Philipp, das neue Coronavirus wirbelt zunehmend die Kommunikationsbranche durcheinander. Insbesondere der Eventbereich wird in Mitleidenschaft gezogen. Findet die OMR wie geplant am 12. und 13. Mai in Hamburg statt? Ja, davon gehen wir heute klar aus.
Was macht Dich so sicher? Weltweit werden größere und kleinere Events gecancelt oder verschoben. Nach der Absage von Twitter und Facebook steht die SXSW auf der Kippe. Wir sind im Gespräch mit den zuständigen Stellen und sind sicher, die entsprechenden Auflagen und Empfehlungen, die es diesbezüglich gibt, erfüllen zu können. Persönlich hoffe ich, und man kann das ja so auch an vielen Stellen lesen, dass die Ankunft des Frühlings und wärmeres Wetter dafür sorgen, dass sich die Thematik entspannt. Bis zu unserem Event sind noch zweieinhalb Monate. Wir erleben die Gespräche mit unseren großen internationalen Partnern als besonnen und Gesundheitsminister Spahn hat ja kürzlich auch mit Blick auf größere Events zu Gelassenheit geraten.
Wie werden die Vorsichtsmaßnahmen vor Ort aussehen? Das prüfen wir gerade im Detail. Ein Aspekt sind sicher verschärfte Hygiene und Reinigung. Ich gehe davon aus, dass sich bis dahin auch bereits erste Erfahrungen von anderen Veranstaltungen ergeben, auf die wir natürlich zurückgreifen werden. Ich spreche da mit Veranstaltern jeder Art von Messe - über Konzert bis Konferenz.
Wie verunsichert sind die Sponsoren – und wie geht ihr damit um? Gab es bereits Absagen? Gibt es eine Corona-Hotline bei der OMR? Nein, eine Hotline haben wir nicht. Es gibt natürlich Rückfragen und Facebook zum Beispiel hat sich global dazu entschieden, weltweit an keiner Veranstaltung teilzunehmen. Das betrifft uns dann genauso wie SXSW oder Facebook-eigene Events.
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Auf dem OMR Festival ist das Format schon zu einer Art Tradition geworden: Zu Beginn des zweiten Festivaltages gibt der OMR-Gründer Philipp Westermeyer eine Einblick darüber, wie es um die deutsche Digitallandschaft bestellt ist und was Marketer in diesem Jahr beschäftigen sollte.
Die OMR positioniert sich ja als internationaler Großevent. Wird es dieses Jahr weniger internationale Speaker geben? Wir planen mit einer großen Zahl an internationalen Speakern, wie immer. Sicherlich gibt es Einschränkungen bei Referenten aus China und eventuell gibt es die eine oder andere Absage. Aber wir planen keine größeren Abstriche. Wir werden in den kommenden Tagen vermutlich sogar ein paar weitere überraschende Gäste präsentieren.
„Es gibt sicherlich nicht nur einen Plan B, sondern mehrere Szenarien, die wir einzeln durchdenken.“
Philipp Westermeyer
Auch hierzulande schicken Agenturen, Medienhäuser und Unternehmen ihre Mitarbeiter vorsorglich ins Home Office; Dienstreisen werden gecancelt und stattdessen über Google Hangout abgewickelt. Mit wievielen Teilnehmern rechnet ihr angesichts aktuellen Lage? Unsere Planung lag bei 60.000 Besuchern. Zeitweise hatten wir dann das Gefühl, es könnten sogar mehr werden. Vermutlich werden es jetzt eher etwas weniger. Das ist heute schwer zu prognostizieren. Wir haben noch einige Tage Zeit, bis wir gezwungen sind, finale Weichenstellungen für die Produktion des Events zu stellen. Die Arbeitshypothese ist, dass wir ein nur gering beeinträchtigtes Event erleben werden. Für unser Team und mich persönlich ist das natürlich trotzdem eine neue Herausforderung, bei der wir auch zeigen wollen, was man mit ungewöhnlichen Ideen und etwas Improvisation bewegen kann. Flexibilität, Authentizität und Agilität sind unsere Stärken, die müssen wir jetzt zeigen. Wir wollen auch dann besonders gute Lösungen finden, wenn es mal schwerer fällt. Als vor einigen Jahren mal einen Tag lang unser Payment-System ausgefallen ist, haben wir das Essen umsonst verteilt. Das war kurzfristig sehr teuer, langfristig profitieren wir von dieser Aktion bis heute. Wir konnten zeigen, welche Art Gastgeber wir sein möchten.
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Nach neun Jahren bei W&V wechselt Mirko Kaminski die Seiten: Ab sofort berichtet der Achtung-Chef als Video-Reporter exklusiv für HORIZONT von großen Events. Den Auftakt macht Kaminski beim OMR Festival in Hamburg – und zwar standesgemäß im Rockstar-Outfit.
Für wieviel Prozent des Gesamtumsatzes Eures Unternehmens steht die Konferenz? Etwas mehr als die Hälfte. Noch nicht perfekt diversifiziert, aber gut genug, um keine unverhältnismäßigen Risiken eingehen zu müssen. Unser Seminar- oder Podcastgeschäft hilft uns da sehr.
Wie sieht der Plan B aus, wenn sich die Lage verschärft? Den erarbeiten wir gerade. Es gibt sicherlich nicht nur einen Plan B, sondern mehrere Szenarien, die wir einzeln durchdenken.
Dem Eventbusiness wurde bis vor kurzem von Marktforschern eine goldene Zukunft vorhergesagt. Aus gutem Grund: Je digitaler unser Leben und unser Business wird, umso wichtiger werden Veranstaltungen wie SXSW, OMR oder die Digital Marketing Days. Gilt das nicht mehr? Ich glaube, das gilt weiterhin. Ich habe in den letzten Tagen mit langjährigen Eventexperten gesprochen, die z.B. für Events in Asien verantwortlich waren, als dort 2003 das SARS-Virus ausgebrochen ist. Viele Events sind wohl im Jahr darauf mit erheblichem Wachstum zurückgekommen. Ein Grundrisiko hat man in diesem Geschäft, aber das war auch vorher klar. Wenn ich auf andere Industrien schaue, liegen wir vom Risikoprofil sicher eher im Mittelfeld.
2018 konnte Scott Galloway, einer der Speaker-Helden der OMR, seine Rede nicht live halten. Sie wurde per Video übertragen. Könnt Ihr Euch eine virtuelle OMR vorstellen? Vollständig virtuell aktuell eher nicht, aber einzelne Elemente, das kann notfalls sein, klar. Ganz konkret hat ja Scott uns für dieses Jahr wieder zugesagt und wir haben vorgestern gesprochen, da waren alle sicher, dass es auch weiterhin klappt.
Darf ich noch was sagen, Volker? Mir ist wichtig, klar zu machen, dass wir die OMR immer um eine extreme Wertschätzung für die Besucher herum aufgebaut haben. Angefangen von den besonderen Speakern, der Produktion selber, den Künstlern, den Ticketpreisen und vielem mehr, das ist unsere DNA. Sollte es sich konkreter andeuten, dass es Themen gibt, die für unsere Gäste problematisch sein könnten, werden wir extrem vorsichtig. Ich glaube wir haben da eine hohe Glaubwürdigkeit und die werden wir bewahren, darauf basiert unsere Marke und unser Geschäft in den kommenden Jahren so oder so.
Interview: Volker Schütz