Das deutsche Olympiateam versucht die Verschiebung der Spiele positiv zu sehen - so es denn geht
Die Verschiebung der Olympischen Spiele von Tokio auf das nächste Jahr erfordert nicht nur von Athleten ein Umdenken, sondern auch von Sponsoren und Vermarktern. Gefragt sind vor allem Flexibilität und Kreativität.
#PAYWALLSo hatte sich Johannes Vetter den 24. Juli 2020 sicher nicht vorgestellt. Eigentlich wollte der 27-jährige Speerwerfer an diesem Tag mit dem deutschen Olympiateam an der Eröffnungsfeier der Sommerspiele in Tokio teilnehmen. Daraus wurde aufgrund der Corona-Pandemie nichts. Stattdessen postete Vetter auf seinem Instagram-Kanal ein Foto von sich mit einer Food Bowl in den Farben der deutschen Flagge. Johannes Vetter Edeka Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an et voilà ✨ Meine TEAM DEUTSCHLAND-BOWL 🇩🇪🍜🇯🇵 #edekaküchenspiele //Anzeige Was für ein Erlebnis 🙌 @edeka Heute wäre die offizielle Eröffnungsfeier in Tokio gewesen! Wir das @teamdeutschland holen gemeinsam mit @edeka einen Hauch Japan in die eigenen vierWände🇯🇵 Was sagt ihr zu meiner Team D-Bowl? 🙌 Ernährung und Sport gehört zusammen 💪 Eine ausgewogene Ernährung mit hochwertigen Lebensmitteln ist die Basis für Leistungsfähigkeit! Schaut doch ab dem 28.07.20 mal bei @edeka vorbei und nehmt am Gewinnspiel teil 😉 Ihr könnt unter anderem einen 250€ Edeka Gutschein gewinnen oder einen Sushi-Kurs ✨ Ich drücke euch die Daumen und viel Spaß beim nachkochen! #reifeleistung #roadtotokyo #wirundjetztfüralle #wirlebenlebensmittel #teamdeutschland #wirfuerd Ein Beitrag geteilt von Johannes Vetter (@johannes_vetter) am Jul 24, 2020 um 10:00 PDT Das Foto war Teil einer Aktion von Edeka. Der Lebensmitteleinzelhändler ist Sponsor des Teams Deutschland und hat den Tag der eigentlichen Olympia-Eröffnungsfeier genutzt, um seinen eigenen Wettkampf zu starten. Bei den "Edeka Küchenspielen" haben mehr als fünfzig Top-Athleten des deutschen Olympia-Kaders zu einer Koch-Challenge aufgerufen und selbst daran teilgenommen. Unternehmensangaben zufolge wurden damit mehr als 400 User-Beiträge und eine Netto-Reichweite von 7,6 Millionen Nutzern erzielt.Eigentlich lautet das olympische Motto ja "Dabei sein ist alles". Aber kann man auch bei etwas dabei sein, was gar nicht stattfindet? Sponsoren wie Edeka, die ihr Olympia-Engagement schon immer stark inhaltegetrieben interpretiert haben, sind hier sicher im Vorteil. Das Unternehmen versucht ohnehin schon immer, auch ohne Olympische Spiele als direkten Kommunikationsanlass Inhalte rund um das Thema Sport zu schaffen. Seit 2018 gibt es etwa die Kochserie #ReifeLeistung, bei der Athletinnen und Athleten selbst zu Pfanne und Kochtopf greifen. Im vergangenen Jahr wurde zudem mit Olympia-Anwärtern und Usern der "Team Deutschland Riegel" entwickelt. Rund 30.000 Personen nahmen an der Abstimmung teil, insgesamt erreichte Edeka eigenen Angaben zufolge damit rund 15 Millionen Menschen. Mehr zum Thema Edeka "Dabei sein ist lecker" Edeka verlegt Olympia in die Küche Am 24. Juli hätten die Olympischen Spiele in Tokio beginnen sollen. Nicht nur für Athleten, auch für die Sponsoren ist der corona-bedingte Ausfall der Spiele ein Drama. Um wenigstens einen Hauch Olympia-Feeling zu kreieren, startet Edeka gemeinsam mit deutschen Olympioniken nun die Social-Media-Kampagne "Edeka Küchen Spiele. Dabei sein ist lecker". ... Indem Edeka auch ohne Spiele Olympia-Werbung gemacht hat, konnte sich der Händler womöglich sogar einen Vorteil im Kampf um die Aufmerksamkeit der Nutzer verschaffen. Denn hätte Tokio 2020 tatsächlich stattgefunden, hätte sich Edeka in diesem Kampf der Konkurrenz von zahlreichen weiteren Sponsoren ausgesetzt gesehen. Schon zu Beginn des Lockdowns im Frühjahr hat das Unternehmen daher nicht auf die Kommunikations-Bremse gedrückt, sondern die Kampagne #WirUndJetztFürAlle gestartet, in der Team-Deutschland-Athleten Fitness-Übungen für zuhause vorführten.Die Bedeutung des Olympia-Sponsorings sei für Edeka auch trotz der Verlegung der Spiele hoch, erklärt Edeka-Kommunikationschef Rolf Lange. "Durch die Verschiebung der Spiele sind dieses Jahr letztlich nur die Maßnahmen vor Ort im Deutschen Haus in Tokio weggefallen. Nicht aber die Möglichkeiten, mit Sportlerinnen und Sportlern weiterhin kreativ und engagiert zusammenzuarbeiten." Der ursprünglich anvisierte Budgetrahmen bleibe dabei erhalten. Durch die Verschiebung der Spiele sind dieses Jahr letztlich nur die Maßnahmen vor Ort im Deutschen Haus in Tokio weggefallen. Nicht aber die Möglichkeiten, mit Sportlerinnen und Sportlern weiterhin kreativ und engagiert zusammenzuarbeiten. Rolf Lange, Edeka Diesen Spirit will Edeka auch in das kommende Jahr mitnehmen. "Natürlich mit der Hoffnung, dass die Spiele auch stattfinden, da dieses Highlight für die Sportler extrem wichtig ist und zur Identifikation mit Team D beiträgt", so Lange. Doch genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Niemand kann mit Sicherheit sagen, ob und in welcher Form die Spiele überhaupt stattfinden werden. Und nicht nur Tokio 2021 wird noch vom Nebel der Unsicherheit umhüllt. Selbst die Olympischen Winterspiele in Peking 2022 scheinen momentan keineswegs gefeit vor den Folgen der Corona-Pandemie.Diese Unsicherheiten machen nicht nur dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zu schaffen. Auch die nationalen Olympischen Sportverbände müssen aktuell mehr oder weniger ins Blaue planen. Das betrifft natürlich auch die Vermarktung. Was kann man Sponsoren anbieten, mit denen man sich bereits auf fertige Pakete geeinigt hat, ehe die Absage aufgrund der Pandemie kam? Mit dieser Frage muss sich aktuell die Deutsche Sport Marketing (DSM) in Frankfurt beschäftigten. Die exklusive Vermarktungsagentur des Deutschen Olympischen Sportbundes akquiriert die Partner für die jeweiligen Olympiazyklen und legt den Rahmen der Zusammenarbeit fest."Wir waren im Grunde fertig und hätten eigentlich direkt nach Tokio abfliegen können. Noch nie waren wir so früh so weit wie in diesem Jahr", erklärt Claudia Wagner, gemeinsam mit Alexander Steinforth Geschäftsführerin der DSM. Viele Pläne, etwa das Konzept für das Deutsche Haus, mussten nach der Absage der Spiele rückabgewickelt werden. Gleichzeitig mussten Wagner und ihr Co mit den Partnern darüber sprechen, wie die Planungen für 2021 aussehen können. DSM Claudia Wagner ist Geschäftsführerin der Deutschen Sport Marketing gemeinsam mit... Eine Aufgabe, der durch Corona nicht gerade leichter wird, wie DSM-Geschäftsführer Alexander Steinforth zugibt: "Bei der Betreuung von Bestandspartnern oder der Neukundengewinnung steht derzeit die Frage im Raum, welche Unternehmen sich eigentlich Sponsoring weiter leisten können beziehungsweise wollen." Der frühere Vermarktungschef von Fortuna Düsseldorf versichert aber, dass die DSM auf ihre Partner zählen könne – und umgekehrt: "Wir arbeiten darauf hin, dass jeder Partner die Leistung bekommt, die vertraglich vereinbart wurde", erklärt Steinforth. "Dementsprechend haben wir mit jedem Partner individuell gesprochen und nach Wegen gesucht, die Leistungen auf das nächste Jahr zu übertragen. Und ich denke wir können sagen, dass wir das geschafft haben. Es fallen jedenfalls keine Leistungen weg und auch die Partner haben uns signalisiert, dass sie zu ihren Engagements stehen." Team Deutschland Sponsoren Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Jeder Weg wird von starken Partnern geebnet. Dafür sind wir extrem dankbar. Besonders, da unser Weg nach Tokio ja etwas anders verlaufen ist, als geplant. 🙏 #TeamDeutschland #MeinWeg #Tokio2020NE #Werbung Ein Beitrag geteilt von Team Deutschland (@teamdeutschland) am Aug 5, 2020 um 7:59 PDT Auch wenn das Infektionsgeschehen momentan wieder anzieht, ein Impfstoff noch in weiter Ferne scheint und selbst bei den Gastgebern die anfängliche Euphorie in der Bevölkerung verloren gegangen scheint: Mit dem Worst Case-Szenario eines erneuten Ausfalles planen Wagner und Steinforth nicht. "Dass die Spiele nächstes Jahr stattfinden werden, daran haben wir überhaupt keine Zweifel. Die große Frage ist das Wie", so Wagner. Das DSM-Team muss deswegen in vielen verschiedenen Szenarien denken. "Wir müssen uns zum Beispiel fragen: Inwiefern kann man jetzt verbindlich mit dem Deutschen Haus als Hospitality-Plattform planen, die eigentlich bis zu 1000 Gäste am Tag empfangen sollte", erklärt Wagner. Außerdem müsse man ein Konzept für Geisterspiele in der Schublade haben. DSM ...dem früheren Fußball-Manager Alexander Steinforth Wichtig sei, dass es sich bei all diesen Szenarien jeweils nicht um Notlösungen handele, "sondern um überzeugende Konzepte, die den Anforderungen gerecht werden – egal wie diese aussehen mögen", so die DSM-Geschäftsführerin. Das erfordere nicht nur, viele verschiedene Handlungsspielräume einzukalkulieren - auch in Sachen Storytelling müssten Team Deutschland und die Sponsoren umdenken, ergänzt Steinforth: "Man kann nicht mit den Lösungen vor Corona die Zeit nach Corona adressieren."Für die DSM bedeute das: Alles müsse digitaler werden und man müsse noch individueller und flexibler auf die Bedürfnisse der Partner eingehen. "Man sollte sich bei der grundsätzlichen Ausrichtung einer Partnerschaft jedenfalls nicht mehr auf eine Stoßrichtung festlegen, dazu ist alles zu volatil. Diese Flexibilität verbunden mit Kreativität müssen wir ganz stark in den Vordergrund stellen", so Steinforth. Dass die Spiele nächstes Jahr stattfinden werden, daran haben wir überhaupt keine Zweifel. Die große Frage ist das Wie. Claudia Wagner, DSM Das Team Deutschland selbst hat sich in der Kommunikation nach der Verschiebung der Spiele flexibel gezeigt. So hat der DOSB unter dem Motto "Morelympia" eine Reihe digitaler Kommunikationselemente aufgesetzt. In der gemeinsam mit der Agentur Kolle Rebbe entwickelten Kampagne #MeinWeg etwa haben die Athleten nicht nur wie geplant ihren persönlichen Werdegang zu Olympioniken nachgezeichnet, sondern auch gezeigt, wie sie auf die Olympiaverschiebung und geschlossene Hallen reagieren.Zudem gab es eine Aktivierung via Social Media: Auf den Kanälen des Teams Deutschland wurde nahezu täglich ein ikonischer Moment der deutschen Olympia-Geschichte als gemaltes Motiv sowie das jeweilige Highlight im Video gepostet, etwa der Gewinn der Goldmedaille durch Gewichtheber Matthias Steiner 2008 in Peking. Ein Podcast mit dem Protagonisten rundete das Paket ab. Die Bilanz: Mit 181 Posts in 17 Tagen erzielte Team Deutschland 2,8 Millionen Impressions in sozialen Netzwerken. Die Podcasts wurden 15.000 Mal gestreamt, die Videos auf TikTok erzielten 200.000 Abrufe. Team D Matthias Steiner Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an 🏋️ Die emotionalen Bilder von Matthias Steiners Olympiasieg in Peking sind wohl vielen noch im Kopf. 🥇 Heute wäre in Tokio das Super-Schwergewicht-Finale im Gewichtheben gewesen. 🗣️ In unserem Podcast erzählt Matthias nochmal von seinem großen Tag: 🔗LINK IN BIO ⬆️ _____ #Morelympia #WirfuerD #OlympicGames #Tokyo2020 #RoadtoTokyo @handsofgod_football @matthiassteiner_official @german_weightlifting Ein Beitrag geteilt von Team Deutschland (@teamdeutschland) am Aug 5, 2020 um 1:30 PDT Auch wenn sich diese Zahlen ebenso wie die Social-Media-Bilanz von Edeka Küchenspielen durchaus sehen lassen können: Das Schwelgen in Erinnerungen oder Rühren in Kochtöpfen ersetzt weder den Fans und schon gar nicht den Athleten das Olympia-Erlebnis. Insofern kann man nur hoffen, dass 2021 weniger stark vom Corona-Virus geprägt sein wird als dieses Jahr. Damit Johannes Vetter und das komplette Team Deutschland ins Olympia-Stadion einlaufen können statt in der Küche stehen zu müs