Florian Haller eröffnet den 15. Innovationstag
Was wäre ein Innovationstag ohne den „Knaller von Haller“, wie Moderator Wolfram Kons formuliert? Doch so klein (ohne Hut) sah man Florian Haller garantiert noch nie. Bei der 15. Ausgabe des alljährlichen Branchenevents, den die Münchner Agentur Serviceplan in ihrem Haus der Kommunikation veranstaltete, zauberte sich der Gastgeber und Serviceplan-Hauptgeschäftsführer ins gedruckte Konferenz-Programm.
Per Augmented Reality konnten die rund 400 geladenen Entscheider aus Marketing und Medien beobachten, wie ein winziger Haller die Programmpunkte vorstellte. Harry Potter lässt grüßen, auch die Referenten winkten und lächelten dabei freundlich aus dem Programm heraus. Ein Real-Life Praxisbeispiel, was digitale Transformation heute vermag. Denn um Transformation geht es den ganzen Tag, hier im Münchner Haus der Kommunikation. Es ist das Motto des 15. Innovationstages.
Florian Haller auf wenige Zentimeter geschrunpft
Transformation beschäftigt derzeit nicht nur Unternehmen und Gesellschaft, auch Europa ist derzeit gewaltigen Umbrüchen ausgesetzt. Man denke nur an den Brexit, die Flüchtlingskrise und den zunehmenden Rechtsruck, den Europa gerade erlebt. Nicht zu vergessen die Digitalisierung, bei der Europa das Hase- und Igel-Spiel gegen Ost und West gleichermaßen zu verloren haben scheint. Dass Europa dennoch die innovative Kraft und die richtigen Werte hat, „um bei der Gestaltung der digitalen Zukunft eine entscheidende Rolle als Gegenpol zu China und den USA zu spielen“, davon ist Viviane Reding überzeugt. In ihrem Vortrag zum Thema „Transforming Europe“ machte die Ex-Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Mut. „Europa ist stark. Und was uns stark macht, ist unser Binnenmarkt. Es ist ein Machtinstrument, wenn man versteht, es einzusetzen."
Und Europa versteht es zunehmend, glaubt Reding, in die Nische zu springen, die beispielsweise Trump durch Aufkündigung von Handelsabkommen geschaffen hat. Mehr und mehr könne Deutschland hier auch seine Werte diktieren. „Datenschutz“, sagt Reding, sei unabdingbarer Bestandteil jeden Abkommens. Die viel gescholtene DSGVO ein Erfolg. „Wie war das vorher?", erinnert Reding: „Unternehmen mussten eine ganze Armada an Juristen beschäftigen, um Geschäfte im Binnenmarkt tätigen zu können.“ Reding ist überzeugt: Europa wird auch die Herausforderungen der Digitalisierung meistern.
Transforming Business
Diesen Herausforderungen haben sich Philipp Morris, McDonald‘s und Sixt bereits gestellt. Unter dem Titel „Transforming Business“ präsentieren die drei Unternehmen, wie sie ihr Geschäftsmodell in den letzten Jahren umgestellt hatten. Den gewaltigsten Umbruch hat zweifellos Philipp Morris durchlaufen. Der größte Tabakkonzern mutiert zum Nichtraucherunternehmen. „Es war kein Kodak-Moment“, sagt Scheib. Mit immer noch 38 Prozent Marktanteil handelt das Unternehmen aus einer Position der Stärke heraus.
Sozialer Druck, neue Wettbewerber außerhalb der Tabakbranche, gesetzliche Vorgaben und sich ändernde Konsumentenverhalten - noch laufen die Geschäfte gut, aber das wird sich ändern bei Philip Morris, das sich mit der E-Zigarette Iqos derzeit selbst kannibalisiert und ein neues Geschäftsfeld aufbaut. „Das ist die radikalste Veränderung, die wir jemals als Konzern durchgemacht haben, und sie betrifft alle Unternehmensebenen", sagt Scheib: das Produkt (Elektronik statt Tabak), ebenso wie die Marke – man verabschiedet sich mit Marlboro von 82 Prozent Milliarden Markenwert und die Gesellschaft: „Früher mussten wir uns rechtfertigen, für unseren Konzern zu arbeiten. Jetzt werden wir zum Innovationstag eingeladen.“ Fundamentale Änderungen gibt es auch bei Vertriebswegen (online und Flagstores – statt Automaten). Besonders der Onlinevertrieb treibt auch die Digitalisierung voranm sagt Scheib: „Wir müssen uns heute mit Tools und Daten beschäftigen, das kannten wir in der Form nicht.“
So ähnlich war das auch bei McDonald's. „Gibt es etwas analogeres als Essen und Trinken?“, fragt Susan Schramm, CMO bei McDonald’s. Der größte Fast-Food-Konzern baut all seine Standorte in „Restaurants der Zukunft“ um. Hier gibt es Tischservice, das Essen soll frisch zubereitet werden und man kann seine Burger individuell an Bestellcomputern zusammenstellen. Vor einem Jahr brachte der Konzern eine neue App heraus, mit der man erstmals Essen mobil bestellen konnte. Zudem setzt der Konzern auf eine Personalisierung des Angebots.
Dass Daten das Gold des 21. Jahrhunderts sind, hat sich auch bei McDonald’s herumgesprochen. „Früher haben wir den Besucher klassifiziert: ,Er war da', heute wollen wir mehr über ihn wissen und das Angebot zunehmend auch auf ihn zuschneiden." Ende März hat McDonald‘s deshalb das israelische Start-up Dynamic Yield gekauft. Kerngeschäft des Unternehmens ist es, Daten mithilfe künstlicher Intelligenz auszuwerten. „In Sachen Personalisierung stehen wir noch am Anfang. Aber wir haben sehr vieles vor“, verspricht Schramm.
Das hat zweifellos auch Sixt. Auf dem Innovationstag präsentiert Robin Ruschke, Senior Vice President Global Brand Strategie and Communications das neue Mobilitätskonzept. „Wir standen schon immer dafür, den Menschen die Mobilität so einfach wie möglich zu machen.“ Genau dieses Prinzip verfolgt Sixt nun konsequent weiter: Der bayerische Autovermieter legt seine drei Geschäftsfelder Sixt Rent, Sixt Share und Sixt Ride zusammen. Über eine App bekommen Kunden übergreifend Zugriff auf alle Angebote des Unternehmens. „Wir lösen den Unterschied zwischen Autovermietung und Carsharing auf“, sagt Ruschke.
Carsharing allein sei nur ein Nischenmarkt, 1,1 Milliarden stark, die Autovermietung dagegen habe ein Marktvolumen von 58 Milliarden Dollar, Taxi und private Mitfahrgelegenheiten sogar von 285 Milliarden Dollar. Sixt bietet seinen Kunden alle drei Dienste auf einer einzigen App. "Unser Ziel ist ganz klar, Fahrzeuge überall auf der Welt anzubieten, egal auf welchem Weg“, sagt Ruschke. Aus diesem Grund sei Sixt Share auch eine offene Plattform, an der sich Mobilitätsanbieter jeder Art andocken können.
Transforming the Customer Journey
Jeff Lunsford, CEO von Tealium, wird das gerne hören. „Es ist wichtig, alle Daten in einer übergreifenden Plattform zu sammeln und auszuwerten“, wirbt er für sein eigenes Unternehmen, den Tealium bietet genau solch ein Lösung an. Auf dem Innovationstag zeigt er, wie solch eine 360-Grad-Sicht auf den Costumer für Unternehmen funktioniert hat. Epson etwa habe konsequente Auswertung von Daten die Conversion Rates verachtfacht. Die Hotelkette Barcelo ihre Erlöse vervielfacht. Wie das genau vonstatten ging, verrät der Tealium-CEO zwar nicht, dafür aber die Grundsätze im Umgang mit der Customer Journey. Zu aller Anfang: alle Daten zu einer 360 Grad Sicht vereinen. Das aber bitte schön, so Lunsford in Echtzeit. Und Daten müssten selbstverständlich nutzbar für Machine Learningsein. Und frei von Silos verfügbar im ganzen Unternehmen.
Transforming Relationships
Der Wandel der transatlantischen Beziehungen sowie seine Konsequenzen für die Zukunft, das ist erst mal ein harter Brocken, mit dem Friedrich Merz nach der Mittagspause die Besucher konfrontiert. Da ist viel von den sich verändernden Gleichgewichten die Rede: Dem zwischen dem Norden und Süden Europas, wenn Großbritannien tatsächlich die EU verlässt. Und dem in USA, wenn sich alles immer mehr in die Richtung der Wähler bewegt, die dem politischen Establishment kritisch gegenüberstehen und deshalb auf Alternativen wie Trump verfallen. Beides hat immense Auswirkungen für Deutschland und Europa, die nun aufwachen müssten, fordert Merz. Handelsabkommen schließen, auf die richtigen Allianzen setzen und vor allen Dingen, selbst Verantwortung übernehmen. Bringt er sich mit seiner ebenso feurigen wie tiefgründigen Rede in Kanzler-Positur? So denkt Moderator Wolfram Kons laut. Merz lächelt: „Lassen Sie Ihrer Phantasie freien Lauf. Diese Frage kann aus strategischen Gründen nicht heute hier in München beantwortet werden.“
2 neue Formate
Zeit für die Innovation Break. Zum 15. Jahrestag haben sich die Initiatoren neue Formate einfallen lassen. Bei den „Trend Tables“ vermittelten Serviceplans Tochteragenturen tiefere Einsichten zu Purpose Driven Marketing, Sprachassistenten, KI und ähnlichen Megatrends. Bei den „Speaker Meet-Ups“ konnten jeweils bis zu 20 Teilnehmer mit Google-Evangelist Frederik G Pferdt, Ex-EU-Kommissarin Viviane Reding, CDU-Vordenker Friedrich Merz und ESL-Gründer Ralf Reichert CEO tiefer in die Vortragsthemen eintauchen.
Transforming Sport
Mit Ralf Reichert ging es auf der Bühne direkt sportlich weiter, nicht auf dem Rasen oder der Tartanbahn, sondern an der Spielkonsole. Die einstige Nerd-Nische Gaming hat sich als „E-Sport“ zum globalen Medienphänomen entwickelt. Mit Sponsoring, dem Verkauf der Übertragungsrechte und Abo-Modellen werden Millionenumsätze erzielt und immer mehr Unternehmen machen sich den Gaming-Boom zunutze. Einige Fakten gefällig? 2,5 Milliarden Gamer gibt es auf der ganzen Welt und 454 Millionen Fans. Der durchschnittliche E-Sportler ist jung (zwischen 18 und 34), zu 70 Prozent männlich, mehr als jeder Dritte kauft ein Produkt, das bei einem ESL Event promoted wird. Ob es dann gleich für einen Mercedes reicht? Der Autohersteller gehört jedenfalls zu den First Movern, die sich im E-Sports engagieren. Weitere werden folgen, ist Reichert überzeugt: „Ohne Gaming wird es künftig keinen Marketing Mix mehr geben.“
Transforming Organizational Culture
Wer auch in Zukunft am Markt erfolgreich sein will, braucht eine hohe Innovationskraft – und um diese langfristig zu gewährleisten, eine adäquate Unternehmenskultur. Frederik G. Pferdt erklärt, wie erfolgreiche Innovationskulturen in Unternehmen entstehen. Das ist eigentlich ganz einfach, so Google’s Chief Innovation Evangelist: „Keine Monotonie einkehren lassen! Wenn man immer an denselben Ort zurückkehrt, immer mit denselben Menschen spricht, bleiben auch die Denkweisen und Ideen immer dieselben. Andere Dinge tun, andere Orte besuchen, mit anderen Menschen sprechen, aus der Routine ausbrechen - das erzeugt Neues.“ Und sich dabei immer wieder neue Fragen stellen, Dazu aber bedarf es einer Atmosphäre der psychologischen Sicherheit“, ermahnt Pferdt die anwesenden Manager: „Um neue Dinge auszuprobieren, muss man sich sicher fühlen, darf keine Angst haben, seine Meinung einzubringen. Genau das unterscheidet ein produktives, innovatives Team von einem nicht produktiven.“