Ist bald auch Werbung in Zeitungen und Zeitschriften automatisiert buchbar?
Zunehmend werden auch Offline-Medien Bestandteil der Marketing Automation. Ziel ist es, die Buchung klassischer Kanäle wie Fernsehen, Radio, Zeitschriften oder Print-Mailings zu vereinfachen.
Glaubt man einer Studie von Magna Global, dann gibt es so gut wie keine handverlesene Mediabuchung im Bereich der digitalen Werbung mehr. Rund 82 Prozent des digitalen Werbevolumens werden inzwischen programmatisch gebucht und ausgespielt. Damit ist der datengestützte, automatisierte Ein- und Verkauf von digitalem Werbeinventar der Normalfall.
Inzwischen erreicht diese Form der Marketing-Automatisierung auch die klassischen Kanäle. Seit einigen Monaten experimentieren einzelne Publisher, Vermarkter, Tech-Dienstleister und Plattformen damit, wie Offline-Medien an die programmatischen Entscheidungslogiken angebunden werden könnten. Dahinter steht die Überlegung, dass viele Menschen weiterhin lineares Fernsehen gucken, Radio hören und gedruckte Medien nutzen, diese Kanäle also künftig in der Customer Journey eine wichtige Rolle spielen werden. Weil sich die Marketing Automation aber gerade zum Rückgrat des gesamten Werbe-Managements entwickelt, müssen auch diese Offline-Touchpoints in die automatisierte Marketingwelt integriert werden.
Vor diesem Hintergrund war die Ankündigung von Virtual Minds nur ein logischer Schritt. Das Tochterunternehmen des ProSiebenSat.1-Konzerns gab vor kurzem bekannt, einen "Media Manager" entwickelt zu haben, mit dem demnächst klassische, lineare Werbemedien gebucht werden könnten. Dazu wird im ersten Schritt das
lineare Werbeinventar der TV-Sender von ProSiebenSat1. auf der Plattform bereitgestellt und kann dann automatisiert gebucht und ausgespielt werden. Als nächstes sollen Radio und Kino folgen, auch sie sollen von den programmatischen Planungs- und Steuerungslogiken profitieren, so Tom Peruzzi, Sprecher der Geschäftsführung und CTO Virtual Minds. "Ziel ist es, als holistische Mediamanagement-Plattform konvergente programmatische Kampagnen über alle Medien und Kanäle zu ermöglichen."
Print und Audio: Anbindung an programmatische Plattformen
Die RTL-Gruppe ist noch nicht ganz so weit. Doch vor kurzem kündigte der Vermarkter Ad Alliance zumindest an, das Self-Service-Tool "Umfeld-Finder" zum "ContentFinder" zu erweitern. Bislang konnten über das 2018 entwickelte Tool passende Werbeumfelder der zur Ad Alliance gehörenden Printtitel selektiert werden. Nun hätten Kunden und Agenturen auch Zugriff auf die Gattungen Audio und Digital. Das ist zwar noch nicht programmatisch und bietet auch keinen Zugriff auf klassische TV-Spots, ist aber dennoch ein Schritt in Richtung Automatisierung. Die Auswahl oder Reservierung der Umfelder erfolgt einfach per Mausklick.
Mit ihren Bemühungen, klassische Printtitel in das automatisierte Marketing zu integrieren, steht die Ad Alliance nicht alleine da. Print-Mailings sind ebenfalls Bestandteil automatisierter Werbeketten. Inzwischen haben
75 Prozent aller MAS die datengetriebene und automatisierte Aussteuerung des Print-Mailings via App oder API integriert. Getrieben wird
die Integration in die Marketing Automation durch eine hohe Nachfrage aus dem E-Commerce-Bereich, Handelsunternehmen, B2B-Unternehmen, Automobilherstellern und Finanzdienstleistern, erklärt Mathias Rochlitz, Produktmanager Deutsche Post. "Sie alle profitieren von der engen Verzahnung von digitalen und physischen Kanälen."
Auch die Plattform Pryntad arbeitet seit gut einem Jahr intensiv daran, die Werbewelt gedruckter Zeitungen und Zeitschriften in die Moderne zu überführen. Dort können Kunden inzwischen auf digitalem Weg Preisgebote für Werbeplätze in 300 Tageszeitungen abgeben. Im Hintergrund hat das Unternehmen gerade seine Datenbank um rund 13.000 Fach- und Publikumszeitschriften ergänzt, um auch diese für die Plattform zu erschließen. Künftig, so erklärt Geschäftsführerin Anja Visscher, sollen große Teile des Inventars programmatisch gebucht werden können. Als technologischer SSP-Partner wurde die OneTechGroup gewonnen, auf DSP-Seite gibt es eine Kooperation mit Active Agent. "Im ersten Step können Kunden Programmatic Guaranteed Deals umsetzen, perspektivisch wollen wir alle Deal-Arten anbieten", so Visscher.

Pryntad
Dieses Start-up will die guten alten Print-Preislisten überflüssig machen
Wer bietet mehr? Das Hamburger Start-up Pryntad, hinter dem drei frühere Bauer-Manager stehen, baut einen Marktplatz für Anzeigen auf, als „Matchmaker zwischen Advertisern und Publishern“. Zwei Regionalzeitungen sind schon dabei – allerdings bisher nur über Direkt-Deals. Doch das Modell soll künftig auch und vor allem Titel-übergreifend funktionieren. Dies könnte das Ende der Print-Preislisten bedeuten. ...
Lösungen für die Brücke zwischen Online und Offline
Ähnlich wie Pryntad und Print-Mailing für die Anzeigenwelt von gedruckten Medien arbeitet adremes für das klassische Radio. Auch hier geht es darum, über eine Plattform direkt, dynamisch und in Echtzeit die Publisher-Seite mit der Buyer-Seite zu verbinden. "Das gesamte Werbeinventar ist jederzeit abruf- und buchbar", sagt Nico Aprile, Geschäftsführer der gleichnamigen Consulting-Firma und einer der Initiatoren des Angebots. "Werbespots lassen sich in Echtzeit und automatisch ausspielen – ebenfalls datengesteuert." Bislang nutzt der Schweizer Audiovermittler Swiss Radioworld das Tool, der Vermarkter RMS setzt adremes zur Anfrage von Werbeinventaren ein. Jetzt geht es darum, das Tool am Markt noch stärker zu etablieren. Aprile: "Das elektronische Handeln und die Anbindung an programmatische Plattformen wird adremes zusammen mit den Radiopublishern weiter vorantreiben."
Wie aber sieht es für Out of Home (OOH) aus? Wie weit ist hier die Einbindung in die Marketing Automation oder gar eine programmatische Aussteuerung? Der Media Manager sei hierfür derzeit noch nicht das geeignete Tool, sagt Peruzzi. Denn hier stünde aktuell eher noch die Optimierung der Buchungsprozesse durch die Automatisierung im Vordergrund, weniger die dynamische Ausspielung von Werbung nach digitalen Logiken. Aber das müsse nicht immer so bleiben.
Es wird also intensiv an Lösungen gearbeitet, die eine Brücke zwischen Online und Offline schlagen und somit die gesamte Werbewelt eines Tages für das Programmatic Advertsing zugänglich machen. Die Deutsche Post plant indes weitere Ausbaustufen, um die Akzeptanz für ihr Print-Mailing-Angebot weiter zu erhöhen. "Wir entwickeln für unsere Kunden immer neue Features, die die Integration von Print-Mailings in den digitalen Workflow schnell, optimiert und integriert gestalten", sagt Rochlitz. "Neben UX- Optimierungen arbeiten wir deshalb an Adressoptimierungsfunktionen, Neukundengewinnnungs-Möglichkeiten und Formaterweiterungen."
Das Ziel ist identisch wie bei den Automatisierungsbemühungen der anderen Offline-Kanäle: Es geht darum, die Buchungen zu erleichtern und den Kunden einen individualisierten Zugang zu ihrer Zielgruppe zu bieten. Und das ganz einfach per Mausklick.