PR-Gau

Seehofers Rückkehrer-Kampagne geht nach hinten los

Mit diesem Plakatmotiv wirbt das BMI für die freiwillige Rückkehr.
Twitter / @AStA_ASH_Berlin
Mit diesem Plakatmotiv wirbt das BMI für die freiwillige Rückkehr.
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) hat sich zur Vorweihnachtszeit etwas ganz Besonderes einfallen lassen, um möglichst viele Flüchtlinge möglichst elegant aus dem Land zu bekommen: eine Werbekampagne, die mit einer Sonderprämie für Ausreisewillige wirbt. Allerdings kommen die entsprechenden Plakate bei vielen Menschen gar nicht gut an. Aus gutem Grund. Ein neuerliches PR-Desaster für Bundesinnenminister Horst Seehofer bahnt sich an.
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"Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt" lautet die Headline der Plakate, die in sieben verschiedenen Sprachen - Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch, Russisch, Paschtu und Farsi - verfasst sind. Die gesamte Tonalität erinnert sehr an einen Winterschlussverkauf beziehungsweise an die marktschreierischen Angebote von Versicherungen, schnell noch zum Jahresende zu kündigen, um Geld zu sparen. Zurecht fragen sich viele, ob das die richtige Art und Weise ist, mit so einem sensiblen Thema umzugehen. In den vergangenen Tagen haben nicht nur Medien und Politiker die umstrittene "Rückkehrer"-Kampagne aufgegriffen. Auch in den sozialen Medien tobt ein Sturm der Entrüstung.

freiwillige rückkehr

Deutliche Kritik kommt unter anderem von den Grünen: "Die jüngste Kampagne des Bundesinnenministeriums hat den Charakter einer Winterschlussverkauf-Aktion und ist zynisch", erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Kon­stantin von Notz gegenüber der Berliner Morgenpost. Die Kampagne verfolge "offensichtlich das Ziel, die eigenen Versäumnisse zu kaschieren und noch kurz vor Jahresende die bislang sehr niedrigen ­Zahlen von Menschen, die freiwillig wieder ausgereist sind, aufzupolieren."

Erklärfilm Freiwillige Rückkehr - Deutsch

Auf der weltweit agierenden Plattform für Online-Aktivismus Change.org läuft seit mehreren Tagen schon eine Petition gegen die Kampagne unter dem Motto "Weg mit #RückkehrWerbung des BMI!". Facebook-User haben die Berliner Bevölkerung zudem dazu aufgefordert, die Plakate zu übermalen beziehungsweise mit Streetart zu "verschönern". Auch auf Twitter machen viele ihrem Unmut über die Kampagne Luft, für die das BMI übereinstimmenden Presseberichten zufolge rund eine halbe Million Euro investiert. Welche Agentur die Plakate gestaltet hat, war bislang nicht herauszubekommen. Das Ministerium ließ entsprechende Anfragen von HORIZONT unbeantwortet. Allerdings gibt es auf der Website des BMI eine Seite, die wichtige Fragen zur Kampagne erörtert - dort ist beispielsweise zu lesen, dass bundesweit rund 2400 Plakate im Einsatz sind. Auf Twitter versucht das BMI inzwischen Schadensbegrenzung zu betreiben - ohne allzu große Wirkung. Die Kampagne entwickelt sich zunehmend zum PR-Gau.

Fakt ist: Das Förderprogramm ist nicht neu. Es wurde bereits 2017 aufgelegt. Damals sind insgesamt 29.522 Menschen freiwillig ausgereist. 2018 waren es von Januar bis Oktober gerade mal 14.183 Menschen, die von dem Angebot Gebrauch gemacht haben. Die freiwillige Rückkehr habe stets Vorrang gegenüber einem staatlichen Vollzug, heißt es auf der Website des BMI. Mehrere staatliche und nichtstaatliche Angebote würden Ausreisepflichtige dabei unterstützen, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren und sich dort nachhaltig zu reintegrieren. Weil jedoch immer weniger von diesen Angeboten Gebrauch machen, wurde nun kurzfristig die "Ausreiseprämie" erhöht, was zu jener unglücklichen Plakatkampagne führte. Normalerweise bekommt jeder freiwillige Rückkehrer eine Prämie von 1200 Euro. Nun gibt es maximal 1000 Euro mehr – und für Familien bis zu 3000 Euro zusätzlich. bu

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