Obi-Marketer Christian von Hegel und Sebastian Gundel (v.l.)
Christian Lord Otto
Obi-Marketer Christian von Hegel und Sebastian Gundel (v.l.)
Massenwerbung unter dem Schlachtruf "Wer, wie, wo, weiß Obi!", das war einmal. Die Marketing-Manager Sebastian Gundel und Christian von Hegel feilen an einer neuen Architektur aus Brand Experience und agiler Kommunikation. Wie der Baumarkt seine Kunden schon in der frühen Phase ihres Projekts an sich binden will und warum der Baumarkt-Riese dabei auf eine Leadagentur verzichtet, verraten die Marketer im HORIZONT-Interview.
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Obi hat im Marketing einiges verändert. Dabei verzichten Sie auf eine Leadagentur. Wie entsteht heute die Marketingkommunikation bei Obi? 
Christian von Hegel: Man kann als Marke nur dann authentisch und differenziert auftreten, wenn man sein Marketing größtenteils selbst steuert. Denn die Identität einer Marke entsteht nun einmal sehr stark von innen aus der Kultur und den Kompetenzen eines Unternehmens. Eine Agenturleistung kann ich mir jederzeit dazukaufen, aber die kann auch jeder meiner Wettbewerber kaufen – hierdurch entsteht kein Wettbewerbsvorteil. Außerdem brauchen wir bei der Vielzahl an Themen, die wir mittlerweile über diverse Kanäle kommunizieren, eine ganz andere Geschwindigkeit als früher. Wir können schlicht in vielen Fällen keine acht Wochen warten, bis aus einem Briefing eine Konzeptidee entsteht. Wir müssen daher in der Lage sein, selbst die strategische Ausrichtung des Marketings zu definieren und Kampagnenideen sowie die Mediaarchitektur in den Grundzügen zu entwickeln. Deshalb haben wir den Lead ins Marketing zurückgeholt, Kompetenzen aufgebaut und unser Agenturportfolio den neuen Anforderungen entsprechend an verschiedenen Stellen angepasst.


Eine Agenturleistung kann ich mir jederzeit dazukaufen, aber die kann auch jeder meiner Wettbewerber kaufen – hierdurch entsteht kein Wettbewerbsvorteil.
Christian von Hegel
Das durch die Digitalisierung gestiegene Tempo macht die Leadagentur zum Auslaufmodell?
Sebastian Gundel: Das Tempo ist das eine. Aber auch die Arbeitsweise hat sich geändert. Wir sind überzeugt, dass sich die Marke Obi auch aus dem Erlebnis des Angebotes definieren muss. Und deshalb müssen wir mit unserer Kommunikation einfach näher an das heranrücken, was wir tun. Aber das ist schwierig, wenn man mit Agenturen zusammenarbeitet, die nur alle paar Wochen da sind und den Bauchladen öffnen.

Das klingt, als ob Sie nicht mehr daran glaubten, dass die Kreativität der Agenturen Ihnen hilft.
Gundel: Nein. Das heißt nicht, dass wir uns hoher Kreativität verschließen. Im Gegenteil: Kreativität ist in der Zukunft mindestens so wichtig wie in der Vergangenheit. Aber es gibt neben den kreativen Spitzen eben auch die Brand Experience, die wir schaffen wollen. Dieses Markenerlebnis, das direkt aus dem Angebot kommt, hat einen klaren messbaren Effekt. Wenn wir unsere Kunden in Trackingstudien nach der Zufriedenheit mit der Marke Obi fragen, sehen wir einen sehr deutlichen Unterschied, wenn die Befragten zuvor den Gartenplaner erlebt haben oder wenn sie einfach nur eine Glühbirne bei Obi gekauft haben.

Wir müssen mit unserer Kommunikation einfach näher an das heranrücken, was wir tun. Aber das ist schwierig, wenn man mit Agenturen zusammenarbeitet, die nur alle paar Wochen da sind und den Bauchladen öffnen.
Sebastian Gundel
Ein Stichwort der neuen Werbesprache von Obi ist "Projekt". Jahrelang hat nur Hornbach über Projekte geredet. Den Wettbewerber veralbern Sie mit dem Spruch "Mach’s auch fertig". Wie passt das zu Obi?
Von Hegel: Wenn man als Baumarkt nicht über Projekte redet, handelt man wie ein Schuhhändler, der keine Schuhe verkaufen will. Wir setzen heute in unserer Kommunikation darauf, unseren Kunden Lösungen zu präsentieren. Einfach eine Themenkompetenz für sich zu reklamieren, um die Leute in die Märkte zu locken, das ist 90er-Jahre-Marketing. Denn wenn der Kunde dann im Markt steht und diese Projektkompetenz einfach nicht vorfindet, schadet das der Brand Experience und damit auch dem Wert der Marke. Was wir mit dem Gartenplaner, den Machbarmachern oder den Selbstbaumöbeln anbieten, sind sehr starke Lösungen, die unsere Kunden inspirieren. Das merken wir in jeder Marktforschung: Sobald wir diese Lösungen kommunizieren, sind die Menschen interessiert. Das ist auch nicht überraschend, denn bei Haus und Garten handelt es sich um klassische High-Involvement-Themen mit hoher intrinsischer Motivation. Aus Marketingsicht ist dies extrem dankbar: Die Nutzer beschäftigen sich über Monate mit ihren Projekten, investieren hier viel Geld und sind für Service-, Content- und Produktangebote offen.

Weshalb sollten wir also hier noch in die Markenbekanntheit investieren? Was die Menschen über Obi wissen, denken und fühlen, ist viel entscheidender. Deshalb nutzen wir auch neue Konzepte wie das Influencer Marketing und Events.
Christian von Hegel
Obi wirkt in seinen Kampagnen oft wie ein Herausforderer, nicht wie der Marktführer.
Von Hegel: Bei einem solchen Urteil wird ja oft nur die TV-Werbung als Maßstab genommen. Aber schauen Sie sich mal unseren Auftritt auf dem Donauinselfest in Österreich an, dem mit weit über 2 Millionen Besuchern größten Open-Air-Musikfestival der Welt. Da stand in bester Position ein 15 Meter hoher Markenturm von Obi, auf dessen Plattform wir Influencer und ausgewählte Kunden und Mitarbeiter eingeladen haben, das Fest aus einer phänomenalen Perspektive mitzuerleben. Ganz nebenbei konnten die Besucher auf dem Festival oder in unserer zweiwöchigen Kreativwerkstatt in der Wiener Innenstadt unsere Selbstbaumöbel erleben, die ganz neue Kundengruppen erschließen und uns eine ganz neue Form von Kommunikation ermöglichen. Das sind massenwirksame Kommunikationsformate, für die wir aber nicht immer gleich eine Pressemeldung schreiben.

Noch tiefer ins Thema einsteigen?
Was sich Obi von Festivalsponsorings verspricht, welche Rolle Daten bei der Kundenansprache spielen und welche Rolle Content Marketing im Mediamix spielt, lesen Sie am besten gleich auf Ihrem Tablet oder Smartphone (Android und iOS) in der neuen HORIZONT-Ausgabe. HORIZONT-Abonnenten können die E-Paper-Ausgaben kostenlos auch auf Ihrem PC/Mac abrufen. Nicht-Abonnenten können hier ein HORIZONT-Abo abschließen.
Gundel: Wir reden tatsächlich nicht oft über unsere Marktführerschaft. Denn Marktanteile interessieren die Unternehmen, nicht die Kunden. Der Kunde muss den Wert der Nummer 1 im Angebot spüren. Wir setzen auch über unsere Media-Strategie Marktführer-Signale. Indem wir dominant präsent sind, unsere Kunden überzeugen und immer wieder Vorreiter bei neuen Themen sind, werden wir der Rolle des Marktführers gerecht.

Über eine massive TV-Werbepräsenz versuchen Sie das offenbar nicht zu erreichen. Sondern? 
Von Hegel: TV ist für uns einer von mehreren relevanten Kanälen, weil sich hier in kurzer Zeit Reichweite aufbauen lässt. Aber wir haben einen Top-of-Mind-Wert von 40 Prozent. Der nächste Wettbewerber hat unter 15 Prozent. Weshalb sollten wir also hier noch in die Markenbekanntheit investieren? Was die Menschen über Obi wissen, denken und fühlen, ist viel entscheidender. Deshalb nutzen wir auch neue Konzepte wie das Influencer Marketing und Events. Das stellt aber die klassischen Medienkanäle nicht infrage. Denn wir würden 10 bis 15 Prozent der Menschen nicht mehr erreichen – egal, welchen Kanal wir abschalten würden. cam 

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