt abzuwarten – vielleicht gibt es erst einmal nachhaltigere Ansätze, 65 Millionen US-Dollar zu investieren ...
Janina Poesch