Der Begriff "Zigeuner" ist eine alte Sammelbezeichnung für verschiedene Volksgruppen, die sich wohl von Indien aus vor allem über Südosteuropa verbreiteten. Der Zentralrat der in Deutschland vor allem lebenden Volksgruppen Sinti und Roma
nennt den Begriff "eine von Klischees überlagerte Fremdbezeichnung der Mehrheitsgesellschaft, die von den meisten Angehörigen der Minderheit als diskriminierend abgelehnt wird". Auch im öffentlichen Sprachgebrauch wird der Begriff so empfunden.
In der Küchentechnik wird der Begriff "Zigeunersauce" bereits seit mehr als 100 Jahren verwendet. Im Nachschlagebuch für die klassische Küche von Escoffier ist er schon 1903 zu finden. Er bezeichnet eine würzige, scharfe Sauce mit stückigen Einlagen und wird heute in der Regel aus Tomaten hergestellt, häufig mit Paprika, Zwiebeln, Essig und Gewürzen. Traditionell verbindet der Verbraucher die Sauce mit der Geschmacksrichtung ungarisch und scharf. Nach Angaben von Sinti und Roma entstammt die Sauce nicht ihrer Küche.
Der Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma begrüßte die Entscheidung. "Es ist gut, dass
Knorr hier auf die Beschwerden offenbar vieler Menschen reagiert", sagte der Vorsitzende Romani Rose der Zeitung. Ihm selbst bereite allerdings der wachsende Antiziganismus in Deutschland und Europa größere Sorgen. "Für den Zentralrat sind vor diesem Hintergrund Zigeunerschnitzel und Zigeunersauce nicht von oberster Dringlichkeit." Viel wichtiger sei es, Begriffe wie "Zigeuner" kontextabhängig zu bewerten, "wenn etwa in Fußballstadien "Zigeuner" oder "Jude" mit offen beleidigender Absicht skandiert wird".
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Die Diskussion über den Produktnamen "Zigeunersauce" wird schon seit Jahren geführt. 2013 hatte
Knorr eine Umbenennung noch abgelehnt. Auch der Zentralrat hatte damals vor einer dogmatischen Sprachregelung gewarnt und es abgelehnt, bei der Benennung der Sauce "Zigeuner" etwa durch "Sinti und Roma" zu ersetzen. Die generelle Debatte über diskriminierende Begriffe wird im Zuge der Rassismusdiskussion nach dem Tod des schwarzen US-Amerikaners George Floyd in den vergangenen Monaten wieder heftiger geführt.
dpa