Klimaschutz-Aktivist Maurice Conrad
Werbeprofis haben es eigentlich schon immer vermutet: Fridays For Future ist nicht nur deshalb in aller Munde, weil sie für die gute Sache kämpfen. Basis für den Erfolg ist eine kluge und stringente Markenstrategie, von der auch erfahrene Marketingentscheider noch etwas lernen können. Auf dem Deutschen Medienkongress in Frankfurt präsentierte Klimaschutz-Aktivist Maurice Conrad vor den Vertretern der Kommunikationsbranche das Erfolgsrezept der jungen Bewegung.
Maurice Conrad kann als Prototyp für die Menschen gelten, die Fridays For Future als Bewegung am Leben halten. Der 20-jährige Mainzer ist über sein Engagement für die Seebrücke und seine Teilnahme an der Widerstandsbewegung im Hambacher Wald schließlich zu Fridays For Future gekommen, wo er sich nicht nur auf lokaler Ebene politisch engagiert – unter anderem als jüngstes Ratsmitglied der Stadt Mainz -, sondern auch seine Fähigkeiten als Informatiker für die digitale Kommunikation der Bewegung zur Verfügung stellt.
Das gibt ihm auch einen tiefen Einblick in die Kommunikation von Fridays For Future und die Reaktion der Öffentlichkeit. Und die Kommunikationsleistung ist für Conrad auch die entscheidende Leistung von Fridays For Future: "Wir sind ja nicht die ersten, die sich für die Umwelt engagieren. Gruppen wie BUND und Greenpeace arbeiten schon länger an dem Thema, als ich existiere. Aber wir haben es geschafft, dem Thema in der Öffentlichkeit die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die es auch verdient."
Eine klare Positionierung: Fridays For Future definiert sich über zwei Grundsätze. "United behind Science" und "Wir streiken, bis ihr handelt". Gerade die Einfachheit dieser Grundsätze machen sie so effektiv, glaubt Conrad: "Denn es ist sehr griffig und reduziert die vielen einzelnen Aspekte der Klimakrise auf ein klares Handlungsimperativ." Durch "United behind Science" entzieht FFF seinen Kritikern zudem Argumente: "Wir formulieren bewusst keine eigenen politischen Ziele, die man dann hinterfragen könnte. Stattdessen stellen wir uns hinter den wissenschaftlichen Konsens. Damit vertreten wir keine persönliche Meinung, sondern eine objektive Empfehlung der Wissenschaft."
Ein klares Erregungsmuster: FFF hat sich von Anfang an nicht auf die Kundgebung einer politischen Forderung beschränkt, sondern wollte immer die öffentliche Aufmerksamkeit erregen. Für Conrad ist die Kommunikationsleistung Teil der Marken-DNS: "Wir machen uns Gedanken, wie man Öffentlichkeitsarbeit macht. Deshalb streiken wir auch nicht Samstags. Wir streiken am Freitag. Ein Streik wäre sinnlos, wenn sich niemand darüber aufregt." Greta ist eine Heldin, die den üblichen Klischees widerspricht, und genau das macht sie so spannend für die Öffentlichkeit.
Maurice Conrad
Personality gut dosiert: Der Erfolg von Fridays For Future wäre nicht denkbar ohne Greta Thunberg. Conrad: "Greta ist eine Heldin, die den üblichen Klischees widerspricht, und genau das macht sie so spannend für die Öffentlichkeit. Intern diskutieren wir immer darüber wie viel Personenkult nötig ist, um für unsere Sache zu werben. Denn am Ende muss man die Aufmerksamkeit immer wieder von der Person zurück auf's eigentliche Thema lenken."
Grenzen setzen: Fridays For Future weckt gerade durch seine öffentliche Präsenz Begehrlichkeiten von Aktivisten, hier auch weitere Themen zu promoten. Eine der wichtigsten Fragen war, ob sich die Gruppe ausschließlich als Klimaschutz- oder gleich als Umweltschutzbewegung definieren sollte. Conrad: "Klimaschutz ist ja nur ein Teil des Umweltschutzes. Man könnte also noch viel mehr machen. Und wir beteiligen uns auch an Umweltschutz, aber der Fokus liegt ganz klar auf dem Klimaschutz. Denn hier können wir besonders klar unsere Botschaft vermitteln."
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Owned Media: Passend zum Durchschnittsalter der Aktivisten investiert FFF viel Aufwand in die Pflege der eigenen Kommunikationskanäle. Laut Conrad kann die Bewegung über 1 bis 3 Millionen Nutzer direkt über Social Media erreichen. Dabei spielt vor allem Instagram eine entscheidende Rolle: "Der Kanal ist in unserer Plattform sehr beliebt, weil er einfach am besten persönlichen Content von Freunden ausliefert."
Die Macht der Popkultur: Die Formulierung Fridays For … ist mittlerweile zum etablierten Meme in der Popkultur geworden. So gab es beispielsweise eine Facebook-Gruppe Fridays For Hubraum die zeitweise 1 Million Mitglieder hatte und so zur Nachricht wurde. Conrad sieht in der Entwicklung einen Beweis für den Erfolg der Bewegung aber auch ein gutes Mittel, um Mitstreiter zu gewinnen: "Es gibt ja auch Gruppen wie Scientists für Future oder Parents for Future. Indem Fridays For Future zu einem Begriff der Popkultur geworden ist, können auch andere Gruppen ein eigenes Label finden, um sich in Beziehung dazu zu setzen und ihren eigenen Beitrag zu vermitteln."
Der nächste Schritt: Conrad wertet 2018 und 2019 als großen Kommunikationserfolg für die Klima-Schützer, sieht aber auch die Schattenseite: "Wir haben uns die maximale Aufmerksamkeit erkämpft. Aber gleichzeitig erleben wir eine große Dissonanz zwischen den öffentlichen Diskussionen und dem, was tatsächlich in der Politik passiert." 2020 will sich Fridays For Future daher deutlich stärker konkreten Transformationsprojekten widmen. cam